Gorilla Mama und Kind bei einer Trekking-Tour
17.06.2020    Miriam Rönnau
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Zur Person

Porträtbild von Philip Eichkorn

Philip Eichkorn

ist ein Vollblut-Touristiker, der vom Reisebüro über die Zielgebietsagentur bis hin zum Veranstalter alle Stufen der Reisebranche durchlaufen hat. Er ist Geschäftsführer von Take Memories. Das Unternehmen ist spezialisiert auf individuelle Rundreisen unter anderem im Orient und in Afrika mit Destinationen wie Oman, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Jordanien, Libanon, Israel, Tansania und Ruanda

Gorilla-Trekking in Ruanda – das klingt nach einer außergewöhnlichen Erfahrung. Wie soll das über Virtual Reality, kurz VR, nachzubilden sein?

Philip Eichkorn: Die Tour basiert nicht auf einem vorproduzierten VR-Video, sondern steht für Telepresence Tourism. Das Prinzip ist einfach erklärt: Über 360-Grad-Videos können Menschen von zu Hause aus an der Tour teilnehmen, indem sie das Erlebnis über ein hochauflösendes Video verfolgen und in Echtzeit mit einem Guide vor Ort kommunizieren. Das geht weit über eine normale Dokumentation hinaus. Teilnehmer können etwa den Guide bitten, sich in bestimmte Richtungen zu bewegen oder fachliche Fragen zur Umgebung stellen.

Eine weltweite Pandemie wie Corona wird hoffentlich eher die Ausnahme als die Regel. Welche Vorteile bietet Telepresence Tourism für die Zukunft?

Eichkorn: In Zeiten von Flight Shaming, Angst vor Epidemien, Terrorattacken oder Naturkatastrophen erscheint eine virtuelle Reise in die weite Welt, bei der man sich nicht vom Fleck bewegt, als eine echte Option zur realen Reise. So gibt es darüber hinaus viele Expeditionen, sei es Bergsteigen oder tiefes Tauchen, die nicht für jeden geeignet sind, aber trotzdem eine wunderbare Erfahrung sein können. Ältere Menschen können auf diese Weise an einem exotischen Familienausflug teilnehmen, ohne die Strapazen der Reise auf sich nehmen zu müssen – indem sie nicht mit einem Guide, sondern einem Familienmitglied während der Tour kommunizieren. Auch Menschen mit wenig Zeit zum Reisen oder nur einem kleinen Budget erhalten so eine echte Alternative. In Zukunft müssen wir uns wohl auch aufgrund des Klimawandels mit dem Gedanken anfreunden, dass gewisse Gebiete oder gar Länder in der Welt nicht mehr zu erreichen sind oder nur für eine begrenzte Anzahl an Personen zugänglich sein werden – auch hier kann Telepresence Tourism helfen.

Aufgrund der weltweiten Reisewarnungen wurde Ihr Projekt nun nach hinten verschoben. Wie ist der aktuelle Stand? 


Eichkorn: Die Hardware ist fertig und funktionstüchtig. Das Live Meet & Greet mit Gorillas in Ruanda eignet sich aufgrund der Exklusivität ideal für den Launch. Die Trekkinggruppen zu den Gorilla-Familien sind auf acht Teilnehmer limitiert; ein Permit für eine Stunde mit den Gorillas kostet 1.500 US-Dollar. Wir werden die Begegnung über Facebook, Instagram und unsere Internetseite auf der ganzen Welt ausspielen. Nur wenige haben so etwas bisher live erlebt. Ruanda ist als Technologie-Hub Afrikas an Lösungen interessiert, die dazu beitragen, die hohen weltweiten Anfragen mithilfe von Technik teilweise zu kompensieren, um den Schutz der Gorillas weiter zu fördern und das Touristenaufkommen nicht zu erhöhen. Dank des Engagements der örtlichen Conservation Teams ist der Berggorilla nicht mehr auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Tierarten – und die Population soll sich durch die Einnahmen weiter erholen.

Haben Sie schon eine Vision, wie die nächsten Schritte aussehen könnten?

Eichkorn: Als Gastdozent habe ich einige Vorträge zum Thema Online-Reiseveranstalter gehalten und so Toni Sillanpää kennengelernt. Der Finne ist ein in Deutschland ansässiger Entwickler, Dozent und Leiter von Mundus XR, einem Projekt, dass sich ebenfalls mit Telepresence Tourism beschäftigt. Sein Spezialgebiet sind Sensoren. Sillanpää hat ein Gadget entwickelt, dass zum Beispiel beim Besteigen des Mount Everest hilft: Das Gerät misst nicht nur Herzfrequenz, Puls und Blutdruck, sondern registriert auch, wenn die Konzentration nachlässt und die Reaktionsgeschwindigkeit abnimmt – eine ähnliche Funktion, wie sie auch in vielen Autos eingebaut ist. Seine Expertise mit Sensoren wollen wir nutzen und weitere Gadgets entwickeln, um etwa Erschütterungen zu simulieren. Damit soll die Experience noch realer werden. Ein weiterer Schritt wäre dann, auch Gerüche zu simulieren. Das wird allerdings noch etwas dauern, denke ich.

17.06.2020    Miriam Rönnau
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