Pfeile illustrieren die Wechselwirkung von Nachhaltigkeit und Rentabilität
17.01.2022
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Leider betrachten wir Nachhaltigkeitsziele in der Wirtschaft oft einseitig. Meist ist nur die ökologische Nachhaltigkeit gemeint denn die ökonomische Nachhaltigkeit war schon immer von unternehmerischem Interesse, was unter anderem auch damit zu tun hat, dass Unternehmen die Ressourcen der Natur für sich und für die Wirtschaft nutzen. Dadurch besteht ein selbstverständliches Interesse am Erhalt der Natur.

Menschliches Engagement fördern, Klimaziele erreichen

Doch in der Nachhaltigkeits-Diskussion geht es auch um Verantwortung. Und diese Verantwortung gilt nicht nur für die Ressourcen aus der Natur, sondern auch für die Menschen. Diese Dimension definieren wir am Institut für soziale Nachhaltigkeit als Verbesserung der Qualität der menschlichen Beziehungen in verschiedenen Dimensionen:

  • zu sich selbst,
  • zu den Mitmenschen (im Arbeitsumfeld und in der Gesellschaft),
  • aber auch zur Umwelt (also zur Natur).

Damit rücken auch hier der Mensch und seine nachhaltige Wirksamkeit in den Fokus der Betrachtung.

Diese ganzheitliche Sicht erfordert einen menschenzentrierten Ansatz. Das heißt: Nicht nur Kunden, sondern auch alle anderen Stakeholder (Mitarbeitende, Geschäftspartner, Lieferanten) werden als Partner und Co-Creatoren auf Augenhöhe betrachtet. Zudem wird Wert auf eine gesunde und wertschätzende Kollaboration gelegt.

Denn wenn Unternehmen sich für ökologische Nachhaltigkeit einsetzen und etwas gegen den Klimawandel tun wollen, müssen sie Mitarbeitende und alle anderen Stakeholder mit ins Boot holen. Schließlich können ohne menschliches Engagement keine Klimaziele erreicht werden.

Soziale Nachhaltigkeit als vernachlässigte Dimension

Die soziale Nachhaltigkeit ist im Unternehmensalltag allerdings häufig eine vernachlässigte Dimension.

Dabei erleben wir hier zum Teil ein Paradox. So bietet ein Unternehmen seinen Mitarbeitenden beispielsweise ein umweltfreundliches Fortbewegungsmittel an – etwa ein Elektroauto, mit dem die Kolleginnen und Kollegen auch in den Urlaub fahren dürfen. Da sie mindestens 500 Kilometer mit dem Dienstwagen nonstop in den Urlaub fahren möchten und die dafür notwendige Ladeinfrastruktur noch nicht ausgereift ist, lehnen sie das Angebot des Arbeitgebers letztendlich ab und bleiben stattdessen bei den herkömmlichen Alternativen.

Zunächst einmal muss natürlich auch die ökologische Nachhaltigkeit von Elektroautos an sich in Frage gestellt werden. Ökologische Nachhaltigkeit beschreibt den weitsichtigen und rücksichtsvollen Umgang mit Ressourcen. Betrachtet man das Elektroauto ganzheitlich samt seiner Wertschöpfungskette, den Produktlebenszyklus von Entwicklung bis Entsorgung und auch die Energiequellen, wird man schnell feststellen, dass das die Nachhaltigkeit eines Elektroautos sich nur begrenzt positiv ökologisch – nämlich vor allem auf den CO2-Ausstoß – auswirkt.

Bedürfnisse von Mitarbeitenden und Kunden beachten

Aus sozial nachhaltiger Sicht wird in diesem Beispiel deutlich, dass die soziale Komponente nicht ausreichend in den Blick genommen wurde. Dafür hätte geprüft werden müssen, welche Bedürfnisse, Probleme und Wünsche die Mitarbeitenden haben und welchen Mehrwert ein Unternehmen hier in Hinblick auf Nachhaltigkeit bieten kann. Gleiches gilt auch für Angebote, die sich an Kundinnen und Kunden richten.

Die Empfehlung liegt also nahe: Unternehmen müssen die Perspektive wechseln und das große Ganze betrachten. Sie müssen zum einen die soziale Nachhaltigkeit, also das Menschliche, in den Fokus nehmen. Zum anderen gilt es, die Maßnahmen an sich (auch die rein ökologischen Nachhaltigkeitsinitiativen) ganzheitlicher zu betrachten. Nur so lässt sich Nachhaltigkeit auf allen Ebenen vorantreiben.

Eine neue Stufe des Purpose

Wer die soziale Nachhaltigkeit steigern möchte, muss sich mit der Frage beschäftigen, wie der Sinn einer Tätigkeit gesteigert werden kann. Denn nur durch den Sinn der Tätigkeit erleben wir Selbstwirksamkeit. Diesen kann man zum Beispiel vom Purpose eines Unternehmens ableiten und herunterbrechen. Sinn ist eine Dimension von Glück.

Eine weitere Dimension ist Selbstverwirklichung. Diese steht in der Maslowschen Bedürfnispyramide an oberster Stelle.

Warum das für Unternehmen relevant sein sollte, ist nicht jedem bewusst, aber eigentlich ganz einfach zu erklären: Weil glückliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Rentabilität eines Unternehmens erhöhen. Wenn Mitarbeitende und Stakeholder sich in ihrer Tätigkeit ein Stück weit selbst verwirklichen können, sind sie resilienter und arbeitsfreudiger.

Und genau das ist der Kern eines ganzheitlichen Nachhaltigkeitsansatzes, welcher den Menschen als zentrales Bindeglied zwischen Natur und Wirtschaft sieht.

Wir prüfen die Sinnhaftigkeit geplanter Maßnahmen daher anhand aller Dimensionen der Nachhaltigkeit – also sozial, ökologisch und ökonomisch. Den dreidimensionalen Impact im Gleichgewicht zu halten – das ist die Herausforderung für Unternehmen. In der Praxis stellen wir fest, dass der Megatrend Nachhaltigkeit sich oft in Aktionismus äußert, der sich in aufgehübschten Nachhaltigkeitsberichten widerspiegelt, die für das Unternehmens-Image förderlich sein mögen, aber nicht wirklich nachhaltig wirksam sind. Daher sollte sich die Denkweise von Unternehmerinnen und Unternehmern, von Führungskräften und Mitarbeitenden in Richtung des ganzheitlichen Ansatzes entwickeln.

Das Credo: Aus der Zukunft denken!

Denken Sie also von der Zukunft aus. Das macht Ihnen Mut, um die Herausforderungen im Hier und Jetzt anzugehen und zu meistern. Bitte nehmen Sie sich Zeit für Ihre Nachhaltigkeitsstrategie. Setzen Sie sich Ziele, die langfristig Wirkung entfalten können. Bleiben Sie nicht bei den sofort umsetzbaren Maßnahmen für die Reputation Ihres Unternehmens stecken.

Die folgenden Schritte können dabei helfen, eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategie auszuarbeiten:

  1. Stellen Sie sich Ihre Zukunft sowie die Zukunft aller Stakeholder in Ihrem Unternehmen vor.
  2. Von der Zukunft aus betrachtet: Fragen Sie sich, wie Sie dorthin gekommen sind und fördern Sie dadurch das „Positive Thinking“.
  3. Setzen Sie Maßnahmen innovativ, iterativ, kreativ und kollaborativ mit Ihrem Team um – etwa mithilfe des Design-Thinking-Ansatzes.

Zur Person

Esin Bozyazi vom Steinbeis Beratungszentrum

Esin Bozyazi

ist Professorin für Sustainable Entrepreneurship an der IU. Sie begleitet Unternehmen bei Fragen der Nachhaltigkeit am Steinbeis Beratungszentrum Geschäftsmodelle der Zukunft. Bozyazi ist Vice-Präsident des Instituts für Soziale Nachhaltigkeit e.V. und initiiert Crossover-Projekte mit gesellschaftlicher Relevanz. Zudem unterstützt sie die Veranstaltung NEXTPRENEURS, die sich am 6. und 7. Mai dem Thema Digital & Sustainable Entrepreneurship widmet

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17.01.2022
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