Illustration eines Smartphones mit Dollarzeichen
30.10.2020    Thomas Eilrich
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Wie blickt eigentlich eine Wissenschaftlerin auf die Diskussion über das „Warum“? Mit Passion. Für Professor Isabell M. Welpe ist Purpose ein Thema, das mit über die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen entscheidet.

Zur Person

Portrait von Professor Isabell M. Welpe

Isabell M. Welpe

Die Wirtschaftswissenschaftlerin hat seit 2009 den Lehrstuhl für Strategie und Organisation an der Technischen Universität München (TUM) inne. Zudem ist sie Mitglied im Vor-
stand des Center for Digital Tech-
nology and Management

Wie finden Sie es, wenn Firmen Agenturen oder Berater bemühen, um ihren Purpose zu definieren?

Isabell M. Welpe: Lassen Sie es mich so sagen: Ich bin ja Organisationswissenschaftlerin. Warum gibt es Organisationen? Damit Werte geschöpft werden. ­Meine Studenten fragen manchmal, warum sie Organisationslehre hören müssten. Ich sage dann gern: Wann immer Sie sich über einen Service oder ein Produkt ärgern, weil etwas schadhaft ist oder zu spät kommt, hat etwas in der Organisation nicht funktioniert. Denn der Purpose jeder Firma ist es, Mängel zu beseitigen und Werte zu schöpfen. Oder einfacher gesagt: Damit wird immer auch Leid verringert oder Freude geschaffen.

Gerät der Ursprungszweck – das Geld verdienen – dabei in den Hintergrund?

Welpe: Jedes Unternehmen ist ein Rädchen im großen Wirtschaftsgetriebe, das wir alle am Laufen halten. Und dort herrschen Moden – in den 1990er-Jahren begann zum Beispiel der sehr deutliche Fokus auf den Shareholder-Value. Der Trend heute ist ja nicht „kein Profit“, sondern eben zusätzlich zum wirtschaftlichen Gewinn auch ein wirtschaftlicher, sozialer oder gesellschaftlicher Wert. Ein Unternehmer betreibt ein Geschäft, mit dem es ihm finanziell gut geht, das aber auch einen sozialen Wert schafft. Darin steckt kein Widerspruch. Die in den USA sehr einflussreiche und bekannte Autorin Ayn Rand hat sinngemäß schon viel früher das gesagt, was heute unter dem Stichwort Purpose wieder verstärkt diskutiert wird: Marktwirt­schaft sorge für eine effiziente Verteilung und gebe den Menschen, was sie wollen. Wir müssen einfach besser werden zu entscheiden, wo Märkte und wo der Staat die besseren Entscheidungen trifft.

Was schließen Sie daraus für Unternehmen?

Welpe: Du bist, was du verkaufst. Aber genauso gilt für uns als Kunden: Du bist, was du kaufst. Kunden haben immer die Wahl und damit das letzte Wort – von wenigen Ausnahmen abgesehen. Wir stimmen täglich mit Kaufentscheidungen über Firmen ab. Auch deshalb hat das Thema Purpose aktuell so ein Momentum.

Wie stehen deutsche Firmen beim Purpose da?

Welpe: Hierzulande wird oft noch geglaubt, es ginge darum, Technikweltmeister zu werden. Wäre Digitalisierung aber ein Technologiewettbewerb, würde Deutschland ganz vorn dabei sein. Aber das ist zu kurz gegriffen. Tatsächlich steht bei erfolgreicher digitaler Transformation etwas anderes im Mittelpunkt: die unbedingte Fokussierung auf die eigenen, auch die potenziellen, Kunden. Die Pain-Points für die Kunden zu beseitigen – das muss im Fokus stehen. Darin liegen jetzt und in Zukunft Umsätze und Margen. Versuchen Sie sich einfach mal als Kunde Ihres eigenen Unternehmens. Da merkt man sehr schnell, „wo es wehtut“.

Haben Sie ein Beispiel für einen gelungenen Purpose?

Welpe: Die Alphabet-Tochter Calico hat sich auf die Fahnen geschrieben: „To cure death“. Den Tod besiegen – der Purpose ist kaum zu schlagen, oder? Und dieser Purpose ist auch in Sachen Recruiting klug. Denn damit bekommen sie sicher einige begabte Bewerber, die sagen: „Dafür lohnt es sich, morgens aufzustehen.“

30.10.2020    Thomas Eilrich
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