thyssenkrupp Materials Services GmbH Vordenker 2022
26.07.2022    Holger Reher
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Zur Person

Martin Stillger

Vorsitzender des Bereichsvorstands des Segments Materials Services und Vorsitzender des Vorstands der thyssenkrupp Materials Services GmbH. Der studierte Dipl.-Ingenieur trat 2008 in den thyssenkrupp Konzern ein und ist seitdem in verschiedenen Führungs- und Geschäftsführungsfunktionen tätig gewesen. Vor seinem Eintritt bei thyssenkrupp war Stillger 17 Jahre lang bei der Barmag AG tätig, davon jeweils fünf Jahre als Vertriebsvorstand und Vorstandsvorsitzender.

Wie hat sich Ihr Business in den letzten Monaten entwickelt? Gibt es ein besonderes Learning aus der Coronakrise für Ihr Unternehmen?

Martin Stillger: Ob die immer noch anhaltende Covid-19 Pandemie und ihre Folgen oder seit Februar dieses Jahres auch der Krieg in der Ukraine: Beide Ereignisse wirken wie ein Brennglas auf die tiefgreifende Transformation unserer Branche. Darüber hinaus werden durch zunehmende Ressourcenknappheit, die unbedingte Notwendigkeit zu wirklich nachhaltigem Handeln, Spannungsfelder im Kontext der Globalisierung, internationale Krisenherde und fortschreitende Digitalisierung in allen Lebensbereichen die Rahmenbedingungen immer komplexer. Eine zentrale Herausforderung ist es dabei, Lieferketten so flexibel, resilient und nachhaltig wie möglich zu gestalten, um die Material- und Werkstoff-Versorgung verlässlich zu gewährleisten – selbst, wenn die Rahmenbedingungen noch so unberechenbar sind. Eine zentrale Rolle spielt dabei auch ein flexibler Multi-Sourcing-Ansatz, der die Versorgung gewährleistet, auch wenn Märkte plötzlich wegbrechen. Mit unserer 2019 eingeführten Strategie „Materials as a Service“ arbeiten wir genau daran.

Was ist das Erfolgsrezept für Ihr Business?

Stillger: Wir entwickeln uns Schritt für Schritt weiter: Vom klassischen, über 125 Jahre alten Werkstoffhändler zum intelligenten, nachhaltig ausgerichteten modernen Lieferkettenmanager. Wir nennen diese Strategie „Materials as a Service“. Wir wollen uns künftig in die gesamte Lieferkette unserer Kunden integrieren und mehr Leistungen erbringen als heute. Damit wandeln wir uns von einem Netzwerkpartner, der selektiv mit anderen Branchenakteuren zusammenarbeitet, zu einem Netzwerkgestalter, der aktiv ein Ökosystem entwickelt, um für alle Beteiligten Mehrwert zu schaffen. Wir liefern also nicht mehr nur ihre Werkstoffe und damit verbundene Services, sondern steuern zukünftig auch mehr und mehr ihre Warenströme. Damit machen wir unser Geschäft weniger volatil und abhängig von Materialpreisen und können höhere Margen erreichen.

Wie bleiben Sie als Unternehmen neugierig und innovativ und was tun Sie als Management, um das zu fördern?

Stillger: Innovation und nachhaltiger Wandel wird von Menschen gemacht und muss von oben vorgelebt werden. Denn Industrie 4.0 heißt auch Führung 4.0. Tradierte Führungsmodelle sind zunehmend obsolet. Entscheidungen müssen da getroffen werden, wo sie benötigt werden, und nicht den teils langwierigen Weg durch die Instanzen und Hierarchien gehen. Daher haben wir bei thyssenkrupp Materials Services die Art der Zusammenarbeit neu definiert – im Mittelpunkt dabei: Transparenz, Kollaboration und konsequente Kundenzentrierung. Seit 2020 haben wir über 30 agile Teams aufgebaut, die als sich selbst organisierende Teams insbesondere bei neuen, bisher nicht gekannten Fragestellungen von Kunden zu echten Game-Changern werden. Diese Überzeugung leben wir, in dem wir unsere Mitarbeitenden für die neuen Aufgaben mit innovativen Learning- und Weiterbildungsprogrammen Schritt für Schritt befähigen, die nachhaltige wie leistungsstarke Zukunft des Werkstoffgeschäfts zu gestalten.

Was ist die größte Stärke der Company? Was zeichnet Sie aus? Trauen Sie sich eine Schwäche preiszugeben?

Stillger: Es gibt kaum etwas in unserem Alltag, das nicht von Materials Services geliefert, bearbeitet oder bewegt worden ist. Mit unseren Produkten und Dienstleistungen sorgen wir dafür, dass Tag für Tag Autos vom Band, Gebäude gebaut, Anlagen gefertigt und Flugzeuge abheben können. Rund 380 Standorte in über 30 Ländern, ca. 15.000 Mitarbeiter und mehr als 250.000 Kunden weltweit. thyssenkrupp Materials Services hat Gewicht – und trägt Verantwortung. Als Bindeglied zwischen Lieferanten und verarbeitenden Unternehmen nimmt thyssenkrupp Materials Services eine Schlüsselposition im wirtschaftlichen Gefüge ein. Bei einem Unternehmen mit mehr als 125 Jahren Geschichte, mehr als 15.000 Mitarbeitenden und globaler Präsenz gibt es natürlich auch tradierter Prozesse, die nicht von heute auf morgen geändert werden können. Für uns ist es wichtig, unsere Mitarbeitenden auf dem Weg der Transformation mitzunehmen.

In wenigen Worten: Was tun Sie, um den digitalen Anschluss nicht zu verpassen?

Stillger: Wir verstehen Digitalisierung als einen zentralen Treiber zur Umsetzung unserer Gesamtstrategie. Digitalisierung muss mehr sein als der Lack auf einer Karosserie – sie muss vor allem unter der Motorhaube stattfinden. Damit sie erfolgreich ist, sind die folgenden Faktoren zentral: Die kulturellen Rahmenbedingungen müssen stimmen: Innovation reift nur in einem Unternehmen, das Raum schafft für Versuche, Fehler und kontinuierliches Lernen. Digitalisierung und Innovation müssen so nah wie möglich am Geschäft stattfinden, damit sie erfolgreich und nachhaltig sind. Digitalisierung ist keine Frage der richtigen Tools. Es geht immer zuerst um den inhaltlichen, also den geschäftlichen Kontext.

Was macht Ihr Unternehmen bei Bestandskunden besonders erfolgreich?

Stillger: Die Kunden von thyssenkrupp Materials Services verlassen sich auf unser intelligentes Standortnetzwerk, das eine zuverlässige Belieferung mit Werkstoffen gewährleistet, unseren Multisourcing-Ansatz, der auch in Krisenzeiten stets Materialverfügbarkeit sichert, unsere langjährige Werkstoffkompetenz und das hohe Logistik-Knowhow. Wir halten unseren Kunden den Rücken frei, damit sie sich auf ihr Kerngeschäft fokussieren können. Wir kennen ihre Probleme und Prozesse und können uns reibungslos in die Abläufe ihrer Lieferketten integrieren. Sie können sich auf ihre Produkte konzentrieren und alle anderen Prozessschritte auslagern. Die guten NPS-Ergebnisse bei den regelmäßig durchgeführten Kundenzufriedenheitserhebungen bestätigen uns darin.

Was ist ihr Erfolgsfaktor, um Neugeschäft zu gewinnen?

Stillger: Neukunden entscheiden sich häufig aus den gleichen Gründen für uns, aus denen bestehende Kunden uns seit vielen Jahren treu sind: hohe Werkstoffkompetenz gepaart mit Supply Chain Expertise, Qualitätsware, 150.000 Produkte, die mehr und mehr um grüne Produkte und Dienstleistungen erweitert werden. Auch die Marke thyssenkrupp gilt nach wie vor international als Gütesiegel.

Was tun Sie, um den Service zu verbessern?

Stillger: Anhand eines Beispiels lässt sich diese Frage am besten beantworten: Kundenzentrierung ist ein elementarer Bestandteil unserer MaaS-Strategie. Um den aktuellen und zukünftigen Kundenwünschen gerecht zu werden, die immer mehr von standardisierten Lösungen abweichen, stellen wir den Kunden noch mehr in den Mittelpunkt all unserer Handlungen. Insbesondere für unsere Mitarbeitenden im Vertrieb haben wir ein Projekt mit dem Namen DPX gestartet. DPX steht für „Driving Performance through X“. Mit Hilfe verschiedener Trainingsformate lernen unsere Mitarbeitenden unter anderem, wie sie Kundennutzen schaffen und Lösungen entwickeln können, die den wahren Bedürfnissen der Kunden entsprechen. Die DPX Trainings zielen darauf ab, unsere Performance als Dienstleister zu steigern.

Nennen Sie ein konkretes Beispiel wie Ihr Unternehmen Service lebt.

Stillger: Ein aktuelles Beispiel, bei dem wir Service mit Nachhaltigkeit verbinden, ist unsere erst vor wenigen Wochen neu eingeführte Lösung zur Ermittlung des CO2e-Fußabdrucks unserer Produkte: Mit dem Product Carbon Footprint Rechner berechnen wir den ökologischen Fußabdruck unserer Produkte von der Herstellung bis zur Anlieferung beim Kunden – und helfen ihm so, Emissionen zu reduzieren. Denn auf dieser Basis können wir unsere Kunden dahingehend beraten, dass zum Beispiel in Zukunft Produkte aus anderen Herstellungsverfahren eingesetzt werden, die geringere CO2e-Werte haben.

Was tun Sie, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren? Was bieten Sie aktuellen und zukünftigen Mitarbeitenden? Gibt es eine Maßnahme, die Sie mit Stolz erfüllt?

Stillger: Mitarbeiterbindung und -Weiterbildung spielen beim Employer Branding für thyssenkrupp Materials Services eine zentrale Rolle. Aus diesem Grund führen wir einmal im Jahr kurze Mitarbeiterbefragungen – sogenannte Pulse Checks – durch. Mit dem Pulse Check finden wir heraus, was wir verbessern können und wo wir uns weiterentwickeln müssen, um den Mitarbeitenden das bestmögliche Arbeitsumfeld zu bieten. Aus den Ergebnissen leiten wir dann konkrete Maßnahmen ab: So zeigt ein neues Projekt zeigt Karrierewege außerhalb der klassischen Führungslaufbahn auf. Ziel ist es, High Potentials zu binden, die keine disziplinarische Führungsaufgabe übernehmen wollen oder können, weil zum entsprechenden Zeitpunkt keine passende Position frei ist.

Beim Thema Weiterbildung ist unsere hausinterne Weiterbildungsplattform „MaaS Learning Factory“ ein sehr wesentlicher Baustein. Hier werden für alle Mitarbeitenden von Materials Services weltweit entsprechende Trainings- und Weiterbildungsmaßnahmen angeboten: von Agilität über Kundenorientierung bis hin zu Digitalisierung. Die hohe Zufriedenheitsquote mit dem Kursangebot macht uns stolz.

26.07.2022    Holger Reher
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