Diamant mit Blockchain
02.04.2019    Arne Gottschalck
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Die Geschichte mit der Asche wirft ein bezeichnendes Licht darauf, wie Leanne Kemp mit Herausforderungen umgeht: offen. Die Gründerin von Everledger ist Australierin und hat in den Weiten von Queensland ein Haus. Man kann es sich lebhaft vorstellen: draußen die sonnendurchglühten Weiten von Down Under, drinnen das Surren der Klimaanlage. Und ein Keramikgefäß, nicht unähnlich einem Tee-Behältnis. Ist es aber nicht. Das musste schon so mancher ihrer Gäste erfahren – von Kemp händeringend aufgefordert, doch bitte nicht die Asche ihrer Mutter mit heißem Wasser aufzubrühen. Berichtet die „Financial Times“. Eine offene Frau eben.

Und zudem eine kreative Person. Denn mit Diamanten und Blockchain hat sie zwei Bereiche miteinander verschmolzen, die zuvor nichts miteinander zu tun hatten. Diamanten, über denen immer ein wenig die bange Frage nach der Herkunft schwebt. Blutdiamanten etwa finanzieren oft Bürgerkriege. Und Blockchain, diese gehypte Technologie, macht Daten sicher und gleichzeitig für jeden einsehbar.Kemp arbeitete bei der Juwelierkette Phenix Jewellery und hat diverse FinTechs gegründet. Sie weiß daher, dass Diamanten mit zweifelhafter Herkunft Versicherungen viel Geld kosten können. Und sie weiß, dass moderne Technologie unkonventionelle Lösungen ermöglicht. Warum also nicht den Diamanten eine 
Art digitales Siegel aufdrücken, das dank Blockchain nicht veränderbar ist – sie also quasi an binäre Ketten legen? 2015 gründete sie Everledger.

Zur Person

Portraitbild von Leanne Kemp

Leanne Kemp

ist Gründerin 
von Everledger. Mit Blockchain-Technologie dokumentiert das Unternehmen fälschungssicher die Herkunft etwa von Diamanten. Das ist auch für Versicherungen interessant

DUB UNTERNEHMER-Magazin: Warum haben Sie Blockchain und Diamanten zusammengebracht?

Leanne Kemp: Die Erfahrungen aus der Diamanten­branche waren äußerst hilfreich – von den Problemen mit Konfliktdiamanten bis hin zu fehlenden Standards für verantwortungsvolle Geschäftspraktiken. Zu nennen sind etwa die Undurchsichtigkeit der Lieferkette und das mangelnde Vertrauen zwischen Interessengruppen und Versicherungsunternehmen, die mit hohen Betrugsrisiken konfrontiert waren. Das alles waren für mich klare Hinweise darauf, dass der Schlüssel zur Lösung derartiger Probleme darin besteht, Transparenz entlang der Lieferkette zu schaffen, um die Her­kunft der Steine verfolgen zu können. Die Kernmerkmale der Blockchain bieten optimale Bedingungen für diese Rückverfolgbarkeit – und damit für ein Maß an Transparenz, auf das alle Beteiligten vertrauen können.

Lockt das Wort „Blockchain“ eigentlich Kunden?

Kemp: Das Wort „Blockchain“ hat tatsächlich seinen ganz eigenen Effekt. Wir wenden jedoch auch andere neue Technologien sowie forensische Wissenschaft in unserer Lösung an. Natürlich haben wir Kunden, die keine Ahnung haben, was sie sich darunter vorstellen sollen. Und wir haben Kunden, die das alles nicht richtig einordnen können – Letztere hauptsächlich aufgrund der öffentlichen Diskussionen über die Blockchain als Handelsplattform für Krypto­währungen und damit vor allem für Bitcoin.

Ist die Blockchain heute, was das Internet vor gut 20 Jahren war?

Kemp: Als das HTTP 1989 erstellt wurde, was ja zur Entstehung des World Wide Web führte, ermöglichte es die Verbindung zweier Computer, um miteinander „sprechen“ zu können. Bei der Entwicklung einer weiteren Protokollinnovation, SMTP, wurden dann die E-Mail-Anwendungen entwickelt. Das ermöglichte uns, auf eine neue Weise miteinander zu kom­mu­nizieren. Und in der gleichen Art und Weise entstand mit der von Satoshi Nakamoto entwickelten Blockchain im Wesentlichen ein Peer-to-peer-Protokoll, das die Übertragung von Vertrauen ermöglicht.

Werden wir auch in Zukunft über die Blockchain sprechen – oder dominieren dann vielleicht ganz ­andere Technologien?

Kemp: Die Blockchain ist zwar aktuell ein heißes Thema in ­Medien und Präsentationen. Ich glaube aber nicht, dass wir später noch groß über sie sprechen werden – genauso wenig wie über E-Mails oder Browser. Dies sind allesamt eben nur bloße Anwendungen, die in die aktuellen Internet-Tools eingearbeitet sind und mit denen wir arbeiten und leben. Wir werden aber sicherlich noch über die Anwendungen von Blockchain sprechen. Denn damit können wir Informationen, die bislang nur zentralisiert zur Verfügung stehen, gemeinsam nutzen. Man könnte sagen, das World Wide Web wird damit zum Word Wide Ledger, zu einer Art weltweitem Register.

Lassen sich neben Diamanten auch andere Wert­gegenstände in die Blockchain bringen?

Kemp: Ja, wir haben Pionierarbeit geleistet und uns weiterentwickelt. Wir erschließen immer neue Märkte mit der Blockchain – beispielsweise für die Rückverfolgbarkeit von Farbedelsteinen, aber auch von hochwertigem Wein, Kunstgegenständen sowie wichtigen Mineralien und Metallen. Wir sind davon überzeugt, dass die Anwendung dieser Technologie für die Rückverfolgbarkeit in all jenen Märkten wichtig ist, in denen Transparenz und Provenienz von Bedeutung sind.

Welche Erfahrungen haben Sie als Frau in den beiden von Männern dominierten Branchen Finanzen und Technologie gemacht?

Kemp: Ich habe mich immer auf meine Arbeit konzentriert und sie für sich sprechen lassen. Es gab ­viele intensive Gespräche über Frauen in der Technologie-Branche und Gründerinnen. Das Diversity-­Verhältnis hat sich im Vergleich zur Zeit vor mehr als einem Jahrzehnt definitiv schon verbessert. Aber es gibt noch viel Nachholbedarf. Mir hat das sehr bewusst gemacht, dass es notwendig ist, andere Frauen in diesen Bereichen zu unterstützen. Ich will Frauen, die in diese Sparten einsteigen möchten, Mut machen.

02.04.2019    Arne Gottschalck
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