22.02.2022    Martin Hintze
  • Drucken

Morgens bestellt, abends schon da: Der globale Handel ist extrem schnell geworden. Ohne modernste Logistik und bestens vernetzte Handelsdrehkreuze wären solche extrem kurzen Lieferzeiten kaum denkbar. Wie sich die Branche wandelt und welche Innovationen in den kommenden Jahren das größte Potenzial besitzen, erklärt Experte Erik Wirsing von DB Schenker in einer neuen Folge des Videocasts „Kurs 2025“ von DUP UNTERNEHMER.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

 

Die Logistikbranche ist im Umbruch. Viele neue Technologien werden momentan erprobt. Welche haben das Zeug, bis 2025 zum Gamechanger im internationalen Handel zu werden?

Erik Wirsing: Das ist je nach Land und Region unterschiedlich. Allein in Europa forschen beispielsweise mehr als ein Dutzend Hochschulen und Start-ups an Hyperloop-Konzepten, mit denen Waren in luftleeren Röhren transportiert werden können. Was schon früher in einem breiteren Umfang eingesetzt werden könnte, sind elektrische Antriebe im Güterverkehr oder der Einsatz von Wasserstoff. Japan ist dabei weltweit ein Vorreiter. Am nachhaltigsten ist es allerdings, wenn ein Fahrzeug gar nicht erst losfahren muss. Die digitale Optimierung von Lieferketten ist deshalb bereits jetzt ein großes Thema. Es ist also ein breiter Mix an Technologien, der momentan die Logistikbranche grundlegend verändert und mit zum nachhaltigen Wandel führen soll. Wir als Schenker AG haben es uns zum Ziel gesetzt, bis ins Jahr 2040 CO2-neutral zu werden.

Können Sie uns ein paar Beispiele nennen, wie Sie das erreichen wollen?

Wirsing: Im Bereich Luftfracht setzen wir beispielsweise auf CO2-neutrale Treibstoffe, sogenannte Sustainable Aviation Fuels. Lufthansa Cargo fliegt einmal pro Woche von Frankfurt nach Schanghai mit einem – sehr vereinfacht ausgedrückt – besseren Pommes-Öl als Treibstoff. Daran sieht man: Das funktioniert also auch auf einer Langstrecke. Bei Transporten auf der Straße geht die Entwicklung stark Richtung Elektromobilität und Wasserstoff. Und auf der Schiene spielt die Digitalisierung und Optimierung des Verkehrs eine große Rolle.

Im Herbst 2021 haben Sie zusammen mit dem Unternehmen Volocopter eine Frachtdrohne im Hamburger Hafen fliegen lassen. War das nur Show, oder gibt es tatsächlich Fälle, in denen solche Drohnen sinnvoll eingesetzt werden können?

Wirsing: Das war definitiv nicht nur Show. Wir haben damit bewiesen, dass Frachtdrohnen keine Science-Fiction mehr sind. Diese Drohne ist zehn Meter breit und 2,20 Meter hoch, kann 200 Kilogramm transportieren und knapp 40 Kilometer autonom fliegen. Die ersten Use-Cases könnten die Belieferung von schwer erreichbaren Inseln oder Bergregionen sein. Aber wir wollen auch die Zulassung dafür bekommen, damit in urbane Bereiche zu fliegen. Die Drohne soll in unsere Supply-Chain inte­griert werden. In Hamburg war sie Teil einer CO2-freien Lieferkette: Die Ware wurde von einem E-Lkw angeliefert, mit der Drohne weitergeflogen, und die letzte Meile hat ein Lastenrad übernommen. Angesichts von Dieselfahrverboten und autofreien Innenstädten wie in Paris ab 2024 können Drohnen ein Teil der Lösung sein.

Sie forschen intensiv am Thema autonomes Fahren, bei dem beispielsweise mehrere Lkw wie an einer Perlenschnur aufgereiht hintereinander fahren. Wird der Beruf des Brummifahrers aussterben?

Wirsing: Nein, das glaube ich nicht. Im Gegenteil: Berufskraftfahrer ist definitiv ein Beruf mit Zukunft. Schon heute werden sie händeringend gesucht. Und selbst wenn sich das autonome Fahren durchsetzen würde – was aber noch etliche Jahre dauern wird –, brauche ich Menschen, die wissen, wie diese großen Geräte funktionieren. Künftig kann ein Fahrer mehrere Lkw steuern. In einem Pilotprojekt testen wir das Homeoffice für Berufskraftfahrer: Man sitzt im Prinzip vor einem Bildschirm mit Lenkrad und steuert den Lkw draußen auf dem Hof. In Zukunft kann ein Fahrer erst ein paar Laster durch München steuern, eine Stunde später ist er in Paris, dann in Moskau, anschließend in New York – ohne jemals sein Zuhause verlassen zu haben.

Ein weiteres Innovationsfeld bei Ihnen ist der 3-D-Druck. Aber kannibalisieren Sie sich nicht ein Stück weit selbst, wenn Sie Waren durch 3-D-Druck vor Ort herstellen lassen, statt sie zu transportieren?

Wirsing: Komplett richtig. Und genau deshalb tun wir es. 3-D-Druck ist per se das Schlimmste, was uns passieren kann. Denn eigentlich wollen wir möglichst viel transportieren und lagern. Doch mit 3-D-Druck stellen wir Teile on demand lokal her. Die Coronapandemie war dafür ein großer Booster. Beispielsweise haben Krankenhäuser fehlende Gesichtsmasken oder Teile für Beatmungsgeräte vor Ort hergestellt. Wir haben den Trend erkannt und sehen das Thema als Add-on. Wir beraten unsere Kunden, was heute mit der Technologie machbar ist. Unsere Vision: Schon in wenigen Jahren sollen unsere Kunden ihre Ware über eine Online-Plattform bei uns bestellen – und entweder haben wir es physisch im Lager, oder wir drucken es.

Im Privatkundenbereich haben Tech-Giganten wie Amazon und Alibaba längst die Logistik übernommen. Sind das für Sie eher Konkurrenten oder Partner?

Wirsing: Zunächst sind es Kunden. Denn wenn solche Online-Giganten wachsen, haben sie einen enormen Bedarf an logistischen Dienstleistungen. Später sind sie selbst in den Bereich eingestiegen und investieren viel in Robotik und Automatisierung. Noch ist der Logistik-Weltmarkt stark fragmentiert, aber schon jetzt beobachten wir eine starke Konsolidierung und viele Übernahmen. Deutschland ist Logistik-Weltmeister – und damit das so bleibt, brauchen wir Kooperationen mit innovative Start-ups.

22.02.2022    Martin Hintze
  • Drucken
Zur Startseite