Holzhaus umrandet von Zollstock
30.09.2020    Miriam Rönnau
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Eigentlich läuft es bei Hagebau. Geradezu symbolhaft sind die Bilder aus dem Frühjahr mit langen Schlangen von Menschen vor den Märkten. Doch sind dies nur Momentaufnahmen, wie Jan Buck-Emden, der CEO von Hagebau, weiß. Die Wintersaison kann schon wieder ganz anders aussehen. Um für die Zukunft gerüstet zu sein, müssen sich Baustoffhandel und Baumarkt vielmehr grundsätzlich neu aufstellen. So startete Buck-Emden vor drei Jahren eine Digitalisierungsoffensive mit externen Dienstleistern – und scheiterte. Woran es haperte? Das Unternehmen war noch nicht so weit. Es brauchte eine neue Kultur, neue Impulse – eine Mischung aus Willen und Tatkraft. So kann Wandel heute Dynamik erzeugen.

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Zur Person

Jan Buck-Emden

Der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann ist seit Februar 2017 Sprecher der Geschäftsführung sowie Geschäftsführer Vertrieb von Hagebau

Baumärkte waren und sind auch in Zeiten von Corona gern besucht. Würden Sie sich insgesamt als Gewinner der Krise bezeichnen?

Jan Buck-Emden: Wenn Menschen nicht verreisen, Restaurants besuchen oder andere Freizeitaktivitäten in Anspruch nehmen können, dann verschönern sie Haus und Garten. Das merken wir auch bei den Besucherfrequenzen in unseren Märkten und beim Umsatz. Aber im März und April war es eine schwierige Zeit, da niemand wusste, wie es weitergeht. Während der Gartensaison wussten wir nicht, was wir etwa mit den Pflanzen machen sollen, die schon auf dem Weg zu uns waren. Letztlich wurde viel Ware vernichtet, weil nichts verkauft werden konnte. Trotz des derzeit hohen Zulaufs würde ich uns aber nicht als Gewinner bezeichnen. Denn was man nicht vergessen darf: Menschen, die einmal ein Produkt gekauft haben, kaufen es nicht gleich wieder. Es ist es nicht auszuschließen, dass es im zweiten Halbjahr zu einer spürbar rückläufigen Nachfrage kommt.

Wie sind Sie mit der schwierigen Zeit umgegangen?

Buck-Emden: Wir mussten mit der fast schon absurden Vielfalt an Regelungen lernen umzugehen, hatten mit Schließungen zu kämpfen und standen täglich im Austausch mit unseren Gesellschaftern, um das Schlimmste abzuwenden. Insgesamt haben unsere Unternehmer vor Ort mit viel Verantwortung und Organisationsgeschick die extreme Situation meistern können.

Hagebau ist ein Verband von rund 300 Franchisenehmern. Wie bekommt man da Einheitlichkeit in die Informationspolitik?

Buck-Emden: Das Feld der selbstständigen Unternehmer ist sehr heterogen – von kleinen bis ganz großen. Da hat jeder andere Bedürfnisse. Aus dem Feedback unserer Gesellschafter geht aber hervor, dass sie unsere Unterstützung als Wegweiser empfunden, anerkannt und auch genutzt haben. Aber es gibt natürlich immer welche, denen die Informationen etwa zu ausführlich waren oder die sie gar nicht gebraucht hätten. Das ist in einem Franchisesystem ein bisschen wie bei einer Partei: Wenn da völlige Einigkeit herrscht, ist etwas schiefgegangen.

Es ist sicher eine Herausforderung, so viele Gesellschafter zu managen und entsprechend mit ihnen zu kommunizieren, wenn sie nicht alle unter einem Dach organisiert sind …

Buck-Emden: Der direkte Dialog und eine klare Kommunikation ist da ganz entscheidend. Man muss sich Zeit nehmen für die Gesellschafter. Zu Beginn der Coronakrise mussten wir unsere persönlichen Meetings und Präsenzveranstaltungen absagen und auf Video umsteigen. Anfangs noch eher in kleinen Grüppchen, doch dann haben wir eine Möglichkeit entwickelt, alle Gesellschafter auf einer professionellen Plattform in den Dialog zu bringen. Ich denke aber, künftig wird es eine Mischform von virtuellen und persönlichen Treffen geben. Der persönliche, direkte Kontakt ist einfach nicht ersetzbar.

Die digitale Transformation stellt eine Franchisestruktur wie die der Hagebau-Gruppe vor besondere Herausforderungen. Vor diesem Hintergrund sind Sie 2017 zum CEO berufen worden. Wie sind Sie den Wandel angegangen?

Buck-Emden: Ein erster Meilenstein auf diesem „Soltauer Weg“ war tatsächlich das Scheitern. Vor drei Jahren holten wir uns externe Experten ins Haus. Dann haben wir festgestellt: Externe Fachexpertise lässt sich nicht zwangsläufig auf einen so heterogenen Verband mit rund 300 Franchisenehmern wie den unseren übertragen. Schon gar nicht, wenn die Geschäfte doch gut laufen. „Warum Veränderung?“, war vielfach die Frage. Wir sahen ein, dass wir uns – bevor wir den nächsten Anlauf starten – erst einmal öffnen müssen. Heute treiben wir im Rahmen der Zukunftsinitiative Hagebau X die Transformation von innen heraus an.

Was konkret hat die Initiative zum Inhalt?

Buck-Emden:  Es ist eine Art Zukunftswerkstatt, in der sich unsere Gesellschafter und Mitarbeiter vernetzen. Gemeinsam erarbeiten sie sogenannte Leuchtturmprojekte, die allen Gesellschaftern nutzen. Wir haben gerade aufgrund unserer Struktur so viele kluge Köpfe: Dieses Wissen muss geteilt und vervielfacht werden. Das gilt auch für die Inspiration aus diesem Austausch. Das Ganze findet in sechs Projektteams – sogenannten Streams – statt, etwa zu Themen wie Unternehmenskultur, schlanke und kraftvolle Organisation sowie digitale Geschäftsmodelle.

Gibt es ein beispielhaftes Leuchtturmprojekt?

Buck-Emden: Unser derzeit größtes ist sicher das Projekt hagedoo: Über Leads generieren wir für unsere Händler qualifizierte Kundenanfragen. Dieser erstellt ein Angebot, für das hagedoo die Nachverfolgung vornimmt. Der Händler kann also sehr effizient arbeiten, und der Kunde erhält in kürzester Zeit ein verbindliches Angebot. Zudem profitiert der Handwerker, weil wir ihm Aufträge bringen und Arbeitsaufwand abnehmen. Für alle Seiten ein Gewinn.

Welche Lehren haben Sie aus dem Prozess gezogen?

Buck-Emden: Hagebau X bietet den Kolleginnen und Kollegen große Freiheiten – und es ist faszinierend zu sehen, was daraus entsteht. Wenn die Mitarbeiter dann wieder in die klassische Struktur der Hagebau zurückkehren, fungieren sie wiederum als Multiplikatoren. Sie motivieren und begeistern andere, selbst Teil des Wandels zu werden.

Welche Ihrer Führungseigenschaften ist heute besonders gefordert? Müssen auch Chefs sich verändern?

Buck-Emden: Die wohl wichtigste Eigenschaft ist Kommunikationsfähigkeit. Und der Willen dazu. Gerade in einer Struktur wie der unseren. Und es braucht Mut. Am Ende geht es vor allem darum, Wandel selbst vorzuleben. Wer auf seinem Chefparkplatz vor dem Haupteingang besteht, hat das nicht verstanden.

Würden Sie generell sagen, es ist empfehlenswert, die Transformation intern anzugehen?

Buck-Emden: Das hängt immer von den Umständen ab. Bei einem Unternehmen, das schon viele Jahre erfolgreich ist, ist die erste Aufgabe, die Transformation überhaupt in Gang zu bringen. Schließlich fragen sich viele dann: Warum etwas verändern, wenn es gut läuft? In dem Fall ist es schon schwierig, Kollegen davon zu begeistern, den schwierigen und unbekannten Weg der Veränderung einzuschlagen. Da hängt viel von der inneren Bereitschaft ab, ob es gelingt oder nicht.

Viele Industrien fürchten den Amazon-Effekt: Ein Tech-Unternehmen dringt in die Branche ein und übernimmt mit neuen digitalen Geschäftsmodellen eine Art Vorreiterrolle. Teilen Sie diese Sorge mit Blick auf Ihre Branche?

Buck-Emden: Dazu muss man erst mal sagen, dass wir eine Kooperation sind, die zwei Geschäftsmodelle unter einem Dach vereint: zum einen den Einzelhandel, sprich unsere Hagebaumärkte. Zum anderen den klassischen Baustoffhandel, bei dem unsere Gesellschafter gewerbliche Kunden versorgen, die Produkte beim Endkunden einbauen oder dort verarbeiten. Im Einzelhandel sind natürlich auch wir der Gesetzmäßigkeit unterworfen, die alle Händler von Produkten betrifft, die man verpacken und verschicken kann. Das Besondere an dieser Branche ist jedoch, dass für viele Kunden der Besuch im Baumarkt noch immer eine Art Event ist: Menschen fahren am Wochenende in den Baumarkt, nehmen eine Bohrmaschine in die Hand, schauen, was es sonst noch gibt. Die Haptik und das Ausprobieren dieser Produkte sind entscheidend.

30.09.2020    Miriam Rönnau
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