Leitz-Park in Wetzlar
23.08.2021    Madeline Sieland
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Manch ein Foto vergisst man nie. Das Foto des Matrosen zum Beispiel, der am „Victory over Japan Day“ 1945 auf dem New Yorker Times Square eine Krankenschwester küsst. Oder das Porträt des argentinischen Guerillaführers Che Guevara aus dem Jahr 1960. Oder das schockierende Bild der Kinder, die 1972 vor einem Napalm-Angriff in Vietnam flüchten. Es sind ikonische Fotos, die historische Momente eingefangen haben, die den Betrachter bis heute nicht unberührt lassen – und die allesamt mit Leica-Kameras gemacht wurden. 

Zu sehen sind diese und andere Motive in der Leica-Welt in Wetzlar. In der hessischen Stadt wurde einst die Fotografie revolutioniert. 1914 hat dort Oskar Barnack die erste erfolgreiche Kleinbildkamera erfunden und damit den Vorläufer der Leica geschaffen. 2014 führte Aufsichtsratschef Dr. Andreas Kaufmann das traditionsreiche Unternehmen zurück zu seinen Ursprüngen und baute in Wetzlar eine neue Firmenzentrale samt Erlebniswelt. Das Ziel: verschiedene Facetten der Fotografie erlebbar machen. Dabei soll ab Oktober auch das neu eröffnete Ernst Leitz Museum helfen.

Zur Person

Andreas Kaufmann, Aufsichtsratsvorsitzender von Leica

Dr. Andreas Kaufmann

ist Aufsichtsratsvorsitzender der Leica Camera AG. 2004 stieg er bei dem traditionsreichen Kamerahersteller ein. Und dessen Produkte dürfen in seinem Reisegepäck nicht fehlen. Die Leica X-U, die bis 15 Meter Tiefe wasserdicht ist, eine Leica M und eine SL samt Objektiven hat Kaufmann auf privaten Reisen dabei. Und warum? „Die Bilder sind eben anders“

Analogfotografie ist seit einiger Zeit wieder im Trend. Inwieweit merken Sie das an der Nachfrage Ihrer Kunden?

Andreas Kaufmann: Wir merken das sehr deutlich. Es ist noch nicht lange her, da haben wir darüber nachgedacht, die analoge M-Serie einzustellen. Davon haben wir noch 500 Stück pro Jahr produziert. Jetzt sind es plötzlich 1.500; die Wartezeit für eine neue M beträgt bis zu sechs ­Monate.

Woher kommt das plötzliche Interesse an der analogen Fotografie?

Kaufmann: Ein Digital Native, der zum ersten Mal einen Film entwickelt oder Fotopapier belichtet, hat häufig ein riesiges Aha-Erlebnis. Das gilt übrigens auch für Sofortbildkameras. Marktführer Fuji stellt davon mehr als sieben Millionen pro Jahr her. Wir kooperieren mit Fuji bei der „Leica Sofort“. Und auch Polaroid ist wieder dabei. Denken Sie an diesen Überraschungsmoment, wenn das Bild herauskommt. Es ist eben ein Erlebnis, wenn etwas Haptisches entsteht.

Sie sind 2004 bei Leica eingestiegen. Was war bisher Ihre größte Herausforderung, welcher Ihr größter Erfolg?

Kaufmann: Die größte Herausforderung war sicher die komplette Umwälzung der Branche. Leica stellt seit 1996 Digitalkameras her und befasst sich mit Software. Aber die Software von damals hat mit der von heute nichts mehr zu tun. Und da wird sich noch viel verändern. Deshalb haben wir im vergangenen Jahr in Seattle ein Lab gegründet, wo wir mit anderen Unternehmen an Softwarelösungen arbeiten. Und mein größter Erfolg: dass die Firma trotz vieler Rückschläge gut dasteht und wir 1.800 Mitarbeitende weltweit haben.

Sie kooperieren seit 2014 mit Huawei, Ihre Technologie findet sich in den Smartphones des Unternehmens.

Ur-Leica von 1914

Eine Legende: Oskar Barnack hat 1914 die Ur-Leica erfunden, die erste erfolgreiche Kleinbildkamera der Welt

Kaufmann: Das Smartphone ist die moderne Kompaktkamera. Diese haben wir seit den 1980er-Jahren hergestellt. Aber dieser Markt ist nahezu verschwunden. Das Smartphone bietet viele Möglichkeiten bei Aufnahme und Bearbeitung. Wir haben seit 2007 mit verschiedenen Herstellern über Kooperationen gesprochen und uns 2014 für Huawei entschieden. Das war damals eine aufstrebende Firma, die technologisch neue Wege gehen wollte. Das fanden wir spannend. Denn Leica ist nicht nur eine Ikone, sondern steht zugleich für Technologie und für Innovations­sprünge. Wir gehen davon aus, dass bildliche Kommunikation, das sogenannte Imaging, eine zunehmend größere Rolle spielen wird. Und dass die Grenzen zwischen Still und Video fließend werden. Bei allen Veränderungen wird aber ein Aspekt immer gleich bleiben: „capturing light, painting with light“ – je besser ich das Licht einfange, desto besser ist das Ergebnis.

Rund um das Thema Fotografie haben Sie in Wetzlar eine Erlebniswelt geschaffen. Im Oktober wird das Ernst Leitz Museum neu eröffnet. Was erwartet Besucher?

Kaufmann: Den Großteil des Museums haben wir den Grundbedingungen der Fotografie gewidmet. Was heißt eigentlich Schärfentiefe? Und was passiert, wenn ich die Blende schließe? Solche Dinge wollen wir erfahrbar machen. Und wir wollen aufzeigen, wie man über bestimmte Parameter die Bildqualität beeinflussen kann.

Wie wichtig war es Ihnen, 2014 nach Wetzlar – also an den Ort der Firmengründung – zurückzukehren?

Kaufmann: Theoretisch wäre es heute in der virtuellen Arbeitswelt für ein Unternehmen gar nicht mehr wichtig, irgendwo seinen Sitz zu haben. Aber ich glaube, bei einer weltweit angesehenen Marke wie Leica ist eine regionale Verankerung wichtig. Und was den Leitz-Park angeht: Dieser gilt unter Leica-Fotografen in der angelsächsischen Welt als „mothership of photography“. Denn wir machen Fotografie erlebbar und inszenieren diese nicht nur mit einem Fokus auf Leica.

23.08.2021    Madeline Sieland
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