jemand hält einen Stecker für ein Gerät in der Hand
22.11.2022    Madeline Sieland
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Was machen wir, falls die Energie im Winter knapp wird? Auf diese Frage gibt es nur in 29 Prozent der Unternehmen eine Antwort. Eine Randstad-ifo-Studie zur Energiekrise zeigt, dass bis dato nur eine Minderheit über einen Energie-Notfallplan verfügt.

„Je kleiner das Unternehmen, desto seltener wurden Maßnahmen auf den Weg gebracht“, sagt ifo-Forscherin Johanna Garnitz. Insbesondere bei Betrieben mit weniger als 50 Mitarbeitenden mangelt es an Vorsorge: Gerade einmal 15 Prozent haben sich Gedanken über den Fall gemacht, dass die Energieversorgung eingeschränkt wird oder ganz ausbleibt. Ein potenziell fatales Versäumnis, denn immerhin befürchten 63 Prozent der Unternehmen, dass bei einem Energieengpass eine unfreiwillige Einschränkung der Geschäftstätigkeit und damit unkalkulierbare Umsatzverluste drohen.

Welche Maßnahmen kommen beim Energieengpass zum Tragen?

Zu den Maßnahmen, die Unternehmen im Fall der Fälle ergreifen wollen, gehören laut Randstad-ifo-Studie:

  • die Belegschaft soll Überstunden abbauen (83 Prozent)
  • die Mitarbeitenden sollen Urlaubstage abbauen (76 Prozent)
  • die Gebäudetemperatur wird gesenkt (65 Prozent)
  • Kurzarbeit wird eingeführt (65 Prozent)
  • eine Ausweitung des Homeoffice-Angebots (62 Prozent)
  • eine freiwillige, vorausschauende Einschränkung der Geschäftstätigkeit – zum Beispiel durch Drosselung der Produktion, ein geringeres Dienstleistungsangebot oder Verkürzen der Erreichbarkeit beziehungsweise Öffnungszeiten (41 Prozent)
  • ein Personalabbau (29 Prozent)

Angesichts der angedachten Maßnahmen ist in 22 Prozent der Unternehmen die Personalabteilung an der Ausarbeitung des Notfallplans zumindest beteiligt. Vielleicht zu wenig, denn arbeitsrechtlich lauern hier diverse Fallstricke.

Nicht alles, was Unternehmen entlastet, ist rechtens

Zwar schlug auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bereits vor, die Möglichkeiten zu Remote-Work wieder auszuweiten. Schließlich müssten Unternehmen ihre leeren Büroräume dann nicht heizen. Und daheim könnten Angestellte in den ohnehin beheizten Wohnräumen arbeiten.

Doch ganz so einfach ist das nicht – zumindest nicht, solange es keine verbindliche Rechtsvorschrift des Gesetzgebers gibt. „Auch wenn dies wie eine simple Möglichkeit klingt: Der Arbeitgeber kann seine Angestellten nicht regelmäßig zu Remote-Work zwingen“, sagt Paul-Benjamin Gashon, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Kanzlei gunnercooke. „Angestellte haben ein Recht darauf, einen Arbeitsplatz gestellt zu bekommen, was vor allem relevant wird, wenn die Mitarbeiter keine geeigneten Räume zu Hause einrichten können.“

Mitarbeitende bevorzugen das Büro

In seinen Augen gibt es nur eine Möglichkeit, um Angestellte von der Arbeit in den eigenen vier Wänden zu überzeugen: „Vorgesetzte dürfen auf ihre Kollegen zugehen, sie über kommende Herausforderungen für die Firma informieren und sie zwanglos bitten, wann immer es möglich ist, remote zu arbeiten“, so Gashon. „Ausschlaggebend ist die Freiwilligkeit und eine im besten Fall schriftlich dokumentierte Einigung.“

In einer Studie von SAP Concur, einem Anbieter von Software zum Ausgabenmanagement, gaben 42 Prozent der befragten Arbeitnehmenden an, dass ihr Arbeitgeber sie dazu ermutigt, im Homeoffice zu bleiben, damit der Energieverbrauch im Büro reduziert wird. Aber: 53 Prozent der Angestellten planen, in den kommenden Monaten mehr Zeit im Unternehmen verbringen, damit privat die Strom- und Heizkosten sinken.

Heizung ganz aus? Das ist keine Option

Auch wer die Temperatur in den Unternehmensräumlichkeiten reduzieren will, muss rechtliche Vorgaben berücksichtigen. „Unternehmen mussten schon immer gewisse Mindesttemperaturen einhalten, um die Gesundheit ihrer Angestellten zu schützen“, betont Gashon. „Diese lagen bisher – je nach Art und Schwere der Tätigkeiten – zwischen 12 und 20 Grad.“

Aufgrund der bis zum 28. Februar 2023 geltenden Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen kann die Temperatur auf 12 bis 19 Grad runtergeregelt werden – was zumindest ein wenig Einsparpotenzial bietet.

Wie Unternehmen sich den Herausforderungen in der Praxis stellen

Volkswagen beispielsweise senkt in Temperatur in den Produktionshallen auf 17 Grad und verteilt zudem wärmere Kleidung an die Beschäftigten. Beim Baustoffkonzern Heidelberg Materials wird künftig mehr am Wochenende produziert, da die Strompreise dann tendenziell niedriger sind.

Und die Otto Group plant, den Verbrauch von Gas, Strom und Fernwärme im Winter um bis zu 20 Prozent zu reduzieren. Die Maßnahmen, die dafür ergriffen werden, sind nicht unumstritten. So werden am Standort in Hamburg-Bramfeld bis Ende März 2023 nur noch ausgewählte Gebäude mit einer Temperatur von 20 Grad beheizt. In allen anderen Gebäuden wird die Temperatur auf sechs bis 15 Grad gesenkt – wodurch dort aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen nicht mehr gearbeitet werden darf.

„Wenn wir in den Büros zusammenrücken, entstehen auch neue Konstellationen von Kolleginnen und Kollegen, die nun eine gemeinsame Fläche nutzen. Unser Konzept des Activity-based Workings, also aktivitätsbasiertes Arbeiten, das Teilen von Arbeitsplätzen und die Verfügbarkeit aller Informationen in der Cloud hilft uns bei der Umsetzung unserer umfassenden Konzepte zur Energieeinsparung enorm“, sagt Petra Scharner-Wolff, Konzernvorständin Finanzen, Controlling und Personal bei der Otto Group.

Beim zu Otto gehörenden Logistikdienstleister Hermes wird in Hamburg-Langenhorn statt in vier Gebäuden nur noch in einem gearbeitet – und zwar in dem, mit der höchsten Energieeffizienz. Darüber hinaus wurde an den bundesweit 60 Hermes-Standorten die Leuchtreklame abgeschaltet. Bei der Witt-Gruppe, ebenfalls Teil der Otto Group, wird neben der Heizung auch die Beleuchtung in den Räumen runtergefahren. Geräte wie Kühlschränke, Kaffeemaschinen und Geschirrspüler werden vom Stromnetz genommen.

Über Information Verhalten verändern

Als rechtlich sichere Möglichkeit, Energie zu sparen, betrachtet Gashon vor allem eine Maßnahme: „Sie können zuerst die Angestellten über mögliche Einsparpotenziale aufklären.“ Denn helfen können schon simple Maßnahmen – etwa das Ausschalten von Licht sobald man einen Raum verlässt, das Abschalten von Geräten, die längere Zeit nicht genutzt werden oder effizientes Lüften.

„Kombinieren Unternehmen diese Ideen etwa mit finanziellen Anreizen wie Prämien und Boni, braucht es keinen Zwang, um Energie zu sparen“, so Gashon. „Dieser Weg ist gesetzlich unproblematisch und motiviert Mitarbeiter, sich freiwillig sparsam zu verhalten.“

22.11.2022    Madeline Sieland
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