Landestheater Württemberg-Hohenzollern Tübingen Vordenker 2022
14.09.2022    Holger Reher
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Zur Person

Thorsten Weckherlin

1962 geboren. Studierte in seiner Heimatstadt Hamburg Literaturwissenschaft und Geschichte. Im Alter von zwanzig Jahren begann er für das Theater zu arbeiten – als Theaterkritiker. 1993 ging er als Praktikant ans Berliner Ensemble zu Peter Zadek. Seit der Spielzeit 14/15 ist Weckherlin Intendant am Landestheater Württemberg-Hohenzollern Tübingen Reutlingen (LTT).

Wie hat sich Ihr Business in den letzten Monaten entwickelt?

Thorsten Weckherlin: Die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen – Theater-Schließungen, Krankheitswellen, sich ständig ändernde Rahmenbedingungen, andauernde Spielplan-Änderungen – lösten eine Krise aus. Vertrauen, Verbindlichkeit und Selbstverständlichkeit waren verloren gegangen. Als die Pandemie vorläufig für beendet erklärt wurde, überfiel Russland die Ukraine und schnell wurde deutlich, dass dieser Krieg mitten in Europa uns allen viel abverlangen würde. Doch unsere Bühne –  ein staatlich finanziertes und tarifgebundenes deutsches Theater – baute ein neues Beziehungsmanagement aus. Die Zuschauerinnen und Zuschauer kommen wieder verstärkt zu uns.

Was ist das Erfolgsrezept für Ihr Business?

Weckherlin: Wir agieren antizyklisch. Soll heißen, wir bauen die Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiterstruktur um. Dadurch können wir die anstehenden notwendigen Transformationsprozesse wie Digitalisierung, Klimakrise, demografischer Wandel usw. besser in Angriff nehmen. Davor fehlte uns das Personal dafür.

Wie bleiben Sie als Unternehmen neugierig und innovativ und was tun Sie als Management, um das zu fördern?

Weckherlin: Dass in Deutschland in allen Branchen Fachkräfte fehlen, ist kein Geheimnis, aber die Theater können schon – auch tarifgebunden – oft nicht mehr konkurrieren. Durch permanente Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen blieben wir ein attraktiver Arbeitgeber.

Was ist die größte Stärke der Company? Was zeichnet Sie aus? Trauen Sie sich eine Schwäche preiszugeben?

Weckherlin: Eine Stärke: Theater-Krisen hat es immer gegeben, und über die Krise zu klagen, ist der beste Beweis dafür, dass das Theater noch lebt. Da wir aber ein Kunst-Betrieb sind, werden wir schon Kraft unserer Fantasie auch die Krise meistern.

Eine Schwäche: Während Material und Energie eklatant teurer werden, Fachkräfte aller Orten fehlen, kündigen die ersten TrägerInnen der Theater bereits an, dass sie die Zuwendungen kürzen müssen, da die Kommunen finanziell mit dem Rücken an der Wand stehen. Nicht zu reden davon, dass allerorts das Publikum ausbleibt und auch deshalb Einnahmen fehlen, die fest in den Wirtschaftsplänen zur Finanzierung eingerechnet und damit nötig sind. Gleichzeitig schließt der Arbeitgeberverband der deutschen Theater einen Tarifvertrag ab, der die Mindestgage in zwei hohen Stufen exorbitant steigert und mehr als deutlich nach oben setzt. Einen so hohen Tarifabschluss hat es in diesem Jahr in keiner anderen Branche mit keiner Gewerkschaft gegeben.

In wenigen Worten: Was tun Sie, um den digitalen Anschluss nicht zu verpassen?

Weckherlin: Auf der einen Seite lebt das Theater vom Analogen. Auf der anderen Seite haben wir in vielen Arbeitsschritten das Digitale.

Was macht Ihr Unternehmen bei Bestandskunden besonders erfolgreich?

Weckherlin: Unsere Kunst auf der Bühne. Die kraftvollen Geschichten mit den ebenso kraftvollen Schauspielerinnen und Schauspielern. Unser Theatergebäude als ein Ort der Diskussion, des Gesprächs, des Treffens – inklusive einer guten Gastronomie.

Nennen Sie ein konkretes Beispiel wie Ihr Unternehmen Service lebt.

Weckherlin: „Zahlt doch, was ihr wollt!“ (Pay what you want) – in unserem Theater bestimmen einmal im Monat die Zuschauerinnen und Zuschauer den Eintrittspreis. Hier klingelt die Kasse erst dann, wenn der Abend gelaufen ist. Denn bezahlt wird im Anschluss an die Vorstellung – und zwar genau die Summe, die dem Besucher oder der Besucherin der Spaß wert war.

Was tun Sie, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren?

Weckherlin Arbeitsplatzsicherheit, Kultur und Weiterbildungsmöglichkeiten. (Wir sind Tarif gebunden. Eine Anstalt öffentlichen Rechts) Spezielle Freizeit-Regelungen trotz unserer Sieben-Tage-Woche.

14.09.2022    Holger Reher
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