Ein Mann steht auf einer Leiter vor einem offenen Hochtemperaturspeicher.
21.04.2022
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Von außen sehen sie eher unscheinbar aus, sind Kisten von Schaltkasten- bis Containergröße. Dabei haben sie es in sich: Hochtemperaturspeicher. In ihrem Inneren geht es um Hitze – und oft auch um Dampf. Die unscheinbaren Anlagen lösen gleich zwei Probleme: Sie können Energie aus natürlichen Quellen, deren Ertrag aufgrund unterschiedlicher Sonneneinstrahlung oder wechselnder Windstärken stark schwankt, so lange zwischenspeichern, bis sie tatsächlich benötigt wird. Dadurch werden die Stromnetze entlastet. Und die Betreiber können Angebot und Nachfrage entkoppeln. Das heißt, sie können den elektrischen Strom dann einkaufen, wenn er besonders günstig ist – und das birgt ein enormes Einsparpotenzial. Letztlich können Hochtemperaturspeicher so erheblich zur Dekarbonisierung beitragen.

Rainer Carstens, Geschäftsführer von Westhof Bio-Gemüse in Friedrichsgabekoog, plant, einen Wärmespeicher einzusetzen, um die natürlichen Schwankungen bei Wind- und Solarenergie auszugleichen: „Das Energiekonzept unserer europaweit größten Frosterei ausschließlich für Bio-Gemüse folgt unserer Produktionslogik: Wir ‚ernten‘ und speichern den regenerativen Strom – vor allem den, der gerade nicht ins Stromnetz eingespeist werden kann – und nutzen ihn dann, wenn wir ihn brauchen. So wird unser Produktionsprozess nicht nur CO2-frei, sondern auch kostengünstig und versorgungssicher.“

Unter Strom

Turbinen stellen saubere Energie für nahezu jeden Einsatz bereit.

Nicht immer soll die gespeicherte Energie in Form von Wärme abgerufen werden. Wird Elektrizität benötigt, ist auch eine Rückverstromung aus den Temperaturspeichern möglich. Dabei kommen Turbinen zum Einsatz, die mit Dampf angetrieben werden. Dazu wird mithilfe der Wärme aus den Speichern Wasser oder ein organisches Arbeitsmittel verdampft. Der Dampf wird durch die Turbine geleitet und treibt einen Generator an. Danach wird er abgekühlt und verflüssigt und kann erneut erhitzt werden.

Ein anderes Verfahren, als Organic Rankine Cycle (ORC) bezeichnet, wird etwa beim Nutzen industrieller Abwärme eingesetzt. Ein ORC-Prozess eignet sich auch zur Stromrückgewinnung bei Hochtemperaturspeichern. Der Vorteil: Der erzeugte Strom ist CO2-frei und steht auf Abruf zur Verfügung. Zudem sind die Anlagen wartungsarm und hochflexibel.

Stahl als Speichermedium

Das Speichern in Form thermischer Energie bietet sich dabei schon deshalb an, weil der Anteil von Wärme am Endenergieverbrauch in Deutschland laut Umweltbundesamt bei rund 50 Prozent liegt. Die Energie aus erneuerbaren Quellen wird dabei vollständig in Wärme umgewandelt und gespeichert. Auf Abruf steht sie dann den Verbrauchern als Prozessdampf oder -wärme oder für Heizung und Warmwasser zur Verfügung.

Das Prinzip, das in den Speicheranlagen steckt, ist eigentlich simpel. Ein Speichermedium – meist werden Wasser, Salz oder Chemikalien genutzt – wird elektrisch erhitzt. Wenn Wärme abgerufen werden soll, wird Wasser durch das Speichermedium geleitet und dann zu den Verbrauchern gepumpt.

Bei großen Anlagen kommen auch andere Speichermedien zum Einsatz. Das Berliner Unternehmen Lumenion zum Beispiel setzt auf Stahlstäbe, die sehr hohe Temperaturen aushalten, damit Wasserdampf erzeugen und Turbinen antreiben können und sich letztlich problemlos recyceln lassen.

Dazu sagt Lumenion-Chef Peter Kordt: „Stahl eignet sich besonders gut für Hochtemperaturspeicher, weil er sich aufgrund seiner Wärmeleiteigenschaften schnell, effizient und sehr wirtschaftlich erhitzen lässt und gleichzeitig große Mengen Energie auf kleinem Raum speichern kann.“ Dabei sei der Speicher emissionsfrei, nicht genehmigungspflichtig und wartungsarm. Kordt weiter: „Der verschleißfreie Betrieb des Speichers sowie die stofflichen Eigenschaften des eingesetzten Stahls sorgen zudem dafür, dass der Vermögenswert des Ausgangsmaterials erhalten bleibt und der Wertstoff unbedingt im Stoffkreislauf geführt werden kann.“

Überschaubare Kosten für Hochtemperaturspeicher

Doch welche Summen müssen Unternehmer für diese neue Technologie ausgeben? Die Deutsche Energie-Agentur (dena) erklärt, warum die Ausgaben nicht so leicht zu beziffern sind: „Die spezifischen Investitionskosten hängen stark von verschiedenen Rahmenbedingungen wie Speichervolumen, Speichermedium und Standortgegebenheiten ab.“ Allerdings ist in vielen Fällen eine zeitnahe Amortisation möglich. Außerdem gibt es auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene zahlreiche Förderprogramme, die sowohl für private Nutzer von Kleinstanlagen als auch für den industriellen Einsatz infrage kommen.

Und, so Kordt von Lumenion: „Mit den thermischen Speichern erzielen wir eine klimapolitisch-wirtschaftliche Win-win-Situation ohne CO2-Ausstoß und damit abgekoppelt von steigenden CO2-Preisen. Außerdem profitieren wir von der bereits heute deutlich verminderten und voraussichtlich ab 2023 vollständig wegfallenden EEG-Umlage auf den Strompreis. Damit wird das Einspeichern regenerativer Energie noch günstiger.“

21.04.2022
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