Megafon mit jungen Menschen, die auf dem Schriftzug Recruiting 4.0 sitzen. Comicartige Darestellung.
16.06.2021    Mark Simon Wolf
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Welches Rüstzeug braucht es im War for Talent? Mit dieser Frage beschäftigt sich Manuel Huhmann, CEO der Per­sonal­beratung BrainTalents, täglich. In erster Linie sei es wichtig, konkrete Strategien zu entwickeln, um die eigene Marke „omnipräsent am Arbeitsmarkt zu posi­tionieren“ und Talenten ein „Alleinstellungsmerkmal“ präsentieren zu können, so der Recrutingexperte für Talente mit Digitalhintergrund. „Wir merken schon sehr häufig, wie intensiv der Kampf um die jüngere Generation mit entsprechenden Digitalfähigkeiten ist.“ Gerade in der Pandemie.

Und wer siegt in dem Wettstreit? Nicht immer, wer am besten zahlt, sondern auch, wer sich am besten positioniert. Employer-Branding lautet das Stichwort. Und zwar für alle. Denn um die digitalen Talente wetteifern beileibe nicht nur die Unternehmen der New Economy, sondern gerade auch klassische Industrien und Traditionshäuser, die sich in der Transformation befinden. Die Herausforderung für Arbeitgeber bestehe aber darin, so Huhmann, den sich ändernden Ansprüchen der Generationen gerecht zu werden. Talente aus der Generation Z etwa legten „eher den Fokus auf den Spaß an der Tätigkeit, Teamorientierung und wenig hierarchische Strukturen“. Zudem setzen sich diese jungen Menschen viel intensiver mit der Frage des sozialen Mehrwerts eines Arbeitgebers auseinander sowie dessen Unternehmenszweck, sprich dem Purpose.

Am DUP Digital Business Talk nahmen teil:

  • Manuel Huhmann, Gründer und CEO, BrainTalents
  • Kai Gniffke, Intendant, SWR
  • Marie Friedrich, Vice President People Experience, Staffbase

Moderation: Thomas Eilrich, Chefredakteur, DUP UNTERNEHMER

Purpose als Trumpf im „War for Talent“

„Den Wettbewerb zwischen Unternehmen werden wir nur bestehen, wenn wir herausstellen können, was uns besonders macht“, sagt Kai Gniffke, Intendant des Südwestrundfunks. „Aber wir brauchen gute Leute; sonst werden wir unsere gesellschaftliche Rolle nicht erfüllen können.“ Denn den Purpose muss sich der SWR nicht erst verordnen. Der ist ihm im Rahmen des Rundfunkstaatsvertrags quasi in die Wiege gelegt. In der Theorie wissen also begehrte Talente bereits, dass der SWR mit seinen medialen Angeboten einen demokratischen, sozialen und kulturellen Bildungsauftrag hat. Doch diese Basis müsse auch wahrgenommen werden, so Gniffke. „Teilweise sind öffentlich-rechtliche Anbieter gerade den kreativen Jungen nicht mehr so präsent wie noch anderen Generationen.“ Und: (Guten) Worten müssten in jedem Fall auch Taten folgen, so der Intendant. Unternehmen sollten ihren Purpose nicht nur anhand von Zugeständnissen in der Stellenausschreibung darlegen. Vielmehr, so Gniffke, müssten Nachhaltigkeit, Vielfalt und Gleichstellung „auch vom CEO gelebt und glaubwürdig nach außen vertreten werden“. 

Erlebnis Arbeit

Außenwirkung allein aber ist noch nicht kriegsentscheidend. Analog zur Customer-Experience gilt es auch, (potenziellen) Mitarbeitenden ein Erlebnis zu bescheren. Zumindest spricht man beim digitalen Kommunikationsdienstleister Staffbase von „People-Experience“ statt vom Management des Humankapitals. Der Mensch im Zentrum – eine klar auf die Digital Natives ausgerichtete Positionierung. Für das Erlebnis ist bei Staffbase eine ganze Abteilung zuständig. „Wer sich wohlfühlt, ist leistungsfähig“, sagt Marie Friedrich, Vice President People-Experience. „Eine umfassende Kommunikation, darunter besonders das Zuhören, ist sehr wichtig, um neuen, aber auch etablierten Beschäftigten ein bestmögliches Arbeitsumfeld zu schaffen.“ 

So begleitet ihre Abteilung auch jede Stufe des Einstellungsprozesses – vom ersten Kennenlernen über die Vertragsunterschrift bis zum Onboarding. Friedrich nennt die Philosophie „People first“. Bei sogenannten Onside-Bootcamps bekommen Bewerberinnen und Bewerber zudem die Chance, für einige Tage den Alltag des Unternehmens kennenzulernen. Dieser Test des „cultural and social fit“ funktionierte laut Friedrich übrigens auch remote mithilfe von Online-Tools. Nach dem Bootcamp hätten dann auch diejenigen, die am meisten Zeit mit dem Talent verbracht haben, ein Stimmrecht. „Wenn ein Teammitglied große Bedenken hat, dann nehmen wir das sehr ernst und sagen der Kandidatin oder dem Kandidaten ab“, so Friedrich. Harter Kampf um Talente hin oder her, das Binnenklima sei ebenso wichtig. Es gelte genauso, die Talente, die sich bereits in den eigenen Reihen befinden, langfristig zu binden.

Mut zur Veränderung

Von den Dos zu den Don’ts: Was sind also die offenen Flanken im War for Talent? „An Unternehmen, die Remote Work nicht ermöglichen und zum Beispiel ihren Standort in ländlichen Regionen haben, lassen sich digitale Fachkräfte nur schwer vermitteln“, so Huhmann. Lernfähigkeit müssen also auch (potenzielle) Arbeitgeber an den Tag legen. Wie der SWR. 

„Hätte vor zwei Jahren jemand zu mir gesagt, dass er oder sie eine Führungsposition einnehmen, aber die Hälfte seiner Zeit in Berlin bleiben will, hätte ich es nicht geglaubt“, so Gniffke. „Heute weiß ich, es geht.“ Das öffentlich-rechtliche Medienhaus hat sich einen Wandel verordnet. Ein Prozess, der wichtig ist, denn es geht nicht nur um das Gewinnen neuer Talente, sondern auch um das Wecken schlummernden Potenzials im eigenen Haus.

Gerade dieser Aspekt findet für Huhmann in der schnelllebigen Praxis häufig zu wenig Berücksichtigung: „Oftmals wird beispielsweise Mitarbeitenden ab 50 gar keine Chance geboten, sich umzuschulen oder eine Fort- und Weiterbildung zu absolvieren.“ In dieser Hinsicht seien viele Unternehmen zu sehr auf junge Talente fokussiert und würden zu branchenspezifisch denken. Offenheit ist angesagt. Das weiß auch Friedrich: Gebrochene, nicht lineare Lebensläufe finden ihre Akzeptanz – gerade auch in der Digitalwirtschaft. 

Beim SWR waren Angestellte ohne Studienabschluss lange undenkbar. Für Gniffke war dies nicht mehr zeitgemäß: „Die Leute, die wir gern haben wollten, haben sich nicht bei uns beworben. Und jene, die wir nicht haben wollten, taten es. Daher mussten wir etwas verändern.“ Als einen ersten Schritt beförderte er ein Umdenken in puncto Qualifikation. Heißt: Nicht immer entscheiden Abschlüsse, sondern besondere (digitale) Fähigkeiten. Auch bei der Förderung von Diversity will Gniffke hausintern notfalls Dampf machen. 

Der Mensch im Mittelpunkt, die Bereitschaft zur Veränderung sowie ein hohes Maß an Empathie gepaart mit einem glaubwürdigen Purpose – mit diesen Pfeilen im Köcher können Unternehmen im War for Talent erfolgreich Position beziehen.

16.06.2021    Mark Simon Wolf
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