Zwei Männer besichtigen eine Produktionshalle in einem Unternehmen. Beide tragen einen Helm, der Mann links zeigt auf etwas und erklärt dem anderen, was es ist.
08.09.2021
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Zur Person

Portraitfoto Dr. Ralf-Uwe Bauer

Dr. Ralf-Uwe Bauer

ist Vorstandsvorsitzender des Verbands innovativer Unternehmen und Leiter Forschung und Entwicklung bei der Smart Advanced Systems GmbH in Rudolstadt

 

Wie bewerten Sie den aktuellen Stand von Technologie und Innovationen in Deutschland?

Dr. Ralf-Uwe Bauer: Seit vielen Jahren haben wir in Deutschland sehr viel Geld in den Auf- und Ausbau von Hochschulen und Forschungseinrichtungen in der Grundlagenforschung ausgegeben. Neben den enormen Mitteln für Grundlagenforschung sind im gleichen Zuge die Bemühungen durch diese Institute um den Transfer von Forschungsergebnissen deutlich verbessert worden. Deutschland ist ein technologieoffenes Land und unterstützt in der gesamten Breite der deutschen Unternehmen die Fähigkeiten zum Technologietransfer. Leider wird der Begriff Innovation in der Politik sehr inflationär eingesetzt und das eigentliche Grundverständnis in der wirtschaftlichen Umsetzung von geschaffenem technischem Wissen wird dabei zu stark verwässert. Damit geht aus meiner Sicht der eigentliche Fokus auf eine in der Wirtschaft notwendige Umsetzung teilweise verloren. Deshalb spreche ich zum besseren Verständnis nicht von Innovationen sondern von Forschungstransfer in die Unternehmen in Form neuer Produkte, Verfahren und Dienstleistungen. An dieser Nahtstelle haben wir in Deutschland nach wie vor noch große Lücken. Zuviel in den Hochschulen und Forschungseinrichtungen entstandenes Wissen wird nicht in neue Produkte, Verfahren und Dienstleistungen umgesetzt. Das dort entstandene Wissen ist zweifelsfrei auf hohem technologischem Niveau aber eine Transformation dieser Ergebnisse in eine sehr stark mittelständische Wirtschaft in Deutschland ist noch nicht optimal gegeben. Der Aufbau und Ausbau der eigenen Forschungskapazitäten in mittelständischen Unternehmen als Schlüssel für den wirksamen und schnelleren Forschungstransfer ist eine Herausforderung, die Deutschland noch nicht im grundsätzlichen Fokus hat. Leider rennen wir in Deutschland immer wieder sogenannten Basis- und Schlüsseltechnologien hinterher, die in der wirtschaftlichen Umsetzung nicht durch unsere breite mittelständisch geprägte Wirtschaft realisierbar sind. Alte Themen, wie zum Beispiel Photovoltaik, werden durch Batterie- und Wasserstofftechnologie oder Quantencomputer ersetzt. Sicher sind diese extrem wichtigen technologischen Zukunftsthemen, aber für die Breite der in Deutschland ansässigen Unternehmen nicht der zentrale Fokus der Zukunftssicherung. Nur ein breiter technologieoffener, anwendungsorientierter Ansatz gekoppelt mit einer weiter auszubauenden forschungsaffinen, mittelständischen Wirtschaft wird es ermöglichen, Innovationen im Sinn des Transfers von technischem Wissen noch besser in Deutschland zu gestalten.

Illustration zum DUP-Wahlcheck

Was erwarten Sie von der nächsten Bundesregierung?

Bauer: Wir in Deutschland sehen uns großen globalen Herausforderungen gegenüber, die wir wirtschaftlich erfolgreich meistern müssen. Wir stehen aber auch nach wie vor im Wettbewerb mit anderen Regionen in der Welt. Nur durch ideologisch geprägte Herangehensweisen können globale Herausforderungen nicht gelöst werden. Eine neue Bundesregierung muss den Umbauprozess der Wirtschaft so befördern, dass wir alle Unternehmen und alle unsere Mitarbeiter mitnehmen können. Dazu benötigen wir einen konsequent technologieoffenen Ansatz. Nicht der Staat wird die globalen Aufgaben lösen können, er kann nur die besten Rahmenbedingungen setzten. Eine neue Bundesregierung darf sich nicht nur ideologisch an einzelnen Schwerpunkten orientieren. Die stetige Überprüfung der Beeinflussung der Wettbewerbsbedingungen unserer Wirtschaft muss bei größtem Willen um schnelle Veränderungen erfolgen. Unternehmen benötigen Gewinne in einem globalen Kostenwettbewerb. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass wir mit erhöhter Wertschöpfung der Unternehmen die Kraft für Zukunftsinvestitionen erhalten. Hochqualifizierte Mitarbeiter sind und bleiben unser wichtiges Wirtschaftselement. Aus- und Weiterbildung sind deshalb ebenso Schlüsselfaktoren für eine erfolgreiche Zukunftsgestaltung. Als Unternehmer erwarte ich eine weitere Stärkung der Dualen-Ausbildung und einer verbesserten Förderung der Talente junger Menschen bereits in der schulischen Ausbildung.

Welche Parteien/Parteiprogramme setzen sich mit den Themen Innovationen und Technologie gut auseinander, welche nicht?

Bauer: Aus meiner Sicht gibt es drei, vier sehr unterschiedliche Betrachtungsweisen. Bündnis 90/Die Grünen und die SPD setzen sich im Grundsatz für einen staatsgetriebenen sozial- ökologischen Wirtschaftswandel ein. Es wird aus meiner Sicht zu einseitig auf Klimaneutralität und Umweltthemen im Bereich der Technologie orientiert. Der Ansatz von CDU/CSU und FDP ist ökologisch, ökonomisch und sozial geprägt. Es wird ein starker technologieoffener Ansatz für die Zukunftsgestaltung in Ansatz gebracht. Dabei sollen auch hier große technologische Schwerpunkte von globaler Bedeutung befördert werden. Das Thema Innovationen als technischer Wissenstransfer im Mittelstand wird mit bewährten Instrumenten einer Projektförderung gekoppelt mit einer steuerlichen Forschungsförderung fortgeführt. Unklar ist, wie die FDP auf der Grundlage einer neuen, sehr schwammigen Organisationsstruktur, der Deutschen Transfergemeinschaft, hier einen wirklich neuen und schlagkräftigen Ansatz zur Beförderung des Forschungstransfers erreichen will. Die AfD bleibt in allen Aussagen zum Thema Innovationen und Technologie sehr unklar und sehr wenig wirtschaftsbezogen. Es gibt keinen wirklich strategischen Ansatzpunkt, der unsere mittelständische Wirtschaft unterstützt, die komplexen Herausforderungen der nächste Jahrzehnte lösen zu können. Bei den Linken erlaube ich mir, einen Satz aus deren Wahlprogramm zu zitieren: „Unternehmen nutzen die Einführung neuer Technologien und Produkte, den Klimaschutz und die Digitalisierung als Anlass, um auf dem Rücken der Beschäftigten umzustrukturieren, Beschäftigte zu entlassen oder die Belegschaften zu erpressen.“ Einen Kommentar dazu erspare ich mir an dieser Stelle.

Was fehlt Ihnen in Bezug auf Innovationen und Technologie in den Wahlprogrammen der Parteien?

Bauer: Innovation als Forschungstransfer von technischem Wissen kann nur in und mit Unternehmen gelingen. Dazu benötigen die Unternehmen geeignete Rahmenbedingungen. In allen Programmen fehlt aus meiner Sicht der Auf- und Ausbau von Forschungskapazitäten in den mittelständischen Unternehmen in Deutschland. Nur kontinuierlich forschende Unternehmen sind in der Lage, sich in einer sehr komplexen technologischen Welt nachhaltig wirtschaftlich erfolgreich aufzustellen. Dies erfordert dringlich Unterstützung des Aufbaus und die Verstetigung dieser Forschungsbereiche in den Unternehmen. Es fehlt grundsätzlich das Verständnis, dass nahezu kein Forschungsergebnis einer Hochschule oder Forschungseinrichtung direkt im Unternehmen umgesetzt werden kann. In der Regel wird ein Mehrfaches der Forschungsaufwendungen erforderlich, um eine Innovation in neuen Produkte, Dienstleistungen und Verfahren umsetzen zu können. Hier liegt auch der gedankliche Fehler der Politik mit dem weiteren Ausbau der Forschung an Hochschulen und Forschungseinrichtungen den Forschungstransfer befördern zu können. Auch eine alleinige Schwerpunktsetzung auf Start-ups ist der falsche Ansatz. Wir benötigen eine breitere Unterstützung unserer Unternehmen, um eigene Vorlaufforschung und angewandte Forschung im Unternehmen selbst durchführen zu können. Der Aufbau von eigenen Forschungslabors, Demonstratoren und Pilotproduktionen der Unternehmen sollte steuerlich besonders gefördert werden. Ebenso ist eine besondere investive steuerliche Förderung für die Markteinführung neuester Technologien, Produkte und Dienstleistungen dringend erforderlich. Vor dem Hintergrund der in den nächsten Jahren gegebenen Haushaltssituation muss eine deutliche Stärkung der Unternehmen, die für Stabilität, Beschäftigung und Wachstum umgesetzt werden. Alle Luxusprojekte ohne breite wirtschaftlich relevante Zukunftsperspektive sind auf den Prüfstand zu stellen.

08.09.2021
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