So wird aus einem Kindheitstraum ein lukratives Geschäftsmodell: Derzeit drängen immer mehr deutsche Start-ups in das „New Space“- Geschäft – zum Beispiel Isar Aerospace aus Ottobrunn, die Rocket Factory aus Augsburg oder OroraTech aus München. Die Raumfahrt wird kommerzialisiert, weil die Nachfrage aus Wirtschaft und Industrie nach Satelliten- und Raketentechnologie stark wächst. Der Grund: Daten aus dem Weltall sind die Basis für neue Technologien – etwa Konnektivität, autonomes Fahren, Industrie 4.0, Infrastruktur-Monitoring oder Smart Farming. Und auch in puncto Klima- und Umweltschutz können die Technologien aus dem All entscheidend helfen.
Investoren setzen auf europäische Ideen
Wie so oft haben Unternehmen und Investoren aus den USA das schon vor Jahren erkannt. Vielleicht auch, weil mit Elon Musk und Jeff Bezos zwei schillernde Tech-Pioniere öffentlichkeitswirksam ihre Milliarden und ein paar wohlhabende Weltraumtouristen in den Orbit schießen. Längst sind SpaceX und Blue Origin aber ernst zu nehmende Beispiele für die kommerzialisierte Raumfahrt. „Die Luft- und Raumfahrttechnologie richtet sich immer stärker an Konsumentenbedürfnissen aus und entwickelt sich weg von Science und Science-Fiction“, sagt Lynn Zoenen vom Venturecapital-Fonds Alpine Space Ventures.
Zoenen investiert gemeinsam mit dem früheren SpaceX-Top-Ingenieur Bülent Altan und New-Space- Investor Joram Voelklein vor allem in europäische Weltraumtechnologie. Dass sie sich auf den „lokalen“ Markt konzentrieren, hat einen guten Grund: Denn in Europa gibt es immer mehr interessante Start-ups und innovative Projekte – Tendenz weiter steigend, da die Rahmenbedingungen für eine Stärkung des New-Space-Ökosystems langsam besser werden.
„In den USA ist der Markt schon wesentlich reifer, aber auch gesättigter. Die Bewertungen der Unternehmen dort sind zum Teil sehr hoch, deshalb sind die attraktiven Deals mittlerweile eher in Europa zu finden“, so Zoenen. Hierzulande rücken die Projekte und Startups, bei denen es um Konnektivität und Daten geht, immer stärker in den Fokus der Investoren. Zoenen sagt: „An der New-Space-Industrie finde ich die Verzahnung zwischen Weltraum und terrestrischen Technologien spannend.“
Isar Aerospace plant 30 Raketenstarts pro Jahr
Die Raumfahrt ist für Unternehmen und Nationen ein Wachstums- und Innovationstreiber, stellt auch der Bundesverband der Deutschen Industrie im Positionspapier „#WirMachen New Space“ fest. Er geht davon aus, dass der globale Raumfahrtmarkt von 360 Milliarden Dollar (2018) bis zum Jahr 2040 um mehr als das Siebenfache auf bis zu 2.700 Milliarden US-Dollar wachsen wird. „Deutschland verfügt mit den hier ansässigen Systemhäusern, mittelständischen Unternehmen, Zulieferern und Start-ups über die Expertise und Innovationskraft, um eine führende Rolle im New-Space-Zeitalter zu spielen“, heißt es in dem Papier.
Das große Interesse am Thema Satelliten- und Raketentechnik und die steigende Nachfrage nach Startkapazitäten spürt Daniel Metzler von Isar Aerospace bereits (siehe Interview unten). Er möchte mit seinem Start-up in Zukunft bis zu 30 Raketen im Jahr starten, um für andere Firmen Satelliten ins Weltraum zu befördern. Noch in diesem Jahr soll die zweistufige „Spectrum“-Rakete fertiggestellt und Ende des Jahres oder nächstes Jahr vom norwegischen Weltraumbahnhof Andøya ins All befördert werden.
Amazon sorgt für Ungleichgewicht
Derzeit muss Metzler Kunden darauf verweisen, dass die Startkapazitäten stark begrenzt sind. Daher beschäftigt sich Isar Aerospace schon heute mit Anfragen für den Start von Satellitenkonstellationen, die erst 2028 ins All geschossen werden müssen. Früher geht es nicht, denn Weltraumtechnik entsteht immer noch überwiegend in aufwendiger Handarbeit und wird hierzulande streng von staatlichen Institutionen überwacht.
Und: „Amazon hat sich im Frühjahr fast die gesamte europäische Satelliten-Startkapazität für die nächsten Jahre gesichert“, so Metzler. Zusammen sind das 83 Raketenstarts über einen Zeitraum von fünf Jahren, bei denen die Mehrheit von 3.236 Kommunikationssatelliten für das Projekt Kuiper ins All gebracht wird. Damit sollen dünn besiedelte Regionen flächendeckend mit Breitbandinternet versorgt werden.
Das Beispiel Amazon zeigt: Die Nachfrage nach Weltraumtechnologie übersteigt schon jetzt das Angebot massiv. Das ist die Chance auch für deutsche Unternehmen und Start-ups – vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen passen.