der Digital Services Act soll den Verbraucherschutz online stärken
26.01.2022    Madeline Sieland
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Der Digital Services Act (DSA) hat es in sich: Im Gesetzestext geht es unter anderem um die Bekämpfung von Hasskriminalität in Foren und sozialen Netzwerken, um den Umgang der Digitalkonzerne mit Daten, um den Kampf gegen Produktfälschungen und Desinformation sowie um den Schutz der Privatsphäre der User. Das Ziel des Gesetzes: Regeln für eine sichere und vertrauenswürdige Online-Welt schaffen.

Der DSA ist Teil eines Reformpakets der EU-Kommission zur Eindämmung der Marktmacht großer Tech-Konzerne. Dazu gehört auch der Digital Markets Act, über den das Europäische Parlament bereits im Dezember 2021 abgestimmt hat. Dieses Gesetz soll wettbewerbsschädliches Verhalten von Konzernen wie beispielsweise Google, Amazon, Apple und Facebook unterbinden.

Der Digital Services Act als Grundgesetz fürs Internet

„Der DSA wird einen EU-weit einheitlichen Rechtsrahmen schaffen und das Digital Business auf viele Jahre prägen. Er wird auch Auswirkungen auf den Datenschutz und insbesondere die Transparenzanforderungen an personalisierte Werbung auf sehr großen Online-Plattformen haben“, sagt Florian Dietrich, Fachanwalt für Informationstechnologierecht und Partner bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland.

Der für den Gesetzesentwurf zuständige Binnenmarktkommissar Thierry Breton freute sich nach der Entscheidung des Europäischen Parlaments darüber, „dass die EU mit dem Beschluss einen historischen Schritt geht, um den Wilden Westen zu beenden, der unseren Informationsraum dominiert“. Vielfach ist daher im Zusammenhang mit dem DSA vom „ersten Grundgesetz für das Internet“ die Rede.

Das steht im neuen Internet-Gesetz

In der Praxis bedeuten die Regelungen im Digital Services Act unter anderem folgendes:

  • Behörden sollen Unternehmen künftig ohne Richtervorbehalt grenzüberschreitend Anordnungen schicken können, um gegen illegale Aktivitäten auf Plattformen vorgehen zu können. Dazu gehören unter anderem strafbare Hasskommentare, Morddrohungen, Aufrufe zum Umsturz, Drogenverkäufe, Waffenhandel, Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs und die unautorisierte Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke.
  • Plattformbetreiber müssen illegale Aktivitäten „ohne unangemessene Verzögerung“ sperren und bei schweren Verstößen an die Polizei melden.
  • Unternehmen müssen die Funktionsweise von Algorithmen transparent machen, die hinter Empfehlungssystemen zum Beispiel in News-Feeds stehen. Sehr große Netzwerke sollen zudem alternative Empfehlungssysteme anbieten, die nicht auf dem Profiling von Usern basieren.
  • Besonders sensible persönliche Daten zu Herkunft, Gesundheit und sexueller oder politischer Orientierung dürfen nicht mehr zur Individualisierung von Werbung genutzt werden.
  • Personalisierte Werbung bei Minderjährigen auszuspielen soll grundsätzlich untersagt werden.
  • Cookies zum Tracking auf einer Plattform abzulehnen darf nicht mehr schwieriger oder zeitaufwendiger sein als eine Zustimmung zum Tracking. Zudem dürfen Anbieter die von ihnen bevorzugte Option – sprich: den Button zur Einwilligung – nicht mehr besonders hervorheben.
  • Es soll zudem eine Art Recht auf Anonymität geben. Anbieter müssen „angemessene Anstrengungen“ unternehmen, um eine anonyme Nutzung und Bezahlung von Diensten zuzulassen.

„Die gute Nachricht für Online-Unternehmen ist, dass der DSA an den bisherigen Haftungsprivilegien nicht grundlegend rütteln wird. Das bedeutet für Betreiber von Plattformen, dass sie für illegale und ihnen nicht bekannte Inhalte auch weiter grundsätzlich nicht haften, solange sie keine Kenntnis von den unzulässigen Inhalten haben“, sagt Dietrich.

Wen betrifft der Digital Services Act?

Die Vorgaben des Digital Services Acts gelten grundsätzlich für alle, die Online-Dienste im europäischen Binnenmarkt anbieten. Dazu zählen unter anderem Internetanbieter, Cloud- und Webhosting-Dienstleister, Registrierungsstellen für Domains, soziale Netzwerke, App-Stores und Online-Marktplätze.

Wo ein Unternehmen seinen Sitz hat, spielt dabei keine Rolle. Grundsätzlich soll aber gelten: Je größer die Plattform und je höher ihre Reichweite, desto strenger die Regeln. Und: Wer sich nicht an die Regeln hält, muss mit empfindlichen Strafen rechnen.

„Die Verfolgung von Verstößen erfolgt sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene. Sehr große Online-Plattformen können bei Verstößen durch die Kommission zur Kasse gebeten werden. Sowohl hohe Geldbußen als auch Zwangsgelder sind im Sanktionskatalog des DSA vorgesehen“, sagt IT-Rechtsexperte Dietrich.

Kritik am Digital Services Act aus der Praxis

Derzeit ist unklar, wann der DSA in Kraft tritt. Angepeilt ist 2023. Aber der sogenannte Trilog steht noch aus. Das ist der Prozess, in dem die drei großen europäischen Institutionen – Parlament, Kommission und Rat – ein finales Gesetz erarbeiten. Und hört man auf die Stimmen aus der Praxis, sollte dabei punktuell noch nachgeschärft werden.

„Es ist gut und richtig, dass der Digital Services Act die mehr als 20 Jahre alte E-Commerce-Richtlinie ersetzen wird, um Verbraucherinnen und Verbraucher künftig besser vor illegalen oder gefährlichen Inhalten im Netz zu schützen“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder.

Doch vollends überzeugt ist Rohleder vom Gesetzesentwurf noch nicht: „Für Diensteanbieter und Plattformen ist ein funktionierender Rechtsrahmen, der klare Regeln setzt und der Plattformökonomie dabei weiterhin Entfaltungsspielraum für Innovationen lässt, extrem wichtig. Wir brauchen aber einen differenzierten Ansatz, der die Vielfalt an Inhalten und Diensten berücksichtigt.“ Was er sich vom Trilog wünscht? Dass es gelingt, die Balance zwischen einem starken Verbraucherschutz durch umfassende Verpflichtungen der Plattformen einerseits und der Förderung europäischer Unternehmen und Start-ups durch einen verhältnismäßigen Rechtsrahmen andererseits zu wahren.

Verfolgt der Gesetzgeber mit dem DSA die richtigen Ziele?

Thomas Duhr, Vizepräsident des Bundesverbands Digitale Wirtschaft, sieht das Vorhaben in seiner jetzigen Form sogar sehr kritisch: „Der Digital Services Act ist das Auffangbecken für ausnahmslos alle digitalen Regulierungsprojekte geworden, die manche Abgeordnete seit Jahren mit unterschiedlichem Erfolg beschäftigen.“ Die ursprüngliche Zielsetzung der Verordnung – Transparenz- sowie Sorgfaltspflichten zu schärfen – gehe dadurch unter. Stattdessen entstünden nun Rechtsunsicherheiten im Bereich Daten- und Privatsphärenschutz.

Und Christian Köhler, Hauptgeschäftsführer des Markenverbandes, begrüßt es zwar, dass Verbraucherinnen und Verbraucher künftig leichter die Identität von Händlern auf Online-Plattformen überprüfen können. Doch insgesamt gehen ihm die Regelungen zum Verbraucherschutz noch nicht weit genug. „So kann der DSA die Verbraucher und Hersteller nicht wirksam vor den kriminellen Machenschaften von Fälschungsverkäufern schützen“, so Köhler. „Nach der Abstimmung des Europaparlamentes besteht aus unserer Sicht also auch weiterhin Nachbesserungsbedarf.“

26.01.2022    Madeline Sieland
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