Coronaviren schweben vor einer Skyline.
24.11.2021    Miriam Rönnau
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Die sogenannte „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ ist beendet. Nun gilt das neue Infektionsschutzgesetz – und damit stellen sich für Unternehmen und die Beschäftigten eine Fülle von Fragen. Was es  in der Praxis zu beachten gilt, erklärt Nils Wigger, Fachanwalt für Arbeitsrecht von der Kanzlei Wittig Ünalp.

Zur Person

Nils Wigger Anwalt für Arbeitsrecht

Nils Wigger

ist seit 2018 bei der Kanzlei Wittig Ünalp tätig. Er berät als Fachanwalt für Arbeitsrecht vor allem Arbeitgeber bei sämtlichen individual- und kollektivrechtlichen Themen. Darüber hinaus unterstützt Wigger Führungskräfte und leitende Angestellte bei Trennungsprozessen

Die Bundesregierung hat vergangene Woche ein neues Infektionsschutzgesetz beschlossen. Darunter fällt auch die 3G-Regelung am Arbeitsplatz. Wie können Arbeitgeber die Einhaltung sicherstellen, wenn sie doch laut Datenschutzgrundverordnung gar nicht fragen dürfen, ob ihre Angestellten geimpft sind?

Nils Wigger: Es ist richtig, dass sowohl der Impf- und Genesungsstatus als auch die (negative) Testbescheinigung als Gesundheitsdaten besonders sensibel sind und daher zu den sogenannten besonderen Kategorien personenbezogener Daten im Sinne von Art. 9 DSGVO zählen. Zwar ist eine Verarbeitung solch sensibler Daten grundsätzlich untersagt. Dieses Verbot gilt aber nicht ausnahmslos. So ist Arbeitgebern eine Verarbeitung gestattet, soweit sie notwendig ist, um eigene arbeits- oder sozialrechtliche Pflichten zu erfüllen.

Eine solche Verpflichtung ergibt sich nunmehr aus dem neuen § 28b IfsG, durch den der Arbeitgeber verpflichtet wird, die Nachweiskontrollen für den Impf-, Genesenen- oder (negativen) Teststatus seiner Mitarbeiter zu prüfen und zu dokumentieren. Allerdings darf der Arbeitgeber nicht konkret nach dem Impfstatus fragen, sondern „nur“ einen Nachweis für die Einhaltung von 3G fordern. Wenn ein geimpfter Mitarbeiter seinen Impfstatus nicht preisgeben möchte, kann er sich auch täglich testen lassen und den Testnachweis vorzeigen. Darüber hinaus dürfen nur diejenigen Daten verarbeitet werden, die absolut notwendig sind. Mehr als den Namen, das (Nicht-)vorliegen eines gültigen 3G-Nachweises sowie dessen Geltungsdauer sollte nicht abgefragt und dokumentiert werden.

Was droht Arbeitnehmern, die sich weigern, die 3G-Regel einzuhalten? Darf der Arbeitgeber sie ohne Lohnfortzahlung freistellen oder gar kündigen?

Wigger: Das hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Fest steht jedenfalls, dass Mitarbeiter, welche die 3G-Regeln nicht erfüllen, die Arbeitsstätten nicht betreten dürfen. Kann ein Mitarbeiter seine Tätigkeiten auch nicht aus dem Homeoffice erbringen, weil zum Beispiel zwingende betriebsbedingte Gründe dem entgegenstehen, bietet er seine Arbeitsleistung nicht wie geschuldet an und verliert damit seinen Vergütungsanspruch. Darüber hinaus dürfte vieles dafür sprechen, dass der betreffende Mitarbeiter abgemahnt und letztendlich auch gekündigt werden kann.

Gehen wir von Tätigkeiten aus, bei denen Angestellte nicht im Homeoffice arbeiten können: Der Beschluss sieht unter anderem eine 3G-Regelung im Nah- und Fernverkehr vor. Was ist, wenn Arbeitnehmer nicht geimpft sind und so für den Weg zur Arbeit jeden Tag einen Test vorweisen müssen – wer kommt dafür auf? Die Politik sieht pro Bundesbürger nur einen kostenlosen Schnelltest pro Woche vor. Können Arbeitgeber verlangen, dass Angestellte die Tests an den anderen vier Tagen selbst zahlen müssen?

Wigger: Nach den neuen Regeln haben Mitarbeiter selbst für einen Testnachweis zu sorgen und auch dessen Kosten selbst zu tragen. Dies gilt sowohl für Tests zur Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln als auch für Tests zur Vorlage beim Arbeitgeber.

Zwar müssen Arbeitgeber ihren Mitarbeitern auch weiterhin zwei kostenlose Schnelltests pro Woche zur Verfügung stellen. Die reichen aber nur dann als 3G-Nachweis aus, wenn sie unter Aufsicht durchgeführt wurden. Arbeitgeber haben die Möglichkeit, sich hierfür gesondert schulen zu lassen. Eine Verpflichtung, die Test als Arbeitgeber zu beaufsichtigen, besteht jedoch nicht.

Unter welchen Bedingungen müssen Arbeitnehmer im Homeoffice arbeiten? Was, wenn sie das gar nicht wollen?

Wigger: Homeoffice muss allen Mitarbeitern angeboten werden, bei denen keine „zwingenden betrieblichen Gründe“ dagegensprechen. Allenfalls, wenn der Betriebsablauf erheblich eingeschränkt wird oder gar nicht aufrecht erhalten werden kann, entfällt die Angebotspflicht.

Im Gegenzug sind Mitarbeiter grundsätzlich verpflichtet, das Angebot auf Homeoffice anzunehmen. Während die Verpflichtung auf Arbeitgeberseite recht streng ist, benötigt der Mitarbeiter, der das Homeoffice-Angebot nicht annehmen will, aber weder dringende noch erhebliche Gründe. Zu wenig Platz in der Wohnung ist da schon ausreichend.

Hygienemasken, Desinfektionsmittel, Corona-Schnelltests – um den Hygieneanforderungen gerecht zu werden, müssen Arbeitgeber ausreichend Schutz gewährleisten. Können Unternehmen diese Mittel von der Steuer absetzen oder anderweitig entschädigt werden?

Wigger: Sowohl Hygienemasken als auch Desinfektionsmittel und Corona-Schnelltests sind Maßnahmen des Arbeitsschutzes. Daher wird ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse angenommen, sodass die hierfür entstandenen Kosten auf Arbeitgeberseite als Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG steuerlich abgesetzt werden können. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass die „Ausgaben für Hygienemaßnahmen“ im Rahmen der sogenannten Überbrückungshilfe berücksichtigt werden.

Im Gesetz heißt es, Arbeitgeber sollen weiterhin Impfungen vorantreiben. Doch mit welchen Maßnahmen?

Wigger: Zunächst müssen Arbeitgeber ihre Mitarbeiter im Rahmen einer Unterweisung über die Risiken einer Corona-Erkrankung informieren und über die Möglichkeit einer Schutzimpfung aufklären. Sind Mitarbeiter bereit, sich impfen zu lassen, sind Arbeitgeber zudem verpflichtet, ihre Mitarbeiter für die Wahrnehmung eines Impftermins während der Arbeitszeit freizustellen oder auch den Betriebsarzt organisatorisch und personell bei der Durchführung der Corona-Schutzimpfung zu unterstützen.

Auch wenn darüber hinausgehende Maßnahmen nicht explizit vorgeschrieben sind, können Arbeitgeber auf freiwilliger Basis Anreize für eine Impfung schaffen. In der Vergangenheit wurden bespielsweise Impfboni oder zusätzliche freie Tage diskutiert. Solche Maßnahmen sollten aber unbedingt von einem erfahrenen Arbeitsrechtler geprüft werden, da es gilt, einige Fallstricke und Haftungsrisiken zu umschiffen.

Schul- und Kitaschließungen, Untersagung von Sportausübungen, Ausgangsverbote und andere Lockdown-Maßnahmen sind aktuell nicht vorgesehen. Doch könnten Sie mit dem Infektionsschutzgesetz theoretisch trotzdem jeden Tag von den Bundesländern entschieden werden?

Wigger: Nein, den Bundesländern ist es nach dem sogenannten „Ende der epidemischen Lage“ am 25.11.2021 nicht mehr möglich, Lockdown-Maßnahmen, Ausgangssperren oder Reiseverbote etc. zu verhängen oder beispielsweise Schulen flächendeckend zu schließen.

Bis dahin besteht allerdings die noch Möglichkeit, eine entsprechende Maßnahme für die Übergangszeit, also bis zum 15.12.2021, zu erlassen. Einige Bundesländer, wie Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Schleswig-Holstein haben hiervon bereits gebrauch gemacht.

Welche Regelungen gelten, wenn Eltern ihre Kinder betreuen müssen, weil die Kinder in der Schule oder Kita Kontakt zu Corona-Infizierten hatten? Werden die Arbeitnehmer freigestellt? Erhalten Sie trotzdem Lohn oder eine Entschädigung? Wer kommt dafür auf: das Unternehmen oder der Staat?

Wigger: Das richtet sich ganz nach den Umständen des Einzelfalls. Grundsätzlich haben Eltern einen Anspruch auf Kinderkrankentage und Kinderkrankengeld. Voraussetzung ist jedoch, dass das betroffene Elternteil und das Kind gesetzlich krankenversichert sind, das Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder aufgrund einer Behinderung auf Hilfe angewiesen ist und keine andere im Haushalt lebende Person das Kind beaufsichtigen kann.

Daneben sieht das Infektionsschutzgesetz eine finanzielle Entschädigung von Eltern vor. § 56 Abs. 1a IfSG wurde dahingehend angepasst, dass Mitarbeiter unabhängig von einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite Entschädigungen für die Kinderbetreuung erhalten. Die Situation von Eltern bleibt somit vorerst unverändert. Der Arbeitgeber zahlt die Entschädigungsleistungen an den Mitarbeiter aus und bekommt diese auf Antrag von der zuständigen Landesbehörde erstattet.

Problematisch kann es für Arbeitgeber werden, wenn die Regelung des § 616 BGB betreffend das Arbeitsverhältnis nicht abbedungen wurde. Für Zeiten von bis zu zehn Tagen, also einer „Kurzzeitverhinderung“, behält der Mitarbeiter dann nämlich seinen Lohnanspruch – auch wenn er zu Hause sein Kind betreut. Darüber hinaus „blockiert“ dieser Lohnanspruch sowohl das Kinderkrankengeld als auch die Entschädigungszahlungen nach dem Infektionsschutzgesetz.

Sehen Sie noch mögliche weitere Regelungen auf die Unternehmen zukommen?

Wigger: Mit der Änderung des Infektionsschutzgesetzes wurde der Grundstein für die kommenden Monate gelegt, wie der Gesetzgeber gedenkt, mit der Coronapandemie umzugehen. Es wird sich zunächst zeigen müssen, ob sich die neuen Regelungen behaupten oder ob weitere, gegebenenfalls einschneidendere Regelungen erforderlich sind. Von weitergehenden Regelungen auszugehen, wäre zum jetzigen Zeitpunkt aber rein spekulativ.

24.11.2021    Miriam Rönnau
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