27.02.2020    Madeline Sieland
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Der Chinese Yuan hat Zoom im Jahr 2011 gegründet. Das Unternehmen hat eine auf Video basierende Plattform für Echtzeitkommunikation entwickelt. Die Software ermöglicht Videokonferenzen, Sprachaufnahmen, Webinare und Chats über Desktop, Telefon, mobile Geräte und Konferenzraumsysteme. Eine Grundvoraussetzung für mobiles Arbeiten in Zeiten, in denen New Work in aller Munde ist.

Das Technologie-Einhorn

Internationale Aufmerksamkeit erhielt Zoom insbesondere im Zuge des Börsengangs im April 2019. Yuans Unternehmen gehörte längst zu den Ein-hörnern, zu den Firmen also, die schon vor dem Börsengang mit mehr als einer Milliarde US-Dollar bewertet werden. Zu den Kunden zählten zu dem Zeitpunkt bereits rund 50.000 Unternehmen – darunter Samsung, Uber, Walmart oder Capital One. Mit einem Umsatz von 331 Millionen US-Dollar im Jahr 2018 – ein Plus von 118 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – und einem Gewinn von 7,6 Millionen US-Dollar war Zoom zudem eines der äußerst seltenen Tech-Start-ups, die beim Börsengang schwarze Zahlen schrieben.

Milliardenschwer und profitabel – das kommt bei Anlegern an: Zoom war mit einem Wert von 20 Milliarden US-Dollar das stärkste neu an die Börse gekommene – Tech-Unternehmen 2019. Die Aktien legten am ersten Handelstag um 81 Prozent zu, wie Daten des Analysehauses Dealogic zeigen. Normal ist im Tech-Bereich zum Handelstart ein Plus von gut 20 Prozent. Inzwischen hat Zoom weltweit mehr als 2.400 An-gestellte und über 74.100 Kunden mit mehr als zehn Mitarbeitern. Yuan wird aktuell auf Rang 78 im Hurun-Report, dem chinesischen Vermögensranking, geführt. Sein Vermögen: mehr als fünf Milliarden US-Dollar.

Beharrlich bleiben

Ein Hyperwachstum, das auch Risiken birgt. Auf ein mögliches Scheitern oder Konkurrenten wie Google und Microsoft angesprochen, antwortet Yuan mit dem für ihn so typischen Pragmatismus:„Die Angst vor Fehlern oder dem Wettbewerb darf keinen Unternehmer davon abhalten, seine Visionen anzugehen und zu realisieren.“ Eine Anekdote aus seiner Vergangenheit verdeutlicht diese Haltung: Achtmal wurde Yuans Antrag auf ein Visum für die USA abgelehnt. Allein seiner Beharrlichkeit und dem Fokus auf das Wesentliche war es zu verdanken, dass sein Vorhaben 1997 schließlich von Erfolg gekrönt wurde.

Diese Beharrlichkeit zahlt sich auch heute noch aus: Yuan, der zuvor als Vice President of Engineering das Webex-Videokonferenzgeschäft von Cisco mitverantwortet hat, vermeidet negative Gedanken und konzentriert sich lieber darauf, immer wieder Neues hervorzubringen – Werkzeuge, die in einem Sitzungssaal in Manhattan gleichmaßen gut funktionieren wie an einem Küchentisch in China. Bei Zoom werden jedes Jahr mehr als 300 Funktionen ergänzt. Während manch ein Konkurrent seine Lösung primär auf maximale Funktionalität ausgerichtet hat, berücksichtigt Yuan immer wieder den Aspekt der menschlichen Nähe, die gerade bei Remote Working – also der Arbeit von jedem x-beliebigen Ort aus – zu kurz kommt. Es braucht daher Lösungen, die Nähe möglichst realistisch simulieren.

Wenn das virtuelle Gegenüber real wird

Neben Features wie Gesichtserkennung, automatisch generierten Zusammenfassungen von Konferenzen und Voice-to-Text-Umwandlungen sollen bald auch sensorische Charakteristika begeistern. User werden dann trotz räumlicher Distanz in der Lage sein, ihrem virtuellen Gegenüber die Hand zu schütteln und zum Beispiel den Kaffeeduft in dessen Büro zu schnuppern. Die Idee stammt von Yuan, der zu Studienzeiten räumlich von seiner Freundin getrennt war und von solchen Möglichkeiten nur träumen konnte. Der technologische Fortschritt könnte diesen Wunsch nun wahr werden lassen.

Eine weitere Vision des Unternehmers: Niemand muss mehr eine Fremdsprache lernen. „Viele Probleme auf der Welt sind die Folge kultureller Missverständnisse“, so Yuan. Sein Lösungsansatz: Real-Time-Übersetzungen mithilfe Künstlicher Intelligenz. Heißt in der Praxis: Jeder Konferenzteilnehmer nutzt seine Muttersprache; eine Künstliche Intelligenz sorgt dafür, dass sich alle richtig verstehen.

Nicht nur reden, auch machen

Yuan lebt auch das, was er zu Remote Working und Zusammenarbeit über große Distanzen hinweg predigt. Einige Beispiele:

  • Nachdem er Hunderte von Ingenieuren in seiner Heimat China eingestellt hatte, ließ er diese arbeiten und wartete drei Jahre, ehe er wieder persönlich zu ihnen reiste.
  • Als er Geld von Top-Risikokapital-Investoren sammelte, erschien er nur einmal, um auch wirklich sicherzustellen, dass jeder Investor im Raum die Zoom-App heruntergeladen hatte.
  • Für seine Roadshow vor dem Börsengang war Yuan immerhin bereit, die 80 Kilometer von seinem Hauptquartier in San José nach San Francisco für ein Mittagessen mit Investoren auf sich zu nehmen. Alle anderen, ob große oder kleine Geldmanager, trafen sich ausschließlich virtuell über Zoom mit ihm.
  • Als Yuan anlässlich des Börsengangs nach New York flog, war das erst seine achte Geschäftsreise in fünf Jahren. „Kunden haben immer wieder zu mir gesagt, ich müsse sie besuchen kommen“, sagt Yuan. „Ich habe stets geantwortet, dass ich sie besuchen werde, aber dass wir doch zunächst einen Zoom-Anruf abhalten sollen. In den meisten Fällen reicht das.“

Zum Schluss verrät Yuan beim Besuch in San José noch ein weiteres Lebensmotto. Das hat er von seinem Vater übernommen, und Yuan versucht, sich täglich danach zu richten: „Work hard, stay humble“ – arbeite hart, bleibe bescheiden. Und damit ist tatsächlich alles Wesentliche gesagt, was man über Eric S. Yuan wissen muss.

27.02.2020    Madeline Sieland
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