integratives Employer-Branding sorgt für mehr Vielfalt im Unternehmen
01.03.2023    Madeline Sieland
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Wer sich nicht von der Karriere-Website eines Unternehmens angesprochen fühlt, bewirbt sich dort auch nicht. Und Aufmerksamkeit ziehen zuallererst Fotos und andere grafische Elemente auf sich.

Die Agentur Mashup Communications hat die Karriere-Websites der Dax-Konzerne in Hinblick auf visuelle Inklusion untersucht. Positiv aufgefallen sind dabei vor allem Adidas, RWE, Daimler und die Deutsche Post.

Die zentralen Ergebnisse der Analyse:

  • Weniger als ein Prozent der rund 3.940 Bilder auf den Karriereseiten zeigen Menschen mit Handicap. Konkret waren auf nur 34 Bildern Personen mit einer sichtbaren Beeinträchtigung zu sehen.
  • Die Rolle einer Führungskraft mit Behinderung greift keines der Unternehmen visuell auf.
  • Zwar benennen 25 der 40 Dax-Unternehmen Inklusion als zentralen Wert, doch nur 13 zeigen das auch visuell.

Das Fazit der Untersuchung fällt entsprechend aus: Die Bildwelten auf den Karriereseiten zeigen wenig Offenheit und Authentizität in puncto Inklusion. Und wenn Handicaps thematisiert wurden, dann war das gängigste Motiv der Rollstuhl – er war auf 90 Prozent der Bilder zu sehen.

Wie eine Website inklusiv gestaltet werden kann

„Um neue Talente auf das eigene Unternehmen aufmerksam zu machen, sollten Geschäftsführung und Personalabteilung aufgeschlossen und rücksichtsvoll gegenüber Minderheiten sein“, sagt Nora Feist, CEO von Mashup Communications. „Einer integrativen Unternehmenskultur nützt eine empathische, authentische Einstellung und das motiviert bisher unentdeckte Talente. Das muss unbedingt sofort ins Auge stechen.“

Feist empfiehlt daher, bei der Gestaltung der Karriere-Website auf fünf Dinge zu achten:

1. Authentizität vermitteln

Eine Karriereseite lebt von authentischen Geschichten aus dem Firmenalltag, um Talenten einen realitätsnahen Blick hinter die Kulissen zu gewähren – etwa, indem echte Mitarbeitende zu Wort kommen.

2. Keine klischeehaften Stock-Fotos nutzen

Bilder sollten bestenfalls reale Menschen zeigen, die auch tatsächlich im Unternehmen tätig sind. Ist das nicht möglich und finden sich keine anderen grafischen Elemente, gilt es darauf zu achten, Personen mit Handicap nicht von oben herab zu zeigen; die Beeinträchtigung sollte nicht zu sehr im Fokus stehen. So bietet beispielsweise die Plattform Gesellschaftsbilder Motive, bei denen das Handicap vielfach erst auf den zweiten Blick erkennbar ist.

3. Ziele ehrlich kommunizieren

Wenn es in einer Firma noch keine Mitarbeitenden mit Beeinträchtigung gibt, das aber angestrebt wird, sollte auch dieses Ziel offen kommuniziert werden. Das zeigt, dass im Unternehmen Platz für Menschen mit einer Behinderung geschaffen wird und dass diese Personen willkommen sind. Das senkt die Hürde, sich zu bewerben.

4. Die technische Barrierefreiheit nicht vergessen

Die schönste Karriereseite bringt nichts, wenn sich Menschen mit einer Behinderung diese nicht erschließen können. Barrierefreiheit ist also ein Muss. So vermitteln beispielsweise Bildbeschreibungen und Alternativtexte sehbehinderten Bewerberinnen und Bewerbern eine Vorstellung der visuellen Inhalte. Und eine einfache Sprache und simple Navigation machen die Seite tatsächlich für alle Talente zugänglich – nicht nur für Personen mit körperlichem Handicap.

5. Inklusion zu einem Teil der Unternehmens-DNA machen

Es bringt nichts, in blumigen Worten zu beschreiben, dass im Unternehmen Inklusion gelebt wird, wenn das nicht der Realität entspricht. Geschäftsführung und Personalverantwortliche sollten also sicherstellen, dass ihre Beschäftigten aufgeschlossen und rücksichtsvoll gegenüber Minderheiten sind. „Ein gemeinsam aufgesetztes Manifest oder Wertesystem, das von allen Mitarbeitenden getragen wird und zu dem sich jede und jeder verpflichtet, ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einer inklusiven Unternehmenskultur“, sagt Feist.

In der Theorie soll Vielfalt gefördert werden

Laut einer Studie von SD Worx, einem Spezialisten für HR- und Payroll-Lösungen, setzt sich die Mehrheit der deutschen Unternehmen für mehr Vielfalt im Einstellungsprozess ein: Knapp 58 Prozent bekennen sich zu einer neutralen Einstellungspolitik. Und 54 Prozent der Befragten wollen eine gleichberechtige und integrative Unternehmenskultur schaffen.

Die SD-Worx-Umfrage zeigt zudem: Firmen, die sich aktiv mit Vielfalt auseinandersetzen, fällt es leichter, Mitarbeitende zu gewinnen und langfristig zu binden sowie Motivation und Produktivität hochzuhalten.

„Die Generation Z und die Generation Alpha wachsen in einem Umfeld auf, das stark von Inklusion und Geschlechtsneutralität geprägt ist – einem Thema, dem einst viel weniger Beachtung geschenkt wurde“, sagt Tanja Büchsenschütz, Director HR bei SD Worx. „Diese aufgeschlossene Grundeinstellung wird sich im Laufe der nächsten Jahre auch auf die Art und Weise auswirken, wie Unternehmen neue Mitarbeitende einstellen werden. Neben einem attraktiven Einkommen und einer gesunden Work-Life-Balance ist es für Arbeitnehmende daher entscheidend, wie sich Unternehmen im aktuellen Zeitgeist positionieren und aufstellen.“

In der Praxis scheitert Inklusion an der Beschäftigungsbereitschaft

Doch noch sieht die Realität – allen Bekenntnissen zum Trotz – leider anders aus. So zeigt das „Inklusionsbarometer Arbeit“ der Aktion Mensch und des Handelsblatt Research Institutes, dass der Fortschritt der Inklusion auf dem Arbeitsmarkt insbesondere an der Beschäftigungsbereitschaft der Unternehmen scheitert.

Etwa 173.000 Firmen mit mehr als 20 Beschäftigten hierzulande sind gesetzlich dazu verpflichtet, mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze an Menschen mit Behinderung zu vergeben. Doch lediglich 40 Prozent dieser Unternehmen besetzen alle Pflichtarbeitsplätze. 26 Prozent beschäftigen gar keine Angestellten mit Handicap und zahlen stattdessen die Ausgleichsabgabe in voller Höhe.

„Trotz zunehmender Personalengpässe ignorieren viele das Potenzial von Arbeitnehmenden mit Behinderung“, sagt Professor Bert Rürup, Präsident des Handelsblatt Research Institutes. Dabei sind die Erfahrungen, die in Unternehmen gemacht werden, die Menschen mit Handicap beschäftigen, durchaus positiv: 80 Prozent der Befragten nehmen keine Leistungsunterschiede zwischen Kolleginnen und Kollegen mit und ohne Behinderung wahr.

01.03.2023    Madeline Sieland
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