Digitale Souveränität Datev
17.05.2021    Madeline Sieland
  • Drucken

Dass die Abhängigkeit von Technologie aus dem Ausland zu groß ist – darüber herrscht in deutschen Unternehmen Einigkeit. Laut einer Studie des Digitalverbands Bitkom halten 81 Prozent der befragten Unternehmen die hiesige Wirtschaft für zu abhängig vom Import digitaler Technologien, Dienstleistungen und Expertise.

Was erschreckend ist: Lediglich 13 Prozent der Firmen gaben an, dass sie länger als zwei Jahre überleben könnten, wenn diese Digital-Importe plötzlich wegfielen. Umso wichtiger ist es also, mehr digitale Souveränität zu erlangen.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Was heißt digitale Souveränität?

„Souveränität meint die Fähigkeit zum selbstbestimmten Handeln und Entscheiden im digitalen Raum“, sagt Robert Mayr in „Freiraum 25“. In dem Videocast sprechen der DATEV-CEO sowie DUP UNTERNEHMER-Verleger Jens de Buhr einmal im Monat mit Gästen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft über unterschiedliche Aspekte der digitalen Transformation.

„Aber sind wir mal ehrlich: Wir sind im Augenblick schlicht und ergreifend nicht in der Lage, souverän zu entscheiden“, so Mayr. „Wir sind zu abhängig von Zulieferern.“ Laut Bitkom-Erhebung beziehen 74 Prozent der deutschen Firmen digitale Technologien oder Services von US-amerikanischen Unternehmen, 62 Prozent aus China.

Im Talk mit Nicola Beer, Vizepräsidentin des EU-Parlaments, stellt Mayr eine Sache allerdings direkt zu Beginn klar: Digitale Souveränität habe nichts mit Abschottung, mit Protektionismus zu tun. „Souveränität bedeutet für mich, Wahlmöglichkeiten zu haben.“

Wie Europa bei Innovationen schneller und besser werden könnte

Beer stimmt zu: „Souveränität darf niemals Abschottung bedeuten. Das wäre völlig irre – gerade für einen so exportorientierten Kontinent wie Europa.“ Und deshalb ziele die Debatte um digitale Souveränität vor allem darauf ab, „strategische Autonomie im digitalen Bereich zu erlangen. Zum einen gilt es, festgestellte Abhängigkeiten abzubauen; zum anderen müssen wir eigene Fähigkeiten aufbauen.“ Das große Ziel: schneller und besser werden, um mit europäischen Technologien international zu überzeugen.

Und in der Praxis heißt das laut der FDP-Politikerin:

  • Forschung und Entwicklung müssen vorangetrieben werden.
  • Es gilt, kritische Infrastrukturen zu schützen. „Wir müssen schauen, dass wir nichts einkaufen, womit wir zum Beispiel überwacht, abgehört oder unserer Betriebsgeheimnisse beraubt werden können“, so Beer mit Blick auf die Komponenten chinesischer Anbieter, die etwa für den Ausbau des 5G-Netzes gebraucht werden.
  • Zudem muss Europa attraktiver für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden, und Unternehmen müssen Fachkräfte weiterbilden, um Digital-Know-how aufzubauen.

„Die Politik kann nicht die Aufgaben der Wirtschaft übernehmen, und die Politik kann auch selbst keine Innovationen schaffen“, betont Beer. „Aber die Politik kann den Rahmen dafür setzen, dass Innovationen entstehen – insbesondere auch im Mittelstand und durch Start-ups.“

GAIA-X – die europäische Cloud

Dabei helfen soll auch GAIA-X. Die deutsch-französische Initiative will eine europäische Dateninfrastruktur aufbauen. Ziel ist es, durch die Möglichkeit zur sicheren grenzüberschreitenden Vernetzung unterschiedlichster Player die digitale Souveränität und technologische Innovationen in Europa zu fördern. Das Softwarehaus DATEV ist Day-1-Mitglied von GAIA-X.

Mayr begründet das Engagement wie folgt: In der analogen Welt habe selbst bei US-amerikanischen Unternehmen ein großer Teil der Wertschöpfung in Europa stattgefunden. In der digitalen Welt sei das vollkommen anders. „Die großen Plattformanbieter saugen die gesamte Wertschöpfung ab“, so Mayr. Mitarbeitende müssen eben in Europa genauso wenig bezahlt werden wie Mieten oder neue Produktionsanlagen, wenn mit Daten hantiert wird, die man problemlos über den Großen Teich leiten und dort weiterverarbeiten kann. GAIA-X soll nun schnellstmöglich ein europäisches Gegengewicht zu den bereits etablierten Plattformen werden.

Beer sieht die Initiative, eine europäische Cloud zu entwickeln, allerdings eher kritisch: „Ich werde immer skeptisch, wenn so viel öffentliches Geld investiert wird, um die Privatwirtschaft davon zu überzeugen, dass etwas eine gute Sache ist. Denn dann würden sich Unternehmen aus eigenem Antrieb wahrscheinlich nicht dafür engagieren.“

Ihr Wunschszenario: Europa sollte lieber bei anderen Technologien – etwa mit der Entwicklung bisher nicht existenter praktischer Anwendungen fürs Quanten-Computing – bereits jetzt die Vormachtstellung erobern, statt bei einem Thema wie der Cloud anderen „hinterherzuhecheln“.

Miteinander die Zukunft gestalten oder gegeneinander arbeiten?

Technologieführerschaft erlangen, um im Wettbewerb mit den USA und mit China zu bestehen – das ist das eine. Aber – mahnt Beer – man dürfe auch nicht vergessen, „dass wir auf der anderen Seite des Atlantiks einen Wertepartner haben. Wir sollten gemeinsam eine Strategie etwa für den Umgang mit China entwickeln.“ Schließlich werde Technologie in der Volksrepublik auch zur Unterdrückung, Überwachung und Einflussnahme auf die Gesellschaft genutzt.

So könnte etwa das von der EU vorgeschlagene „EU-US Transatlantic Trade and Technology Council“ dabei helfen, dass Technologie im Sinne beider Seiten (weiter-)entwickelt wird und ein fairer Wettbewerb entsteht.

„Wir begrüßen diesen Vorstoß. Denn so können wir gemeinsame Standards schaffen, unter anderem zum Umgang mit Daten“, so Mayr. Ein Thema, das auch Beer auf ihrer Agenda hat: „Wir müssen uns darum kümmern, dass wir den transatlantischen Datenaustausch rechtlich absichern. Wir haben bislang dahingehend nur gescheiterte Ansätze gesehen.“ Gelänge es allerdings, hier Rechtssicherheit zu schaffen, ermöglichte das europäischen Unternehmen, mit ihren Partnern in den USA besser zusammenzuarbeiten.

Und dass es ganz ohne die Anbieter aus den USA nicht geht, das weiß auch Mayr: „Da Abschottung der falsche Weg ist, muss Europa den partnerschaftlichen Weg einschlagen. Wir müssen dadurch ein vernünftiges Maß an digitaler Souveränität erreichen.“

17.05.2021    Madeline Sieland
  • Drucken
Zur Startseite