Portrait Vordenker Bertrandt
10.06.2022    Daniela Tabarelli
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Zur Person

Michael Lücke

ist seit Oktober 2012 Vorstandsmitglied der Bertrandt AG und in seiner Funktion unter anderem verantwortlich für den Vertrieb. Zuvor war er als Geschäftsführer verschiedener Gesellschaften innerhalb des Konzerns im In- und Ausland tätig. Seine Karriere bei Bertrandt begann er 1999 als Justiziar für Arbeits- und Gesellschaftsrecht

Wie haben sich Ergebnis und Umsatz Ihres Unternehmens von 2019 bis 2021 entwickelt?

Michael Lücke: Bertrandt musste sich, wie viele andere Unternehmen auch, in einem pandemiebedingt herausfordernden Umfeld beweisen. In der Folge reduzierte sich in den vergangenen drei Geschäftsjahren die Gesamtleistung. Die schnelle Ausrichtung auf die geänderten Markt- und Kundenanforderungen führten allerdings dazu, dass sich die Ergebnissituation schrittweise erholt. Wir erwarten eine weitere Normalisierung im Jahresverlauf; eine positive Entwicklung ist aus unserer Sicht abzusehen.

Was ist Ihr Erfolgsrezept?

Lücke: Die Transformation in den Mobilitätsbranchen und in anderen Industrien schreitet weiter voran. Diese Entwicklung bietet Chancen für Entwicklungsdienstleister wie Bertrandt. Insbesondere die Megatrends Digitalisierung sowie autonome, vernetzte und umweltfreundliche Mobilität treiben die Forschung und Entwicklung vorwärts und sind damit auch Motor für unser Wachstum. Wir richten unser Leistungsspektrum gezielt an den Kunden- und Marktbedürfnissen aus und bauen unser globales Entwicklungsnetzwerk aus, um der zunehmenden Internationalisierung unserer Kunden Rechnung zu tragen. Parallel hierzu legen wir großen Wert auf die kontinuierliche Effizienzsteigerung durch Standardisierung und Digitalisierung. Das wirkt sich positiv auf die gesamte Prozesskette aus. Unsere fast 50-jährige Expertise im Automotive-Bereich transferieren wir seit einigen Jahren auch erfolgreich in andere Branchen.

Wie sieht Ihre Digitalisierungsstrategie aus?

Lücke: Die Digitalisierung hat zu neuen Optimierungsmöglichkeiten durch automatisierte Prozesse und smarte Systeme geführt. Ob Data Science, digitaler Zwilling, Künstliche Intelligenz oder Predictive Maintenance: Wir unterstützen unsere Kunden mit zahlreichen Leistungen entlang des Digitalisierungsprozesses aus einer Hand – von der Beratung über die Entwicklung und Implementierung bis zum Support und After-Sales-Bereich.

Zum anderen suchen wir kontinuierlich nach ungenutzten Digitalisierungspotenzialen im Unternehmen – sei es bei internen Prozessen, bei der Projektarbeit mit Kunden sowie bei der internen und externen Kommunikation mit unseren Mitarbeitenden, Kundinnen und Kunden sowie Partnerinnen und Partnern und optimieren diese. Innovative Kollaborationslösungen ermöglichen uns eine digitale, vernetzte, standort- und grenzübergreifende sowie interkulturelle Zusammenarbeit.

Was macht Ihr Unternehmen bei Kunden besonders erfolgreich?

Lücke: Unsere langjährige tiefgreifende Expertise im Mobilitätssektor sowie ein hohes Produkt- und Prozessverständnis in der Automobilentwicklung machen Bertrandt zu einem verlässlichen Engineering-Partner. Mit agilen Methoden denken wir Leistungsangebote für bestehende und künftige Kunden neu. So entwickelt unsere Unit Smart Production Solutions derzeit beispielsweise kreative, smarte und nachhaltige Lösungen im Bereich der Produktionsplanung und des Lieferkettenmanagements.

Welche Rolle spielt Service in Ihrem Business?

Lücke: Als Entwicklungsdienstleister ist Service Teil unserer DNA. Unsere Kunden erwarten nicht nur Lösungen; sie vertrauen uns Projekte und Aufgaben an, die für ihren Erfolg elementar sind. Daraus entsteht die Verpflichtung, die Projekte effizient zu bearbeiten und den Kunden bestmöglich zu betreuen. Alle unsere Leistungen und insbesondere der Charakter unserer Leistungserbringung sowie das Leistungsverständnis unserer Mitarbeitenden sind hierauf fokussiert. Ein exzellenter Service ist der entscheidende Faktor für die Kundenzufriedenheit und die Kundenbindung an unser Unternehmen. Unser Anspruch ist es, die bestmögliche Lösung zu erzielen und damit Teil der Mobilität der Zukunft zu sein. Gemeinsam mit unseren Kunden beschleunigen wir den technischen Fortschritt: partnerschaftlich, kundenorientiert und international vernetzt.

Was tun Sie, um den Service zu verbessern?

Lücke: Zu unserem Selbstverständnis als Entwicklungsdienstleister gehört auch die ständige Verbesserung. Kernelement dabei ist ein sehr gutes Verständnis der Bedürfnisse unserer Kunden, um daraus abgeleitet unsere Leistungen bestmöglich zu gestalten. Eine regelmäßige interne als auch mit dem Kunden gemeinschaftliche Reflexion der Zusammenarbeit in Form von Lessons Learned oder Workshops erweitert das eigene Verständnis und hilft, Optimierungen herbeizuführen. Für eine Bewertung und Verfolgung der Kundenzufriedenheit ist ein eigenständiger, neuer Prozess mit Key Performance Indicators eingeführt worden. Dieser sorgt für die benötigte Transparenz, um reaktiv und proaktiv agieren zu können.

Nennen Sie ein Beispiel wie Service in Ihrem Unternehmen gelebt wird.

Lücke: Wir bearbeiten zahlreiche Projekte entlang der kompletten Wertschöpfungskette der Automobilentwicklung. Dabei suchen wir immer nach verknüpfbaren Leistungen, um Synergien und Mehrwerte für unsere Kunden zu schaffen. Aber auch die kleineren, einfachen und schnellen Lösungen machen den Unterschied: Während der Pandemie konnten viele Projekte, wie zum Beispiel Versuchsbeurteilungen, Testfahrten oder Audits, nicht wie üblich abgebildet werden. Unsere Teams wussten aber, wie wichtig ihre Leistungen für den Kunden sind und suchten nach kreativen Lösungen, um die Projekte gemeinsam weiter bearbeiten zu können.

Unsere Sattlereien schneiderten Schutzmasken, so dass Versuchsfahrten mit zwei Personen wieder durchgeführt werden konnten. Unsere Versuchsbereiche entwickelten Vergleichsmuster und Kommunikationsmodelle, um in virtuellen Abstimmungen Versuchsergebnisse abzustimmen oder sie entwarfen neue Prüfmethoden, um die Sonnensimulation realitätsgetreu in unseren Testeinrichtungen abzubilden, als Reisen nicht möglich waren. Die in dieser Zeit gefundenen Lösungen für virtuelle Audits finden heute weiterhin genauso Anwendung, wie viele andere Optimierungen aus den vergangenen beiden Jahren.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung beim Service?

Lücke: Die Kundenanforderungen haben sich in den vergangenen Jahren in vielerlei Hinsicht deutlich verändert. Wir haben beispielsweise eine Verschiebung von einzelnen Serviceangeboten hin zu ganzheitlichen Servicekonzepten festgestellt. Auch eine 24/7-Verfügbarkeit von Services, genauso wie die Skalierbarkeit werden mittlerweile erwartet. Die Digitalisierung ermöglicht es an vielen Stellen erst, Antworten auf die veränderten Bedarfe zu generieren. Dabei kann das tatsächliche Potenzial der Digitalisierung aber nur dann gehoben werden, wenn die Verfügbarkeit adäquater Daten sichergestellt ist. Dazu ist es notwendig, die Bedürfnisse der Kunden wirklich zu verstehen und Daten richtig auszuwerten. Nur dann kann ein guter Service entstehen.

Was ist die größte Stärke Ihres Unternehmens? Und trauen Sie sich auch, eine Schwäche preiszugeben?

Lücke: Die große Stärke von Bertrandt ist unser breites Leistungsspektrum. Unser Anspruch ist es, all unsere Leistungen für alle Kunden anbieten zu können – ganz egal, welchen Leistungsumfang unser Kunde benötigt, wo er sitzt und auch, an welchem Unternehmensstandort der passende Experte arbeitet. Bertrandt ist so organisiert, dass wir größer und komplexer werdende Projekte in unserem Netzwerk von über 50 Standorten skalieren können. Als Entwicklungsdienstleister arbeiten wir gemeinsam mit unseren Kunden an Zukunftsthemen. Hierfür ist gegenseitiges Vertrauen die Basis. Dieses haben wir uns durch Kontinuität und unsere fast 50-jährige Erfahrung erarbeitet.

In unserem Betätigungsfeld ist aber auch die Geschwindigkeit ein entscheidender Faktor: Durch die Digitalisierung und die fortschreitende Transformation der Mobilitätsbranche können Veränderungen nie schnell genug sein. Hier könnten wir noch besser werden.

Was ist das größte Learning aus der Coronakrise für Ihr Unternehmen?

Lücke: Dass in kürzester Zeit 80 Prozent unserer Arbeitnehmer in die Lage versetzt werden, mobil zu arbeiten. Das hätte vor der Coronakrise wohl niemand für möglich gehalten. Die Pandemie hat der Etablierung von innovativen Arbeitsmodellen einen Schub gegeben, von dem wir stark profitieren.

Hybrides Arbeiten hat auch jenseits der Krise Vorteile für Bertrandt als modernen Arbeitgeber und für unsere Mitarbeitenden: Weniger Fahrten zur Arbeitsstätte bedeuten nicht nur weniger Treibstoffverbrauch und weniger Emissionen, sondern bieten auch mehr Lebensqualität und eine effizientere Flächennutzung. Wir haben festgestellt, dass wir in der Lage sind, schneller zu digitalisieren, als wir das für möglich gehalten hätten. Unterm Strich konnten wir so unsere Nachhaltigkeit verbessern und unsere Attraktivität als Arbeitgeber steigern.

Wie sehen Sie die Zukunft der Arbeit?

Lücke: Unsere Arbeitswelt hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Bertrandt hat bereits 2017 auf diese Entwicklung reagiert und Richtlinien für mobiles Arbeiten erarbeitet und umgesetzt. Das hat uns den Umstieg auf hybrides Arbeiten und Führen unter Coronabedingungen enorm erleichtert; wir konnten uns schnell und dauerhaft an die neue Situation anpassen. Zudem haben wir das konzernweite Programm „Arbeitswelt der Zukunft“ erarbeitet und neben neuartigen Raumkonzepten auch kollaborative Tools wie Teams und Microsoft 365 eingeführt. Durch die neuen Wege der Zusammenarbeit werden agile Strukturen für ein interdisziplinäres, vernetztes und nachhaltiges Miteinander geschaffen. Dies sind nur einige Beispiele dafür, wie wir die Motivation unserer Mitarbeitenden nachweislich steigern.

10.06.2022    Daniela Tabarelli
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