Job Aid Ukraine hilft bei Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt
06.04.2022    Olivia Schlumm
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In eine Schockstarre verfallen? Das kam für Marcus Diekmann nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs nicht infrage. Stattdessen wollte der Beirat von Rose Bikes ganz konkret helfen – und hat eine Jobplattform für geflüchtete Menschen aus der Ukraine an den Start gebracht. Auf dem Portal „Job Aid Ukraine“ finden sich inzwischen mehr als 17.000 Stellenangebote.

Das Ziel von Diekmann: mit der Plattform eine Win-win-Situation schaffen. Zum einen geht es darum, Geflüchteten in Deutschland schnell eine berufliche Perspektive aufzuzeigen. Doch zum anderen ist da auch ein Problem, das deutsche Unternehmen zunehmend vor Herausforderungen stellt: der Fachkräftemangel. „Job Aid Ukraine“ sorgt dafür, dass hiesige Unternehmen und ukrainische Fachkräfte zusammenfinden.

Zur Person

Marcus Diekmann

ist Beirat bei ROSE Bikes sowie Geschäftsführer der International Brands Company, einer Tochter von Peek & Cloppenburg Düsseldorf. Kurz nach Kriegsausbruch gründete er die Jobplattform „Job Aid Ukraine“

Wie kann es gelingen, Flüchtlinge aus der Ukraine schnell in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren? Und inwieweit wurde Ihrer Meinung nach vonseiten der Politik bereits genug unternommen, um die Rahmenbedingungen für eine zügige Integration zu schaffen?

Marcus Diekmann: In der aktuellen Situation ist von allen Beteiligten vor allem erst einmal eines gefordert: Pragmatismus. So können zum Beispiel der Einstellungsprozess und das Einholen von notwendigen Genehmigungen parallel laufen, einfach um keine wertvolle Zeit zu verlieren. Es ist zu erwarten, dass es in Zukunft immer mehr Flüchtlingsbewegungen auf der Welt geben wird – allein schon aufgrund des Klimawandels. Und zeitgleich wird in den westlichen Ländern, siehe Deutschland, der Fachkräftemangel zu einem immer größeren Problem. Eine gelungene Integration geflüchteter Menschen in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft ist also alternativlos und ein Thema, an dem alle aktiv mitarbeiten müssen: Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Was hat Sie dazu motiviert, die Plattform „Job Aid for Ukrainian Refugees“ zu starten?

Diekmann: Auf die Idee kam ich durch Polina, unsere Au-pair aus der Ukraine. Sie ist erst wenige Wochen vor Kriegsausbruch wieder in ihre Heimat zurückgekehrt. Ich rief sie sofort an und bot ihr an, dass sie mit ihrer Familie zu uns kommen kann. Zunächst war sie zögerlich, da sie hier in Deutschland ja keine Perspektive und keinen Job habe. Und genau da kam mir die Idee, ein Jobportal für Geflüchtete aus der Ukraine zu initiieren. Inzwischen ist Polina seit einigen Woche mit ihrer jüngeren Schwester bei uns und arbeitet offiziell für „Job Aid Ukraine“. Sie war unsere erste Mitarbeiterin.

Wie haben Sie es geschafft, die Plattform in so kurzer Zeit auf die Beine zu stellen?

Diekmann: Mit einem tollen und unglaublich motivierten Netzwerk aus Freiwilligen, die seit nunmehr fast fünf Wochen ihre Expertise ehrenamtlich zur Verfügung stellen, um die Plattform zu betreiben und kontinuierlich auszubauen. Außerdem unterstützen uns strategische Partner wie die Deutsche Bank mit Ressourcen im Bereich IT und Know-how für die Weiterentwicklung der technischen Funktionalitäten; andere Unternehmen wie das Jobportal Indeed helfen mit Finanzmitteln. Weitere Pro-bono-Unterstützer des Projekts sind der Software-Entwickler Minubo und der Shopsoftware-Hersteller Shopware. Die Agentur vow to the new hat das Corporate Design entwickelt, die Kanzlei Kliemt unterstützt uns bei rechtlichen Fragen.

Wie war bisher die Nachfrage seitens der Unternehmen? In welchen Branchen sind die meisten Stellen ausgeschrieben?

Diekmann: Das Feedback seitens der Unternehmen ist großartig. Wir freuen uns sehr, dass wir aktuell bereits mehr als 17.000 Stellenanzeigen auf dem Portal freischalten konnten. Viele verschiedene Branchen sind vertreten – von Tech und Digitalwirtschaft über Gastronomie, Landwirtschaft, Handel, Dienstleistungsgewerbe bis hin zu Medizin und Pflege. Namhafte Unternehmen wie SAP, Deutsche Bank, Deloitte, Google, Douglas, Ikea, Hugo Boss, Zalando, NEW WORK SE, Mercedes-Benz, BabyOne und Rose Bikes gehören ebenso zu den Job-Anbietern wie viele kleinere und lokale Arbeitgeber.

Wie laufen die Bewerbungsprozesse ab? Unterstützen Sie Geflüchtete dabei ebenfalls?

Diekmann: In die Bewerbungsprozesse direkt sind wir nicht involviert, diese finden im Rahmen der üblichen Bewerbungsverfahren direkt zwischen Unternehmen und Bewerberinnen und Bewerbern statt. Auf unserer Website bieten wir jedoch neben den Jobanzeigen auch umfangreiche Informationen zu Themen wie Arbeitserlaubnis, Steuern und Sozialabgaben, Krankenversicherung und so weiter an, um Bewerberinnen und Bewerber bestmöglich bei der Jobsuche zu unterstützen.

Welche Erfahrungen machen Sie mit der Sprachbarriere?

Diekmann: Auf „Job Aid Ukraine“ bieten wir alle Informationen auf Ukrainisch und Englisch an, um den Menschen einen einfachen Zugang zu ermöglichen. Die Bandbreite der angebotenen Jobs auf unserer Plattform ist immens groß – und nicht in allen Berufsfeldern sind notwendigerweise deutsche Sprachkenntnisse erforderlich, daher sehe ich eine Sprachbarriere nicht per se als Herausforderung. Sicherlich gibt es bestimmte Berufe, die gute Deutschkenntnisse erfordern. Zugleich sind alle anbietenden Unternehmen angehalten, die gewünschten Sprachkenntnisse bereits in den Stellenanzeigen anzugeben. Dadurch sollten Missverständnisse idealerweise erst gar nicht entstehen.

06.04.2022    Olivia Schlumm
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