Ukrainischer Soldat in Butscha
19.04.2022
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Keith Krach ist ein Leader. In den USA hat sich der Multimilliardär einen Ruf als bedeutende Führungspersönlichkeit erworben. Sowohl in Wirtschaft und Philanthropie als auch im Bildungswesen und in der Politik hat der 65-Jährige seine Fähigkeiten gezeigt. In der Trump-Administration leitete er die US-Wirtschaftsdiplomatie. Bei der Berufung zum Undersecretary of State im US-Außenministerium gelang ihm das seltene Kunststück, einstimmig vom Senat bestätigt zu werden. 

Silicon Valley meets Washington, D. C.

Seine Aufgabe als Diplomat erfüllte er mit dem gleichen Business-Spirit, mit dem er etwa Unternehmen wie den Nasdaq-Highflyer Docusign als CEO geleitet hatte. Krach gilt als fleißiger Arbeiter, innovativer Kopf und begnadeter Menschenfänger. Sein größtes Kapital sind seine Führungsqualitäten: Vertrauen aufbauen und Netzwerke pflegen. So freundete er sich auch mit vielen deutschen CEOs und Leadern an – darunter etwa Telekom-Chef Timotheus Höttges oder Paul Achleitner, dem scheidenden Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Bank.

Als US-Diplomat in Washington entwickelte Krach die „Trust Principle Doctrine“. Kern der Initia­tive waren die Förderung von Freiheit, Demokratie und globaler wirtschaftlicher Sicherheit. Seine Politik richtete sich gegen China. Seine Befürchtung: Das kommunistische Regime könne seine Vormachtstellung in der IT sowie bei der 5G-Technologie für politische Zwecke nutzen. Und so jettete Krach um die Welt, um Regierungen vor Chinas Informationstechnologie zu warnen. Krachs größte Sorge: Peking könne etwa von Huawei gelieferte Software für Erpressung, Spio­nage oder Blockade nutzen. 

Große Abhängigkeit, große Probleme

Mit seiner Einschätzung der Lage war Krach seiner Zeit ein wenig voraus. Doch dass die Befürchtungen des US-Amerikaners grundsätzlich gerecht­fertigt waren, wird derzeit an anderer Stelle offenkundig. Denn dass autoritär gelenkte Länder wirtschaftliche Abhängigkeiten nutzen, um ihre Politik durchzusetzen, zeigt die Abhängigkeit der Europäischen Union von Gas- und Öllieferungen aus Russland.

Seine Initiative brachte Krach eine Nominierung für den Friedensnobelpreis 2022 ein – und Lob von William Treanor, Dekan der Georgetown Law School. Mit Blick auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine sagte er: „Was Krach als Leiter der US-Wirtschaftsdiplomatie und beim Aufbau der Clean Network Alliance of Democracies geleistet hat, ist gerade jetzt von größter Bedeutung. Sein Einsatz des Vertrauensprinzips zur Abwehr von technologischem Autoritarismus, zum Schutz der globalen wirtschaftlichen Sicherheit, zur Wahrung der Demokratie etwa in Taiwan und zum Schutz der Menschenrechte entspricht unseren Grundwerten.“

Beifall gibt es zudem von General Herbert Raymond McMaster, von März 2017 bis April 2018 der Nationale Sicherheitsberater von Ex-US-Präsident Donald Trump. „Der Sieg des Clean Network über den Masterplan der Kommunistischen Partei Chinas, die 5G-Kommunikation zu kontrollieren, war das erste Mal, dass eine von der US-Regierung geleitete Initiative bewiesen hat, dass Chinas wirtschaftliche Kriegsführung besiegbar ist, da sie die größte Schwäche aufgedeckt hat: Niemand vertraut ihnen“, so McMaster.

Taiwan als Profiteur der US-Politik

In weniger als einem Jahr schlossen sich dem Clean Network 60 Länder an, die zwei Drittel des globalen Bruttoinlandsprodukts repräsentieren. Die Strategie, 5G durch ein westliches Netzwerk vertrauenswürdiger Partner auszubauen, ging auf. Das „Wall Street Journal“ schrieb nach dem Ende der Trump-Regierung: „Krachs Clean Network ist ein unbestrittener Erfolg und vielleicht das nachhaltigste außenpolitische Vermächtnis der letzten vier Jahre.“

Profitiert von der US-Politik hat vor allem Taiwan. China spricht dem Inselstaat das Existenzrecht ab. Hat der russische Einmarsch in der Ukraine Erfolg, könnte China Ähnliches – das befürchtet auch Krach – in Taiwan versuchen.

Krach war der ranghöchste Beamte des US-Außenministeriums, der Taiwan seit 41 Jahren besuchte. Das war China ein Dorn im Auge: Peking schickte 40  Kampfflugzeuge und Bomber in den taiwanesischen Luftraum, um Krach zu warnen. Das nutzte allerdings nichts: Krach verknüpfte einen der Weltmarktführer in der Halbleiterherstellung, die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company, mit der US-Wirtschaft. Der Deal wurde als „Gamechanger“ bezeichnet, da er die globale Halbleiterlieferkette vor autoritären Bedrohungen schützt.

Nach dem Regierungswechsel in den USA setzte Krach seine Mission fort. So gründete er das überparteiliche Center for Tech Diplomacy an seiner Alma Mater, der Purdue University im Bundesstaat Indiana. Ziel der Initiative: die Freiheit weltweit durch vertrauenswürdige Techno­logie fördern.

Zur Person

Keith Krach, ehemaliger US-Diplomat

Keith Krach

Der Silicon-Valley-Milliardär war als Undersecretary of State im US-Außenministerium ab September 2019 verantwortlich für die globale wirtschaftliche Sicherheit. Das Thema beschäftigt ihn auch nach Ende der Amtszeit von Donald Trump weiter

Ist der Krieg in der Ukraine ein historischer Weckruf für verfehlte Politik gegenüber autoritären Regimen?

Keith Krach: Ja.

Welches Signal sendet der Ukraine-Konflikt?

Krach: Die Welt schaut hilflos und bestürzt den Ereignissen in der Ukraine zu. Das Unmögliche scheint möglich. Dadurch rückt auch Taiwan in den Fokus der Weltöffentlichkeit. Wir sehen in der Ukraine allerdings auch, wie ein Volk mit unerschrockenem Mut die ­Freiheit verteidigt. Was ich kritisiere: Die Welt sah den Angriff kommen. Wladimir Putin pflegt nicht zu bluffen. Unsere Gegenmaßnahmen kamen zu spät. Wir hätten uns mit mehr Geld für die Verteidigung engagieren müssen. Unser Learning: Die USA sollten von China das Schlimmste annehmen. Warum? Das Land weigert sich, eine Invasion auszuschließen. Wir können China nicht vertrauen.

Russlands Präsident Putin versucht ...

Krach: … die Geschichte umzuschreiben, um die ­moralische Überlegenheit für sich zu beanspruchen. Seine Begründung: Die Ukraine habe immer zu Mütterchen Russland gehört, und jede militärische Intervention sei ein direkter Angriff auf Russland, der einen nuklearen Vergeltungsschlag rechtfertige. In ähnlicher Weise hat die Volksrepublik China 40 Jahre damit verbracht, die Geschichte umzuschreiben, indem sie Länder und Organisationen für ihre Propaganda missbrauchte, dass Taiwan immer zu China gehört habe. Die USA müssen wieder die Führung übernehmen und Taiwan als das anerkennen, was es wirklich ist: eine demokratische Nation.

Der ukrainische Mut ...

Krach: … hat zu einem Aufschrei geführt, der die Demokratien in einer noch nie da gewesenen Weise vereint. Jetzt ist es an der Zeit, diesen Schwung zu nutzen, um dem Autoritarismus auf der Grundlage gemeinsamen Vertrauens die Stirn zu bieten. Chinas Mobbing-Taktik bestand schon immer darin, zu spalten und zu erobern. Wir alle haben auf dem Schulhof gelernt, dass Tyrannen nachgeben, wenn man sie direkt konfrontiert, und dass sie wirklich nachgeben, wenn man seine Freunde an seiner Seite hat. Wir müssen ein vertrauensvolles Netzwerk von freiheitsliebenden Nationen, Unternehmen und der Zivilgesellschaft aufbauen, das auf demokratischen Vertrauensprinzipien beruht.

Ist Putins Angriff durch die Schwäche des Westens begünstigt worden?

Krach: Wer Optionen ausschließt, zeigt Schwäche. Wir müssen mutiger werden und auch das Unmögliche denken. Sonst haben wir keinen Erfolg. Das habe ich im Umgang mit China gelernt. Nachdem ich auf dem diplomatischen Schlachtfeld mit China einen blutigen Kampf erlebt habe, der wie beim Schach aus Zügen und Gegenzügen bestand, bin ich der Überzeugung, dass Xi Jinping nur die Sprache der Stärke versteht.

Was heißt das für die Zukunft?

Krach: Wir müssen unsere militärische Unterstützung auf das nächste Level heben – ebenso wie die wirtschaftliche Wohlstandspartnerschaft, etwa durch Freihandelsabkommen. Unternehmen müssen ihre Lieferketten von Russland und China unabhängig machen, sie also diversifizieren. Wir brauchen jetzt Notfallpläne, auch für unsere China-Geschäfte. Es besteht eine reale Gefahr, dass Xi zum Putin wird. Wir müssen Chinas Einfluss auf unseren Privatsektor reduzieren, indem wir Abhängigkeiten in Lieferketten verringern sowie unser Kapital und unsere Technologie schützen.

Erwarten Sie, dass sich China und Russland künftig annähern?

Krach: Beide Regierungen sind revolutionäre Relikte, die für gesetzloses Verhalten, Doppel­züngigkeit, Schikanen, innenpolitische Unterdrückung und Gedankenkontrolle, wirtschaftliche Zwangspraktiken und schwere Menschenrechtsverletzungen bekannt sind. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich diese totalitären Zwillinge zu einer „strategischen Partnerschaft“ zusammenfinden würden. Am 4. Februar 2022 unterzeichneten sie ein Abkommen, in dem es heißt, dass ihre „Freundschaft keine Grenzen hat und es keine ‚verbotenen‘ Bereiche der Zusammenarbeit gibt“. Zudem bestätigt Russland darin, dass Taiwan ein unveräußerlicher Teil Chinas sei, und lehnt jede Form der Unabhängigkeit Taiwans ab. 20 Tage später begann Russland seinen brutalen Angriff auf die Ukraine.

19.04.2022
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