Animation eines Kabels mit roten und blauen Stromflüssen.
29.06.2022
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Wie wollen und müssen wir unser Geschäftsmodell digitalisieren, transformieren, weiterentwickeln? Auf welche Schritte unserer Wertschöpfungsketten müssen wir ein besonderes Auge haben? Wo müssen wir noch effizienter, automatisierter, schlanker, fokussierter werden? Wie binden und entwickeln wir unsere Top-Kräfte weiter, gewinnen junge Talente dazu und bauen dringend notwendiges Technologie-Know-how weiter auf? Und vor allem: Wie tragen wir als Unternehmen effektiv zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und zur Einhaltung der globalen Klimaziele bei?

Digitale Dekade birgt Chancen und Risiken

Eile bei der Auseinandersetzung mit diesen Fragen ist allein schon deshalb geboten, weil ein Überfluss neuer Technologien unsere Wirtschaft und Gesellschaft überschwemmt – verbunden mit vielfältigen Chancen und Risiken für Prozesse, Geschäftsmodelle und Marktpositionen. Damit sich aus diesen Entwicklungen keine strukturellen Nachteile und wirtschaftlichen Verschiebungen ergeben, hat die Europäische Union für die 2020er-Jahre die „digitale Dekade“ ausgerufen.

Buchtipp

„Die Digitale Dekade: Wie wir unsere Wirtschaft transformieren können“

„Die Digitale Dekade“ beinhaltet Beobachtungen, Impulse und Prognosen von Menschen aus verschiedenen Branchen, die aktuell in der Verantwortung stehen. Die Leserinnen und Leser lernen Herausforderungen und Lösungsansätze der digitalen Transformation kennen. Zudem erfahren sie, warum Deutschland besonders im Firmenkundengeschäft durchaus die Chance hat, weiterhin einen weltweiten Spitzenplatz einzunehmen.

Frankfurter Allgemeine Buch, 232 Seiten, 18 Euro

Buchcover: Die digitale Dekade von Angelika Gifford.

Das Programm formuliert auch ambitionierte Ziele zum digitalen Umbau unserer heimischen Wirtschaft. Dafür ist es höchste Zeit – allein die Tatsache, dass die EU dem Thema Digitalisierung mit diesem Programm solch einen Stellenwert einräumt, sollte jeder und jedem abschließend klarmachen, wie dringlich es ist, Digitalisierung nicht als hippen Trend anzusehen, sondern als umfassende Transformation mit tiefgreifenden Auswirkungen. Wie aber erreichen wir in unseren Unternehmen diese und andere Digitalziele? Und wie kann unsere deutsche Wirtschaftslandschaft nicht nur zu einer digitalen Transformation beitragen, sondern Vorreiter sein, Verantwortung übernehmen, gar zu einem Technologieführer werden?

Einblick in digitale Maschinenräume

Diesen Fragen widme ich mich gemeinsam mit 21 Vordenkerinnen und Vordenkern und Führungskräften der deutschen Wirtschaft in meinem kürzlich erschienenen Buch „Die Digitale Dekade – Wie wir unsere Wirtschaft transformieren können“. Das Buch bündelt Einblicke in die digitalen Maschinenräume verschiedener Branchen und unserer Unternehmen. Leserinnen und Leser werden erfahren, wie dank digitaler Steuerung ein Güterzug-Shuttle zwischen Automobilwerken in Bayern und einem Stahlhersteller in Österreich im hocheffizienten Kreislaufverkehr pendelt. Sie werden lernen, wie genau uns die Analyse der richtigen Daten vor Herzinfarkten schützt. Und sie werden verblüfft sehen, was Schlaglöcher auf der Straße mit schlechten Hotels gemeinsam haben.

Dabei wird schnell klar: Ein Erkenntnisproblem in Sachen Digitalisierung haben wir nicht mehr – schon gar nicht seit den Turbulenzen, die die Coronapandemie in unserer Wirtschaftslandschaft und unserem Arbeitsleben hervorgerufen hat. Der Digitalisierungsdruck ist hoch, die Dringlichkeit erkannt. Wir stecken alle mehr oder weniger tief in der Umsetzung, im Lernen, im Ausprobieren. Das ist kurzum die gute Nachricht: Der digitale Aufbruch scheint geschafft.

Technologie verändert das Denken

Und: Technologie setzt in den 2020er-Jahren Impulse für unternehmerisches, aber auch gesellschaftspolitisches Denken und Handeln wie kaum zuvor. Und sie hat eine geradezu transformative Kraft. Mit digitalen Tools können wir die derzeit für 2030 prognostizierten CO2-Emissionen unseres Landes um fast die Hälfte reduzieren. Technologie kann uns dabei helfen, sich abzeichnende Krankheitsbilder in solch frühzeitigen Stadien zu erkennen, in denen sich noch nicht einmal Symptome bemerkbar machen.

Kurz: Technologie hat unbestritten das Potenzial, Etabliertes in praktisch allen Sektoren grundlegend zu verändern, Schwerfälliges zu beschleunigen, Grenzen zu verschieben, Undenkbares in Erreichbares zu verwandeln. Wenngleich diese Potenziale hinlänglich bekannt sind, sind viele heute noch nicht ausgeschöpft. Unsere Unternehmen gehen Digitalisierung an, aber nicht alle mit Volldampf und aus tiefster Überzeugung.

Konzentrierter Wandel nötig

Ähnliches beobachten wir aufseiten der Konsumentinnen und Konsumenten: Ein Großteil der Menschen in unserem Land umarmt Technologie, andere ziehen mehr oder weniger begeistert mit. Aber ein knappes Drittel der Deutschen nutzt immer noch keine Online-Angebote in den Bereichen Gesundheit, Verwaltung, Bildung oder Arbeit. Und jeder vierte fühlt sich von der Digitalisierung abgehängt.

Technologie wird also keineswegs von allen gleichermaßen angenommen. Unsere Transformationsbestreben müssen daher inklusiv und verantwortungsvoll gestaltet sein, um alle Menschen mitzunehmen. Auch deshalb zieht sich das Thema digitale Kompetenzen wie ein roter Faden durch die 21 Buchbeiträge. Und es führt zur Erkenntnis: Es gibt hoch dringlichen Bedarf an digitaler Bildung. Wir müssen deutlich mehr Ressourcen investieren, und es muss in unseren Schulen beginnen.

Allzu oft wird dabei Technologie noch als etwas verstanden, was mit Menschen konkurriert und sie eines Tages vielleicht sogar übertrumpft. In Wahrheit aber kommt es auf menschliche Führung in einer digitalen Welt umso mehr an. Es geht um den Glauben an die Menschen. Wir sind es, die digitale Tools hervorgebracht haben und diese angemessen ausgestalten, zweckdienlich einsetzen und zielgerichtet weiterentwickeln müssen.

Die Einblicke, die ich durch die Arbeit am Buch gewonnen habe, haben mich davon überzeugt, dass die Unternehmen Deutschlands und Europas die Voraussetzungen erfüllen, ihre eigene und die gesamte digitale Transformation zu bewältigen. Aber: Digitaler Wandel kann nur konzertiert stattfinden – und das macht ihn gleichzeitig so herausfordernd. Das gilt nicht nur für die verschiedenen Akteure innerhalb der Wirtschaft, sondern darüber hinaus.

Zur Person

Angelika Gifford

ist Vice President for Europe, the Middle East and Africa bei Meta

Kolumnen, Kommentare und Gastbeiträge auf DUP-magazin.de geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin wieder, nicht die der gesamten Redaktion.
29.06.2022
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