23.04.2020    Arne Gottschalck
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Klare Signale? Fehlanzeige. Das gilt für die Börse, die je nach Stimmungslage nervös pendelt – aufwärts bei beruhigenden Signalen aus der Politik, abwärts bei düsteren Prognosen. Das gilt für die Menschen, in Homeoffice oder Kurzarbeit. Und das gilt auch für die Unternehmen. Denn wie geht es weiter? Wie also sollen Unternehmer in die Zukunft schauen, planen, wirtschaften? Auf jeden Fall anders, sagen renommierte Zukunftsforscher.

Alle sprechen von Corona – seit Wochen. Besteht die Gefahr, die Zukunft aus den Augen zu verlieren und nur auf das Jetzt zu schauen? „Die wahrscheinlichste Zukunft hat bereits begonnen“, sagt Peter Wippermann zum Beispiel, Trendforscher aus dem Beratungsunternehmen Trendbüro Hamburg. „Die eigene Gesundheit, unabhängige Finanzkraft und die Anschlussfähigkeit an die digitale Matrix bestimmen privat wie geschäftlich die Chancen während und nach der Corona-Krise.“ Und mit dieser Einschätzung steht er nicht allein da.

Nicht nur an heute denken

„Im Augenblick beschäftigen sich alle nur mit den Problemen des Augenblicks“, sagt Sven Gábor Jánszky, Zukunftsforscher und Strategieberater. „Das ist verständlich, aber nicht zielführend. Denn seine Zukunft entwickelt man nicht aus heutigen Ängsten oder Problemen, sondern mit klarem Fokus auf ein Zukunftsbild. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass wir uns im Herbst 2020 singend in der Fankurve im Fußballstadion wiedertreffen und keinen Gedanken mehr an dieses Frühjahr verschwenden.“

Für Zukunftsforscher Kai Gondlach bleibt aber eine Frage offen: „Eine globale Pandemie wird seit Jahren erwartet. Wieso gibt es kein besseres Krisenmanagement oder Berücksichtigung in den Finanzplänen der Unternehmen? Der Blick nach vorn ist immer wichtig, jetzt natürlich umso mehr.“

Der Blick nach vorn, wie er für Unternehmer zum kleinen Einmaleins gehört. Nur: Wie klappt dieser Blick nach vorn, wenn alles unsicher ist? Wenn das wirtschaftliche Umfeld eher düster aussieht, wie Prognosen in Aussicht stellen. Der IWF etwa sprich von einer „Jahrhundert-Rezession“, die bevorstünde. Bedeutet das einen Systembruch? Verändert Corona die Welt also dauerhaft? Das kommt aus Sicht der Zukunftsforscher darauf an; je nachdem, wer antwortet.

Jánszky zum Beispiel sagt: „Wir Zukunftsforscher arbeiten aktuell mit fünf möglichen Szenarien. In zwei dieser Szenarien verändert sich nahezu gar nichts an unserem Leben und Arbeiten. In zwei weiteren werden die Menschen etwas mehr der digitalen Technologie vertrauen, denn sie werden von ihr vor Corona geschützt. Und nur in einem einzigen Katastrophenszenario erfolgt ein lang anhaltender Shutdown, der dauerhaft die Wirtschaft und unsere freiheitliche Demokratie zerstört. Mein Fazit: Diese Überschriften vom historischen Moment und der Veränderung der Welt erregen heute Aufmerksamkeit in den Medien. Aber am wahrscheinlichsten ist, dass die Welt Ende 2020 genauso gut und schlecht tickt, wie zu Beginn des Jahres.“ Damit gehört er zu den Optimisten seiner Zunft.

Die Krise wird lange nachwirken

Gondlach ist deutlich skeptischer: „Wahrscheinlich wird es nicht bei einer durch Corona beschleunigten Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise bleiben. Wir benötigen langfristig neue Systemarchitekturen, die im Sinne eines Postkapitalismus mehr als rein monetäres Profitstreben als ökonomische Anreize in der Grundlogik der Wirtschaftskreisläufe festschreiben. Außerdem verändern sich die Werte der Menschen rasend schnell hin zu einer Kultur der Dankbarkeit, Positivismus und Achtsamkeit.“

In die gleiche Kerbe schlägt Nick Sohnemann, Gründer und CEO von Future Candy: „Sicher ist, dass diese Krise für die Generation Y und Generation Z ein einschneidendes Erlebnis darstellt. Wir werden noch Jahre lang darüber reden und sinnieren. Diese Krise wird uns dauerhaft prägen und beschäftigen. Denn Werte können sich durch so eine Krise verschieben. Alle Menschen sind von der Krise betroffen. Jeder muss seinen Weg finden damit umzugehen und viele werden sich fragen, was wirklich wichtig für sie ist.“

Die Zukunft wird anders? Vielleicht keine überraschende Erkenntnis. Aber was bedeutet das konkret für Unternehmer? Müssen sie ihre bestehenden Geschäftsmodelle überdenken oder gar auf den Müllhaufen der Wirtschaftsgeschichte werfen? Oder kann es alles weitergehen wie zuvor, unterbrochen von einer Phase der Stagnation? Worauf wird es für Unternehmer also künftig ankommen? Den Reset-Knopf zu drücken?

Jein, findet Sohnemann: „Nach über zehn Jahren Wachstum in allen Bereichen und Branchen zwingt die Corona-Krise vielen Unternehmern jetzt einen komplett neuen Modus Operandi auf. Für eine Generation an Unternehmern, die ihre Firmen erst nach der Bankenkrise 2008 gegründet haben, ist das die erste Krise – und daher auch desto ungewöhnlicher. (…) Jetzt ist es wichtig, sehr eng am Unternehmen zu sein. Unternehmer müssen auf Sicht fahren sowie sich und ihre Firmen auf die Zeit nach der Corona-Krise vorbereiten und einstellen: digitalisierter, moderner und effizienter. Umgekehrt ausgedrückt: Der Reset-Knopf wird also nur dort gedrückt, wo Ineffizienzen abgebaut werden und alte Prozesse durch neue bessere Prozesse ersetzt werden können.“

Unternehmer brauchen eine klare Vision

Kein einfacher Ansatz. Weder jetzt noch in Zukunft. „In den Zeiten des Shutdowns kommt es natürlich zunächst darauf an, wirtschaftlich zu überleben und nicht pleite zu gehen“, sagt Jánszky. „Aber noch schwieriger wird der Moment danach: Wenn die Mitarbeiter nach dem Shutdown wieder ins Unternehmen kommen, deprimiert von der öffentlichen Diskussion und gezeichnet von der wochenlangen Dreifachbelastung mit Kindern, Homeoffice und Haushalt. Das wird die Zeit sein, in der sich alle nach Urlaub sehnen, aber stattdessen mit 150 Prozent Einsatz ihr Unternehmen wieder hochfahren müssen. Dafür müssen Unternehmer ein klares Zukunftsbild haben, eine von den Mitarbeitern verstehbare und weitererzählbare Vision, warum die Extrameile sich lohnt und Mitarbeitern und Unternehmen eine bessere Zukunft schafft.“

Für Wippermann ist der Kurs nach der Krise klar: „Wer in den Rückspiegel schaut, verpasst die Ausfahrt aus der Krise. Die Covid-19-Pandemie ist der Warp-Antrieb in die Netzökonomie.“

Kein schlechtes Bild für einen Zukunftsforscher, der Warp-Antrieb. Und eines, das Unternehmern Hoffnung machen kann. Ähnlich wie die Thesen des Zukunftsforschers Matthias Horx. In seinem viel beachteten Essay „Die Corona-Rückwärts-Prognose: Wie wir uns wundern werden, wenn die Krise ‚vorbei‘ ist“ hat er die Welt nach dem Virus skizziert. Mit überraschend positiver Aussicht. Wir haben daraus 13 Szenarien zusammengestellt, die Unternehmer kennen sollten und die Mut machen.

23.04.2020    Arne Gottschalck
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