grafische Formen, Wellen, Kreise und Würfel
11.03.2020
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Jeder fünfte Bundesbürger kauft Produkte, die ein Influencer empfohlen hat. Das zeigt eine Studie des Bundesverbands für Digitale Wirtschaft. Bei den jüngeren ist es sogar fast jeder Zweite. Ist Influencer Marketing damit ein Garant für Erfolg am Markt? Nicht unbedingt. Ein Report der Media-Agentur Wavemaker verdeutlicht: Mittlerweile wird jeder zweite Influencer als Werbefigur abgestempelt. Und das hat Nachteile: 41 Prozent der Befragten meinen, dass Influencer durch Kooperationen ihre Glaubwürdigkeit verlieren.

Sven Keese von der Digitalberatung Disphere Interactive, einem Kooperationspartner der DUB UNTERNEHMER-Akademie, ist überzeugt: Plattformen, die weniger professionell und dafür authentischer erscheinen, können vielversprechende Alternativen sein. Wie Authentizität im Marketing funktioniert, welche App sich anbietet und was Mittelständler beachten sollten.

Porträt von Sven Keese

Sven Keese

Sven Keese ist Partner bei der Unternehmens­beratung Disphere Interactive und Experte der DUB UNTERNEHMER-Akademie. Er unterstützt Akademie-Mitglieder unter anderem in den Bereichen Sales-Excellence und Digital Marketing.

DUB UNTERNEHMER-Magazin: Welche Online-Marketingkampagne hat Sie zuletzt beeindruckt?

Sven Keese: Die Marketingaktion rund um den Cybertruck von Tesla-Chef Elon Musk. Als er die Bruchfestigkeit der Panzerglasfenster präsentierte, wurden diese – vielleicht absichtlich? – beschädigt. Die me­diale Wirkung war massiv und gekennzeichnet von Schadenfreude. Musk reagierte kreativ und ließ ein T-Shirt mit dem Bild der kaputten Scheibe produzieren. Nach der Panne gingen laut Tesla rund 250.000 Vorbestellungen für den Truck ein.

Was sieht eine gute Online-Marketingstrategie aus?

Keese: Sie ist immer Teil einer gesamten Marketingstrategie. Ich muss wissen: Wer ist mein Kunde? Was will er? Welchen Herausforderungen begegnet er? Als Marketeer bin ich kein Verkäufer mehr, sondern ein Lösungsbringer. Das muss ich in der Kundenwahrnehmung zur richtigen Zeit am richtigen Ort platzieren.

Welche sind häufige Fehler, die kleine und mittlere Unternehmen im Online-Marketing machen?

Keese: Oft mangelt es an der stringenten Umsetzung einer ganzheitlichen Marketingstrategie. Ein beliebter Fehler ist die Haltung „Einfach mal machen“. Nur weil Kanäle gerade angesagt erscheinen, sind sie noch lange nicht für jeden passend. Um Fehltritte zu vermeiden, rate ich, selbst aktiv zu werden. Schauen Sie sich die Kanäle an und interagieren Sie.

Was unterscheidet B2B- von B2C-Online-Marketing?

Keese: Der größte Unterschied ist, dass im B2B-Bereich nie nur ein Entscheider im Spiel ist, wenn es um den Abschluss des Kaufprozesses geht. Je nach Firmengröße müssen zwischen zwei und zehn Entscheider überzeugt werden. Das macht die Kommunikation detaillierter, langwieriger. Allerdings werden bei uns immer mehr B2B2C-Marketingkonzepte angefragt. Letzten Endes geht es um Interaktion zwischen Menschen. B2B und B2C nähern sich immer mehr an.

Welche Trends werden 2020 besonders wichtig?

Keese: Neben der Verlängerung des Nutzer­er­le­b­nisses durch In-App-Advertising sind für Mittelständler die Warenkorb-Optimierung und Local-SEO, also die lokale Suchmaschinen-Optimierung, wichtig. Für das Suchmaschinen-Ranking pures Gold wert ist der Google-MyBusiness-Account. Darüber können Unter­neh­men Informationen verwalten, die Google-Nutzer sehen, und mit ihren Kunden interagieren. Die meines Erachtens wichtigste Entwicklung ist aber eine andere.

Und die wäre?

Keese: Herkömmliche Werbung verliert an Relevanz. Content-Marketing ist und bleibt die feste Größe im Online-Marketing. Dabei ist Authentizität von zentraler Bedeutung. Es geht nicht mehr darum, möglichst viel Content zu publizieren, um weit oben in der Suchmaschine zu erscheinen. Die Frage ist nicht „Wie performant bin ich?“, sondern „Wie authentisch bin ich?“.

Wie lässt sich Authentizität erzielen?

Keese: Um authentisch zu sein, muss ein Unter­nehmen Geschichten kanalübergreifend erfolgreich erzählen – sei es in den Neuen Medien, auf Social Media oder im Kundenmagazin. Was im Jahr 2020 nicht mehr geht: die „Haben wir schon immer so gemacht“-Attitüde.

Authentizität ist auch ein Erfolgsfaktor von TikTok. 2019 haben sich weltweit über 738 Millionen neue Nutzer bei der Plattform angemeldet. Wie lange wird dieser Hype anhalten?

Keese: Ich denke, er hat noch nicht mal richtig begonnen. TikTok ist das „next big thing“. Das Besondere an der Plattform: Der Content steht im Fokus, nicht der Nutzer. Anfangs habe ich mich gefragt, was diese App soll. Doch als ich meinen Newsfeed dank KI-optimierter Aussteuerung an meine persönlichen Inte­ressen angepasst hatte, wurde es mir klar. Vom Tod des Basketballers Kobe Bryant habe ich zuerst auf TikTok er­fahren. ­Neben der Newsrelevanz hat die 
App auch noch nicht mit den Herausforderungen zu kämpfen, die etwa Instagram hat.

Welche Probleme sind das?

Keese: Instagram ist heute höchst professionalisiert. Zudem häufen sich Skandale um Influencer, die sich Likes kaufen. Der Austausch zwischen den Usern auf TikTok ist authentisch, weil sie nicht davon profitieren.

Sollten Unternehmen auf TikTok aktiv sein?

Keese: Das kommt darauf an. Verkaufe ich Treppenlifte, ist das sicher nicht sinnvoll. Bin ich im Lifestyle- oder Sportbereich unterwegs, in dem ich sehr früh ein Markenerlebnis und eine Markenbindung schaffen muss, auf jeden Fall.

Welche Rolle spielt Influencer Marketing 2020? Ist der Zenit überschritten?

Keese: Jein. Influencer Marketing wird 2020 zunehmend in die Gesamtstrategie integriert und nimmt anlässlich Olympia im Bereich Sport stark zu. Davon profitieren angrenzende Themen wie Fashion, Lifestyle und soziales Engagement. Zudem ist auch das Buzzword des Jahres – Nachhaltigkeit – relevant.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Keese: Ganzheitliche Marketingstrategien, die Fokussierung auf geeigneten Content und ein deutliches „Weniger ist mehr“ bei den bespielten Kanälen.

11.03.2020
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