Ein Mann lehnt an einem BMW und tippt auf seinem Smartphone etwas ein.
18.10.2022    Christian Schlieker
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Die Automobilindustrie befindet sich in einer beispiellosen Transformationsphase. Gleichzeitig ermöglichen E-Mobilität und Digitalisierung neue Geschäftsmodelle und bieten damit auch neue Chancen für Marketing und Vertrieb. Dr. Jens Thiemer, Senior Vice President Customer & Brand BMW, richtet die Marke in dieser bewegten Zeit auf die Zukunft aus. Er ist überzeugt: Phygital ist der Garant für eine einzigartige Customer-Experience.

Zur Person

Porträt von Dr. Jens Thiemer

Dr. Jens Thiemer

Seit Januar 2019 ist der Betriebswirt Senior Vice President Customer & Brand BMW

Wie können Autohersteller Kundinnen und Kunden in Zukunft begeistern?

Jens Thiemer: Durch Emotionen und Erlebnisse. Eine Marke besteht heute nicht mehr nur aus ihren Produkten, sondern schafft vielmehr einen Erlebnisraum, in dem sich Kundinnen und Kunden bewegen. Automobilhersteller sind zu Mobilitätsmarken mit einem eigenen Ökosystem geworden. Und so geht es vielmehr darum: Wie lässt mich eine Marke fühlen? Welche Erinnerungen verbinde ich mit ihr? Da helfen uns neue Technologien wie etwa das Metaverse enorm. Darüber hinaus ist es wichtig, die Kundeninteraktion so einfach und bedarfsgerecht wie möglich zu gestalten. So kann ich über die „My BMW App“ nicht nur meinen BMW kaufen, sondern Servicetermine buchen, Ladepunkte finden, Spiele spielen und vieles mehr.

Trotz voranschreitender Digitalisierung: Das Auto ist ein emotionales Produkt. Welche Rolle spielt die physische Produkterfahrung – heute und in Zukunft?

Thiemer: Wir sehen, dass das physische Produkterlebnis für unsere Kundinnen und Kunden nach wie vor sehr wichtig ist. Haptik, Geruch, Materialien – alles zusammen führt zur Kaufentscheidung. Deshalb ist die Probefahrt ein zentraler Bestandteil der Customer-Journey und eines unserer strategischen Fokusfelder. Die Digitalisierung hilft uns, den Buchungsprozess so reibungslos wie möglich zu gestalten und die Vorfreude auf das Fahrerlebnis zu maximieren. Aber am Ende ist es dieser eine Moment, wenn man das Fahrzeug sieht, einsteigt und losfährt, der die stärksten Emotionen auslöst und entscheidend zum Kauf beiträgt. Diese Beidhändigkeit aus online und offline ist die perfekte Mischung.

Bis 2025 möchte die BMW Group ein Viertel des Absatzes online erzielen. Was heißt das für Autohäuser?

Thiemer: Das physische Produkterlebnis und die menschliche Interaktion bleiben elementare Bestandteile in der Customer-Journey. Daher wird der physische Handel weiter eine große Rolle für uns spielen. Unser Händlernetzwerk ist einmalig; es ist der wichtigste Kontaktpunkt zu unseren Kundinnen und Kunden. Durch die Digitalisierung werden neue Prozesse und Rollen geschaffen, die unsere Handelspartner fit für die Zukunft machen. Wir nehmen das Beste aus beiden Welten und kreieren dadurch eine einzigartige Customer-Experience. Unser Weg ist phygital. Ein gutes Beispiel hierfür ist unser Servicemodell „Proactive Care“. Dabei erkennen wir durch Fahrzeugdaten ein Problem, bevor es tatsächlich zu einer Panne kommt, und können die Fahrerin oder den Fahrer proaktiv in einen unserer Handelsbetriebe holen. „Tech magic“ und „human centric“ wachsen zusammen.

Mit der „BMW ID“ ermöglicht BMW seinen Kundinnen und Kunden Zugang zu digitalen Diensten. Welche Entwicklungspotenziale sehen Sie für das Marketing?

Thiemer: Wir sehen hier das Potenzial, den individuellen Bedürfnissen unserer Kundinnen und Kunden gerecht zu werden. Durch die Nutzung der „BMW ID“ lernen wir kontinuierlich mehr über Fahrzeuggebrauch und Fahrereigenschaften und können individuelle, passende Produkte und Services vorschlagen. Unsere ConnectedDrive Upgrades sind Features, die nach dem Kauf des Fahrzeugs für eine gewisse zeitliche Periode und eine monatliche Zahlung freigeschaltet werden können. Wenn Sie also beispielsweise im Winter die Lenkradheizung aktivieren möchten, diese im Sommer aber nicht brauchen, können Sie dies damit tun, zahlen aber nur für die Nutzungsphase. Außerdem ermöglichen uns Partnerschaften mit digitalen Diensten wie Spotify oder Amazon viele Entertainment-Optionen für alle Insassen eines Fahrzeuges.

Kürzlich hat BMW in Kooperation mit Sixt eine neue App vorgestellt: die „BMW Add-On Mobility“-App. Worin unterscheidet sie sich von anderen Diensten?

Thiemer: Mit der App erhalten Nutzer zu jedem Zeitpunkt einen priorisierten Zugang zu passenden BMW- und MINI-Fahrzeugen innerhalb der Sixt-Flotte sowie attraktive Zusatzservices. Ein Cabrio für den Städtetrip, Allradantrieb für die Berge: Damit schaffen wir – sowohl für den Alltag als auch im Urlaub – die perfekte Ergänzung zum eigenen Fahrzeug. An ausgewählten Stationen von Sixt kann der Mietwagen zudem über die App gemietet und abgeholt werden. Die App zielt insbesondere auf die Premiumansprüche von BMW- und MINI-Kundinnen und -Kunden bei der Autovermietung – für noch mehr Freude am Fahren.

Wie sieht die Interaktion zwischen Fahrerin oder Fahrer und Fahrzeug in Zukunft aus, und welche Potenziale für die Wertschöpfung ergeben sich?

Thiemer: Die Mensch-Maschine-Interaktion wird eine immer größere Rolle spielen. So kann das Fahrzeug zu einem echten emotionalen Mehrwert werden, indem es gefahrene Routen, dabei gehörte Songs und eingefangene Informationen speichert und zu einem späteren Zeitpunkt wieder abrufen kann. Das stärkt die Beziehung zwischen Produkt und Kunde und erhöht die Wechselbarriere enorm. Unser Anspruch ist, dass wir das volle Potenzial der uns zur Verfügung stehenden Technologien nutzen, um die Fahrerin oder den Fahrer mit digitalen Erlebnissen zu überraschen und zu begeistern. Und wir stellen sie oder ihn in den Mittelpunkt unseres Handelns. Alles ist auf das individuelle Kundenerlebnis ausgerichtet.

18.10.2022    Christian Schlieker
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