Mobil Krankenkassen Vordenker 2022
28.06.2022    Holger Reher
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Zur Person

Mario Heise

arbeitete im Anschluss an seine Ausbildung zum Sozialversicherungs-fachangestellten bei der Betriebskrankenkasse der Hansestadt Lübeck dort als Teamleiter im Leistungswesen und beendete zudem im Jahr 1996 erfolgreich die Fortbildung zum Krankenkassenbetriebswirt. Kurz nach seinem Wechsel zu der Hamburger Mobil Krankenkasse 1998 wurde Heise 1999 zum stellvertretenden Vorstand ernannt und nahm zudem die Position als Bereichsleiter Leistungen ein. Im Jahr 2003 wurde er zum Vorstand bestellt und übernahm am 2009 dessen Vorsitz.

Wie haben sich Ergebnis und Umsatz in den letzten drei Jahren von 2019 bis 2021 entwickelt?

Mario Heise: Sowohl die Einnahmen als auch die Ausgaben sind in den letzten drei Jahren branchenüblich kontinuierlich gestiegen. Die Pandemie hat dabei ab 2020 Sondereffekte unter anderem in der Leistungsinanspruchnahme unserer Kunden in 2020 /2021 sowie auch einer gesetzlichen Vermögensabschmelzung in 2021 mit sich gebracht. Unsere Jahresergebnisse werden maßgeblich vom erhobenen Zusatzbeitragssatz beeinflusst. So haben wir ab 2019 unseren angebotenen Zusatzbeitragssatz mit unserem Vermögen gestützt, um unseren Kunden einen attraktiven Zusatzbeitragssatz anzubieten. Das letzte operative Geschäftsjahr 2021 schließen wir bereinigt um den Sondereffekt Vermögensabschmelzung auch trotz eines unterdurchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes voraussichtlich mit einem positiven Ergebnis ab. Unser Geschäftsvolumen liegt mittlerweile bei mehr als 3 Mrd. Euro.

Was ist Ihr Erfolgsrezept? Was ist der Motor für Ihr Wachstum?

Heise: Unser Erfolgsrezept beschreibt zugleich unsere größte Stärke, die sich durch eine besondere Nähe zum Kunden sowie einer intensiven Berücksichtigung der Kundenbedürfnisse auszeichnet. Wir leben unsere Vision, die besagt, dass der Kunde im Mittelpunkt unseres Handelns steht. Hierzu befassen wir uns kontinuierlich mit Veränderungen von Bedürfnissen und Trends, die sowohl unsere Kunden als auch die Gesetzliche Krankenversicherung, die GKV, im Allgemeinen betreffen. Das bedeutet konkret, dass wir den Markt und die Veränderungen beobachten und den Bezug auf die GKV-Kunden mit Hilfe von Kundenbefragungen – also in Zusammenarbeit mit dem Kunden – analysieren, bewerten und umsetzen. Somit sind und bleiben wir am Zahn der Zeit und können agil und schnell auf Themen, die unsere Kunden betreffen, reagieren. Ergänzt wird diese Stärke, die den Motor für unser Wachstum erneuert hat, durch das Anbieten eines attraktiven Zusatzbeitragssatzes, den wir auch in der Zukunft versuchen werden, im Sinne des Kunden weiter zu optimieren. Mit dieser Agilität und einer nahezu optimalen Größe von ca. 1 Mio. Versicherten sind wir das Schnellboot unter den gesetzlichen Krankenkassen.

In wenigen Worten: Wie sieht Ihre Digitalisierungsstrategie aus?

Heise: Kurz gesagt: Wir möchten unsere Versicherten begeistern. Entsprechend diesem Leitsatz setzen wir auch bei unserer Digitalisierungsstrategie den Fokus auf unsere Versicherten. Im Vordergrund stehen dabei schnelle Prozesse zur Kontaktaufnahme, einfache Abläufe zur Einreichung von Unterlagen – alles flexibel, ortsunabhängig und zu jederzeit. Die vom Gesetzgeber angestrebte globale Digitalisierungsvision im Gesundheitswesen unterstützen wir als Krankenkasse vollumfänglich. Wir tragen unseren Beitrag zur Akzeptanz und Steigerung der Vernetzung der Player im Gesundheitsmarkt bis hin zum Versicherten bei.

Was macht Ihr Unternehmen bei Kunden besonders erfolgreich?

Heise: Wir schaffen es, die Perspektive unserer Kunden einzunehmen und hochwertig-moderne Angebote zu schaffen, die in den Alltag unserer Versicherten passen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Videosprechstunde unseres Partners TeleClinic. Auch Programme wie „Mein Extra Gesundheitsgeld 200PLUS“ sind sehr beliebt, da der Versicherte hier selbst wählen kann, welche Gesundheitsleistungen – von Osteopathie bis professionelle Zahnreinigung – er sich erstatten lassen möchte.

Welche Rolle spielt Service in Ihrem Business?

Heise: Wie bereits erwähnt, spielt Service bei uns eine sehr zentrale Rolle, da der Kunde stets in den Mittelpunkt unseres Handelns steht. Die Erwartungshaltung an unseren Service ist hoch. Dies gilt für unsere Versicherten als auch für uns selbst. Wir machen ein Serviceangebot, das Krankenkasse erlebbar werden lässt – unkompliziert und verlässlich.

Was tun Sie, um den Service zu verbessern?

Heise: Wir setzen vor allem auf digitale und flexible Lösungen. Damit diese für unsere Kunden am Ende auch optimal nutzbar sind, müssen interne Prozesse umgestellt werden. Zudem müssen wir beachten, dass der technische Fortschritt auch an gesetzliche Vorgaben geknüpft ist und einem sich wandelnden Kundenanspruch gerecht werden muss.

Nennen Sie ein Beispiel, wie Ihr Unternehmen Service lebt.

Heise: Unser Ziel ist es, die Kundenerlebnisse zu optimieren und Kundenbegeisterung auszulösen. Dafür haben wir im Haus einen eigenen Fachbereich installiert – das Customer Experience Management.  Dieses richtet seinen Fokus auf die Touchpoints, die die Versicherten mit uns als Krankenkasse haben. Ein weiteres Beispiel ist unser Umgang mit Kundenbeschwerden. So sichten wir Vorstandsbeschwerden in der Regel persönlich und greifen im Vorstandsbereich zur Beantwortung auch schon einmal selbst zum Hörer – frei nach Bill Gates: Deine unzufriedensten Kunden sind deine größte Lernquelle.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung beim Service?

Heise: Eine entscheidende Rolle. Die Omni-Channel Fähigkeit und der Einsatz neuer und innovativer Technologien sind in den letzten Jahren noch wichtiger für uns geworden. Unsere Versicherten sollen entscheiden, wann und über welchen Kanal sie mit uns in Kontakt treten möchten – ob klassisch über Brief oder Telefon oder doch lieber unkompliziert über unsere Webseite oder App.

Was tun Sie, um eine Service-Kultur zu etablieren und zu verbessern?

Heise: Bereits seit mehreren Jahren fokussieren wir uns auf unsere digitalen Kanäle wie unsere Service-App „MOBIL ME“ und Self-Service Angebote auf unserer Webseite. Unseren Versicherten bieten wir also ein userfreundliches, niedrigschwelliges und barrierefreies Gesamtangebot an. Unsere kassenindividuelle Digitalisierungsstrategie zahlt damit direkt auf unser nachhaltiges Engagement ein.

Was ist die größte Stärke der Company? Trauen Sie sich eine Schwäche preiszugeben?

Heise: Nachhaltigkeit ist das Thema unserer Zeit – und steht nicht von ungefähr im Mittelpunkt unserer Markenausrichtung. „Nachhaltig gesund“ ist nicht nur unser Claim, sondern bringt auch unsere Verantwortung auf den Punkt: Wir helfen unseren Versicherten seit jeher, achtsam mit sich und ihrer Gesundheit umzugehen. Für unsere Versicherten wird Nachhaltigkeit insbesondere bei unseren Leistungen, die auf Vorsorge und Prävention abzielen, wahrnehmbar. Das können Impfungen sein, Gesundheitskurse und Gesundheitsreisen, bis zu klassischen Vorsorgemaßnahmen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang – und damit sind wir beim Optimierungspotenzial –, dass wir uns mitten in einem Transformationsprozess befinden. Die Finanzsystematik zwischen den Krankenkassen – dem sogenannten Morbi-RSA – wirkt sich leider immer noch negativ auf unsere Versichertengemeinschaft aus. So konnten wir unserem ursprünglichen Anspruch als besonders günstige Krankenkasse in den letzten Jahren nicht mehr vollumfänglich gerecht werden und gehen nun mit unserer Ausrichtung „Nachhaltig gesund“ einen neuen Weg. Wir arbeiten sukzessive daran, unser Markenprofil weiter zu schärfen und unsere neue Ausrichtung mit Leben zu befüllen.

Was ist Ihr größtes Learning aus der Coronakrise für Ihr Unternehmen?

Heise: Anfang 2020 galt es, unsere Mitarbeitenden im besonderen Maße zu schützen, sie zu unterstützen und ihnen Sicherheit zu geben. Innerhalb von gut zwei Wochen haben wir es geschafft, unsere 1.400 Mitarbeitende ins Homeoffice zu bringen und dabei gleichzeitig die Qualität unserer Versichertenbetreuung und unternehmenskritische Prozesse aufrechtzuerhalten. Die Pandemie hat uns verdeutlicht: Wir sind ein leistungsfähiger und zuverlässiger Partner – für unsere Versicherten, unsere Kooperationspartner und unsere Belegschaft. Dieser Erfolg basiert auf Teamwork, Pragmatismus und einer funktionierenden Unternehmenskommunikation. Unterm Strich können wir festhalten: Vertrauen schenken lohnt sich. Und wir sollten ruhig öfter mal mutig sein und neue Wege gehen.

Was sehen Sie die Zukunft der Arbeit? Gibt es eine Maßnahme, die Sie mit Stolz erfüllt?

Heise: Der Wandel unserer Arbeitswelt ist ein essenzieller Faktor für uns. Wir haben erkannt, dass sich die Frage, ob wir New Work machen wollen oder nicht, für uns gar nicht stellt, sondern es nur um das Wie geht und in welcher Ausprägung wir New Work leben wollen. Das Thema New Work ist daher seit 2021 in unserer Unternehmensstrategie verankert. Wir stellen den Menschen in den Mittelpunkt und gehen den Wandel unserer Arbeitswelt gemeinsam mit unseren Mitarbeitenden aktiv an.

Vor dem Hintergrund dieser Kulturveränderung sind wir sehr stolz darauf, dass wir ein neues Arbeitsmodell entwickelt haben, das Flex-Office. Damit ermöglichen wir unseren Mitarbeitenden, auch nach der Pandemie mit maximaler Flexibilität eigenverantwortlich zwischen der Arbeit am Standort und zuhause zu wechseln – natürlich immer auch unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange.

28.06.2022    Holger Reher
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