Portraitfoto Chantal Friebertshäuser, Geschäftsführerin von MSD Sharp & Dohme
10.05.2022    Christian Buchholz
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Zur Person

Chantal Friebertshäuser

ist seit März 2019 Vorsitzende der Geschäftsführung von MSD Sharp & Dohme in Deutschland. Sie ist seit 2007 in unterschiedlichen lokalen und globalen Funktionen für MSD tätig

Was ist aus Ihrer Sicht die größte Herausforderung für Ihre Branche und Ihr Unternehmen? Rechnen Sie etwa mit Angreifern aus anderen Branchen?

Chantal Friebertshäuser: Die forschenden Pharmaunternehmen haben in den vergangenen Jahren maßgeblich zur Verbesserung und Verlängerung von Menschenleben beigetragen. Es besteht die Chance, dass wir in den nächsten Jahren weitere Sprünge sehen werden – dank neuer Technologien, intensiver Forschung und Digitalisierung. Genau die brauchen wir auch vor dem Hintergrund einer älter werdenden Bevölkerung und der Tatsache, dass es noch immer für einen großen Teil der Erkrankungen keine passgenaue Therapie gibt, um nur ein paar Aspekte zu nennen. Und wir stehen noch vor einer weiteren Herausforderung: Unser Gesundheitssystem ist komplett fragmentiert. An keinem Punkt werden Investitionen, Kosten und Nutzen zusammen betrachtet, sondern immer getrennt. Auch die unterschiedlichen Akteure wie Politik, akademische und private Forschung und Krankenkassen arbeiten viel zu häufig immer noch neben- und nicht miteinander. Wenn wir es nicht schaffen, dies grundsätzlich zu ändern, werden wir nur begrenzt von den Fortschritten profitieren können. Die größte Chance ist die Zusammenarbeit an definierten, gemeinsamen Zielen, wie es sie zum Beispiel bei der Initiative „Vision Zero“ gibt. Hier arbeiten Wissenschaft, Forschung, Verbände und Industrie daran, die Zahl der vermeidbaren krebsbedingten Todesfälle gegen Null zu bringen. Daneben brauchen wir gemeinsame Spielregel bezüglich des Zugangs und Nutzens von Daten und Digitalisierung zur Erreichung gemeinsamer Gesundheitsziele.

Welche Projekte für mehr Digitalisierung haben Sie in Ihrem Unternehmen umgesetzt?

Friebertshäuser: Digitalisierung ist enorm wichtig, denn die Zukunft der Gesundheit wird digital sein. Aber Digitalisierung ist kein Selbstzweck. In den vergangenen 100 Jahren haben wir dank medizinischen Fortschritts 30 Jahre Lebenserwartung gewonnen. Ich bin überzeugt, dass wir die nächsten Jahre die Lebenserwartung noch schneller und besser verlängern könnten. Zum einen durch weitere Forschung und zum anderen dank neuer Technologie und Digitalisierung. Von Systemen zur besseren Abschätzung der passenden Moleküle in der frühen Forschung, bis hin zu Apps, die helfen Diagnosen zu stellen oder die Lebensqualität während einer Krebstherapie zu verbessern. Es sind so viele Ansätze, die dank Digitalisierung zu einem besseren und längeren Überleben führen können. Allerdings braucht es dafür die Verfügbarkeit von Daten und einen gesunden Datenkreislauf. Es geht darum, Versorgung und Forschung von Grund auf neu zu verbinden: Die Daten müssen von den Patientinnen und Patienten kommen und in Form von Therapieinnovationen und Versorgungsangeboten an sie zurückgegeben werden. Nur so können wir unser aller Lebenszeit verlängern und zugleich die Lebensqualität verbessern.

Wir arbeiten derzeit beispielsweise an einer digitalen Therapiebegleitung für Lungenkrebspatientinnen und -patienten. In einer Pilotstudie erfassen Betroffene, die derzeit eine Immuntherapie erhalten, über eine virtuelle Gesundheitslösung ihren Gesundheitszustand. Dieser wird dann in Echtzeit an ihren Onkologen oder ihrer Onkoligin gemeldet. Damit können Ärztinnen und Ärzte schneller auf Veränderungen des Gesundheitszustands der Patientinnen und Patienten reagieren. Übrigens spielt auch hier Kooperation wieder eine große Rolle: Wir arbeiten an dem Projekt mit einem finnischen IT-Unternehmen, das auf digitale Gesundheitsanwendungen spezialisiert ist. Indem wir unser beider Expertise gemeinsam nutzen, schaffen wir einen großen Mehrwert für unsere Patientinnen und Patienten.

Was macht künftig konkret den Erfolg Ihres Unternehmens aus?

Friebertshäuser: Der Erfolg unseres Unternehmens wird auch in Zukunft auf den Säulen Innovation, Kooperation und Nachhaltigkeit basieren. Nur mit Forschung können wir neue, innovative Lösungen auf den Weg bringen, damit Patientinnen und Patienten wertvolle Lebenszeit und Lebensqualität gewinnen. Erfolgreiche Forschung gelingt am besten gemeinsam: mit Kooperationen und Partnerschaften. So kooperieren wir beispielsweise bei der Entwicklung und Bereitstellung von Impfstoffen mit der WHO und der globalen Impfallianz Gavi. Nachhaltiges Handeln ist die dritte Säule unseres Unternehmenserfolgs und umfasst sowohl den schonenden Umgang mit Ressourcen als auch den weltweiten und fairen Zugang zu Arzneimitteln, sowie die Ausrichtung am Prinzip der Diversität und Inklusion in unser Unternehmenskultur.

Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um die Innovationskultur in Ihrem Unternehmen zu fördern?

Friebertshäuser: Innovation liegt in unserer DNA und betrifft viele Handlungsfelder. Wir investieren jährlich etwa ein Viertel unseres Umsatzes in Forschung, um neue Therapien und Impfstoffe zu entwickeln. Im Bereich der Onkologie erforschen wir beispielsweise auch die gezielte Kombination bereits bestehender Therapien, um Patientinnen und Patienten noch individueller behandeln zu können. Innovation entsteht aber nicht nur in unseren Laboren, sondern auch durch Kooperation. Die Kombination von Therapien mit digitalen Lösungen wird in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Grundsätzlich sind Kooperationen für uns ein elementarer Baustein für medizinischen Fortschritt. Nur so konnte weltweit schnell auf die COVID-19-Pandemie reagiert werden. Auch die Zulassung des weltweit ersten Ebola-Impfstoffs von MSD im Jahr 2019 ist dank gemeinsamer Anstrengungen von Wissenschaft, Industrie und staatlichen Institutionen möglich gewesen.

In welchem Bereich haben Sie den größten Bedarf an Mitarbeitenden?

Friebertshäuser: Wir suchen in den unterschiedlichsten Bereichen nach Mitarbeitenden, die ihre Ideen einbringen und Projekte im Team voranbringen möchten. Die Tätigkeiten sind einerseits – wie wahrscheinlich überall – digitale beziehungsweise datenbasierte Jobs, aber auch in der Forschung, im Marketing ebenso wie im medizinischen Bereich. Wer Dinge hinterfragen und Innovation leben möchte, ist bei uns genau richtig. Unsere erfolgreichste Recruiting-Maßnahme sind Empfehlungen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie sprechen Freunde und Bekannte an, machen sie aktiv auf Stellen bei uns im Unternehmen aufmerksam. Das ist für mich aus verschiedenen Gründen ein großer Erfolg: So kommen zum einen Kolleginnen und Kollegen zu uns, die durch Erzählungen schon einiges über den Arbeitsalltag bei uns wissen und zu uns passen. Aber zum anderen zeigt es mir, dass unsere Mitarbeitenden gerne bei uns arbeiten, sonst würden sie uns nicht empfehlen.

Weshalb kommen die besten der besten zu Ihnen?

Friebertshäuser: Unsere Mission und unsere Unternehmenskultur machen uns aus. Das zeigen alle Mitarbeiterumfragen und Stimmen von Menschen, die sich bei uns bewerben.

Als forschende Firma sind wir ständig auf der Suche nach innovativen Lösungen für die drängendsten Gesundheitsprobleme weltweit. Diese können nur entstehen, wenn die Menschen als Team hinter dieser Mission stehen und im richtigen Umfeld ihr Bestes geben können. Deshalb legen wir sehr viel Wert auf eine offene Leadership-Kultur, Diversität und Inklusion und ein modernes Arbeitsumfeld. Das sind die Gründe, warum sich Talente für uns entscheiden.

Unsere offene Leadership-Kultur bezieht viele und unterschiedliche Perspektiven und Vorschläge von allen ein und ermutigt jede einzelne und jeden einzelnen, das eigene Potential auszuschöpfen. Uns verbindet die kollektive Vision, neue Standards in der Gesundheitsversorgung zu setzten – als Arbeitgeber, aber vor allem für Patientinnen und Patienten und die Gesellschaft. Die besten Ideen können aber nur entstehen, wenn jede Stimme zählt und alle Perspektiven einen Platz haben. Wir arbeiten bewusst bereits sehr lange mit Instrumenten, die uns helfen, die Wirkung unseres Führungs- und Teamverhaltens zu verbessern und ein Alignment über alle Bereiche über Prioritäten und Ziele zu schaffen. Das schafft ein besonderes Klima.

Für MSD sind Diversität und Inklusion integraler Bestandteil der Unternehmenskultur – und das schon seit vielen Jahren. Unsere „Frauenquote“ ist nur ein Beispiel dafür und liegt in Deutschland über alle Führungsebenen hinweg bei rund 50 Prozent. Unser Leadership-Team ist paritätisch besetzt. Unser Ziel ist es, ein Klima schaffen, in dem jede und jeder die eigene Leistungsfähigkeit voll entfalten kann. Das ist nicht nur gerecht, sondern auch unternehmerisch klug.

Der Ort für unsere neue und moderne Arbeitsweise ist unser neuer Firmensitz, die Macherei. Hier schaffen wir Raum für Kreativität, Teamgeist und Gedankenaustausch: Wir arbeiten aktivitätsbasiert, das heißt für jede Aufgabe gibt es das passende Umfeld, nutzen State-of-the Art Technologie, um uns untereinander und mit der Welt so einfach wie möglich zu vernetzen und wollen so Wandel, Kollaboration und Innovation vorantreiben. Und auch hier tun wir einiges, damit die Vereinbarkeit von Familie, Privatleben und Beruf leichter wird: eine Kindertagestätte, ein Gebetsraum, ein Konzept zur Barrierefreiheit, weit über die gesetzlichen Verpflichtungen hinaus, sind nur ein paar Beispiele.

Welche Maßnahmen zur Mitarbeiterentwicklung und -zufriedenheit treffen Sie?

Friebertshäuser: Mitarbeiterzufriedenheit hat viele Facetten. Es geht einmal um die individuelle berufliche Weiterentwicklung. Dafür steht allen Kolleginnen und Kollegen ein Budget für individuelle Trainings, Schulungen oder Tagungen zu Verfügung. Außerdem haben wir ein großes internes Trainingsangebot, auf das jede und jeder Zugriff hat. Dazu kommen Talent- und Führungskräfteprogramme und die Möglichkeit in andere Abteilungen und Tätigkeitsbereiche – auch in anderen Ländern – zu schnuppern, im Rahmen kürzerer Hospitationen oder längerer Assignments. So kann jede Kollegin und jeder Kollege neue Entwicklungsmöglichkeiten für sich entdecken. Es ist die Aufgabe unserer Führungskräfte, die persönliche Entwicklung der Mitarbeitenden zu begleiten und zu fördern.

Dazu kommt, dass wir unternehmensübergreifend auf Mitgestaltung setzen. Gerade sind wir in unser neues Bürogebäude gezogen. Das Konzept und die Detailplanung wurden maßgeblich von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in verschiedenen Arbeitsgruppen erarbeitet. Um eventuelle Pain Points schnell zu identifizieren, gibt es bei uns einmal im Quartal eine kurze interne Umfrage. Dank der Puls Survey können wir schnell darauf reagieren – und nicht nur einmal im Jahr nach der großen Mitarbeiterumfrage. Das Arbeitsklima ist heute mehr denn je ein wichtiger Faktor für die Arbeitgeberwahl.

10.05.2022    Christian Buchholz
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