Prozessoptimierung digital
19.05.2020    Miriam Rönnau
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  • Jens Meier, CEO der Hamburg Port Authority und
  • Alexander Schneekloth, CEO & Gründer von CAYA.

Grenzen und Fabriken sind geschlossen, Lieferketten unterbrochen: Wo steht der Hamburger Hafen aktuell?

„Der Hamburger Hafen läuft“, sagt Jens Meier. Doch gelte es, die Bereiche zu differenzieren. Die Be- und Endladung der Schiffe, insbesondere für die Warenströme von und nach China, sei zurückgegangen – allerdings nicht so drastisch, wie vielfach vermutet. Das die USA betreffende Transportaufkommen verzeichnete zu Jahresbeginn sogar starke Zuwächse. „Doch die Zahlen beziehen sich auf das erste Quartal, also einen Zeitraum, in dem es nur zwei Wochen Corona gab“, so Meier. „In Asien hingegen wurde die Produktion viel eher zurückgefahren, denn dort begann die Krise bereits im Februar.“

Allerdings ist Schiffsverkehr nicht gleich Schiffsverkehr. Meier: „Wir beobachten, dass der Bedarf an Baustoffen gestiegen ist, der Container- und Hinterlandverkehr stabil blieb oder zum Teil sogar etwas zunahm. Anders sieht es beim Transit aus. Die Schiff-zu-Schiff-Verladung in Richtung Skandinavien etwa verzeichnete einen Rückgang von 20 Prozent.“

Dafür ist im Hintergrund für die Hafenmanager einiges zu tun. „Wir beschäftigen uns im Bereich Kreuzfahrt gerade intensiv mit den Crew-Mitgliedern, die zurück in ihre Heimatländer reisen müssen. Das wird sicher noch einige Wochen dauern“, sagt Meier.

Es bleibt spannend, wie es in den nächsten Wochen und Monaten weitergeht. Dann erst zeigen sich die tatsächlichen Auswirkungen von Corona auf den Hamburger Hafen. „Aktuell bleibt festzuhalten: Wüsste man nichts von Corona, ließen sich die leichten Rückgänge auch durch eine Konjunkturwelle erklären“, so Meier.

Viele betrachten Corona als „Digitalisierungsboost“. Stimmen Sie dem zu?

„Corona war ein Stresstest für die Digitalisierung und ich meine, diesen Test haben wir bestanden“, sagt Meier. Gemeinsam mit ihren Partnern hat es die Hamburg Port Authority geschafft, alle Logistikströme – also Straße, Schiene und Wasserstraße – während der Krise zu bedienen. „Wer eine solche Flexibilität besitzt und diese auch digital abbilden kann, ist in einer derartigen Krise gut aufgestellt.“ Die große Vision lautet daher: alle Verkehrswege miteinander zu verbinden und nicht nur einzelne Lieferketten zu digitalisieren.

Meier betont: „Wir haben nie aufgehört, nach Innovationen zu forschen.“ Ein Beispiel: Trotz der Krise hat die Hamburg Port Authority weiter am Thema Drohnen gearbeitet. Dabei ging es vor allem darum, die Drohne regulatorisch in Deutschland einzuführen, damit diese etwa von einem Rettungshubschrauber erkannt wird oder der Drohnenverkehr mit der Luftfahrtbehörde abgestimmt werden kann.

Doch Meier liegt bei der Digitalisierung vor allem ein Thema am Herzen: Stichwort Digital Trust. Damit solche Technologien überhaupt angenommen werden, müsste man den Leuten die Angst nehmen. Und diese sei etwa bei der Corona-App deutlich zu spüren. Dabei wäre, laut Meier, die Lösung relativ einfach: „Es müssten andere Begrifflichkeiten in den Fokus rücken. Anstelle von Digitalisierung sollte man lieber von ‘Gestaltung der Zukunft‘ sprechen.“

Die Hamburg Port Authority gehört zu den größten Arbeitgebern Norddeutschlands. Doch wie ist es um den Mittelstand bestellt? Ist auch bei ihm eine Digitalisierungswelle spürbar?

„Wir beobachten zwei Bewegungen: Im Mittelstand steigt die Bereitschaft, sich mit dem Thema Digitalisierung auseinanderzusetzen. Und die Krise gibt Anlass, sich zukunftsgerechter aufzustellen und danach möglichst schnell effizient zu arbeiten“, sagt Alexander Schneekloth, CEO und Gründer von CAYA, einem Digitalisierungsdienstleister.

Viele Mitarbeiter befinden oder befanden sich in der Krise im Homeoffice. Aber wer kümmert sich währenddessen um die Geschäftspost aus Papier? „CAYA arbeitet mit der Deutschen Post zusammen. Analoge Geschäftspost wird uns geliefert, wir digitalisieren sie automatisch und schicken sie dann an die Kunden“, sagt Schneekloth. Und das ist nur ein Einstieg in die Transformation: „Darauf aufbauend können Mittelständler auch andere Prozesse, etwa ihre Buchhaltung, weiter digitalisieren.“

Welche Learnings bringt die Krise?

„Wir sollten die Krise nutzen, um die Digitalisierung voranzubringen und uns dadurch künftig stärker zu positionieren“, sagt Schneekloth.

„Ich würde mich sehr freuen, wenn die Akteure gemeinsam versuchen, dass Gesamtsystem zum Laufen zu bringen und nicht jeder nur individuell digitalisiert. Das heißt, zu netzwerken oder Daten auszutauschen“, sagt Meier.Aus seiner Sicht sei eines klar: es gibt Faktoren, und das hat die Krise gezeigt, die nicht vorhersehbar sind und sich nicht ändern lassen. Aber: „Auch wenn man externe Einflüsse nicht verändern kann, kann man Systeme gut aufstellen und die Krise als Chance nutzen, seine eigenen Schwachstellen auszubessern.“

19.05.2020    Miriam Rönnau
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