Québec: Karneval in kalter Schönheit
Jedes Jahr im Februar werden die Straßen von Québec City trotz Minusgraden zur Partyzone. Doch eine Winterreise an die Ostküste Kanadas lohnt sich nicht nur wegen des größten Winterkarnevals der Welt. Hier lässt sich der Winter so richtig auskosten – mit Schnee-Rafting, Schlittenhund-Tour und Spa-Entspannung im Schnee.
Eine Mischung aus Zirkus und Rockkonzert
Wer vergessen haben sollte, wie sich echter Winter anfühlt, wird bei der Landung in Québec City sofort daran erinnert: Bei blauem Himmel und gleißender Sonne zeigt das Thermometer um 14 Uhr minus 22 Grad an. Nach wenigen Schritten aus der Tür des Flughafens umklammert die Kälte die Beine bereits wie eine eisige Orthese und schockfrostet sie innerhalb von Sekunden. Die Einheimischen warnen: Für einen Stadtrundgang sind mindestens lange Unterhosen und gefütterte Stiefel Pflicht. Noch besser wattierte Skihosen. Damit fällt man in der Hauptstadt der kanadischen Ostküstenprovinz Québec auch nicht weiter auf. Hier sehen die meisten Leute aus, als seien sie gerade auf dem Weg zur nächsten Piste oder Skihütte.
Größter Winterkarneval der Welt
Trotz der widrigen Temperaturen herrscht im Februar auf den Straßen der Stadt Partystimmung. Dann nämlich feiert man hier den größten Winterkarneval der Welt. Erstmals versammelten sich die Menschen in der Stadt 1894, um mit dem Karneval die Langeweile des Winters zu vertreiben. Nach zwei Jahren Pause aufgrund der Pandemie feiert Québec City in diesem Jahr nun endlich wieder das beliebte Winterfest.
Das Maskottchen des Karnevals, der fluffige Riesenschneemann Bonhomme Carnaval, regiert rund zwei Wochen von seinem Eispalast aus. Überall in der Innenstadt lassen sich kunstvolle Eisskulpturen bewundern. Outdoor-Bars servieren Heißgetränke und „Maple Taffy“, eine Art Lolli, für den man eine auf einen Schneeblock gegossene Spur Ahornsirup mit einem Holzstab aufrollt. Wer es sportlich mag, kann die wagemutigen Teams beim Kanu-Rennen durch die Eisschollen des Sankt-Lorenz-Stroms anfeuern oder die historische Rodelbahn auf der Dufferin Terrasse neben dem imposanten „Château Frontenac“ heruntersausen. Dieses „Schloss Frontenac“, das wie eine Art Realität gewordenes Hogwarts über Altstadt und Fluss thront, zählt zu den Wahrzeichen der Stadt und beherbergt ein Luxushotel.
Welterbe, französische Kultur und Kulinarik
Vom „Château Frontenac“ gleitet man komfortabel mit einem Aufzug in die tiefer gelegene Altstadt. Sie zählt mit ihren Kopfsteinpflastersträßchen und schmucken grauen Steinhäusern zum UNESCO Welterbe. Hier befindet sich die Keimzelle der Stadt: An der heutigen Place Royale gründete 1608 der Franzose Samuel de Champlain Québec City, nannte das Gebiet am Sankt-Lorenz-Strom „Nouvelle France“ und erklärt es zur Überseekolonie des französischen Königreichs.
Bis heute ist Französisch im Québec Amtssprache. Und nicht zuletzt in der Küche der Region verbindet sich europäische mit nordamerikanischer Tradition. Das zeigt der Blick auf die Karte von Restaurants wie „Louise Tavern & Bar à Vin“ oder dem „Bistro L’Atelier“, wo Austern und Foie gras neben Bison-Tartar und Burger stehen.
Karneval mit Fabelwesen und Rockkonzert
Höhepunkt des Karnevals in Québec City ist der Umzug. Er erinnert nur entfernt an die Spektakel in Köln oder Mainz. Am frühen Abend, wenn die Stadt schon im Dunklen liegt, ziehen fantasievolle, bunt illuminierte Fabelwesen und Wagen mit Akrobatik-Acts sowie Livemusik durch die Straßen. Das Ganze gleicht einer Mischung aus Cirque du Soleil und Rockkonzert. Die Zuschauenden säumen in ihren Schneeanzügen den Straßenrand, und die Erwachsenen unter ihnen wärmen sich ab und an mit einem Caribou auf, einem Heißgetränk aus Portwein, Brandy, Wodka und Sherry.
Wer nach dem bunten – und lauten – Spektakel weiter feiern möchte, findet zum Beispiel entlang der Rue du Petit Champlain in der Altstadt zahlreiche Kneipen und Bars. Oder man kriecht nach soviel kalter Frischluft in ein warmes Bett und schöpft neue Kräfte für mehr Entdeckungen in der winterlichen Provinz Québec.
Schneerafting, Fatbiken, Wellness und Schlittenhund-Tour
Eine Reise ins winterliche Québec lohnt sich nicht nur wegen des Karnevals. Landschaft, Kultur und die zahlreichen Wintersportmöglichkeiten in der Region sind mindestens ebenso sehenswert. Unweit von Québec City bietet beispielsweise der Parc de la Chute-Montmorency mit den gleichnamigen, 80 Meter hohen Wasserfällen ein Naturschauspiel. Bei winterlichen Temperaturen gefriert die Kaskade zu einer mächtigen Eisskulptur.
A propos Eiskunst: Wer mehr davon möchte, kann eine Übernachtung im Eishotel buchen. Kein Zimmer gleicht hier dem anderen. Alle sind mit kunstvollen Skulpturen ausgestattet, vom Fantasiewesen bis hin zum Jeep, alles aus gefrorenem Wasser natürlich.
Ein besonderes Erlebnis verspricht auch eine Übernachtung in einem nachgebauten Langhaus der First Nations in Wendake. In solchen Holzhäusern lebte die Gemeinschaft der Huronen-Wendat bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts. Gäste können sich auf eine Zeitreise begeben und etwa am Lagerfeuer lauschen, wie ein Geschichtenerzähler alte Mythen und Legenden aufleben lässt. Oder sie lassen sich einen Crashkurs in der bildhaften Sprache der Huronen-Wendat geben. Zur Begrüßung beispielsweise sagt man übersetzt „ich schmiere dir viel Bärenfett ins Haar“. Und das ist durchaus nett gemeint: Bärenfett wurde früher wie eine Art Gel zum Haarstyling benutzt. Übrigens, wer beim Besuch des Museums nicht auf heutigen Komfort verzichten möchte, quartiert sich im dazugehörigen Hôtel-Musée Premières Nations ein und lässt sich im Restaurant „La Traite“ – einem der besten in Québec City – ein mit traditionellen Zutaten wie Wild, Fisch und Beeren bereitetes Menü auftischen.
Nach dem Eisfischen ins heiße Wasser
Den Winter so richtig auskosten können Reisende im „Manoir du Lac William“, rund eine Autostunde von Québec City entfernt. Ob nach der Tour mit Langlaufskiern oder Schneeschuhen, dem Eisfischen oder Schlittschuhlaufen – aufwärmen kann man sich hinterher im Spa. Es bietet unter anderem heiße Outdoor-Wasserbecken mit Blick über den zugefrorenen See. Nicht entgehen lassen sollten sich Hotelgäste auch die raffinierten Kreationen des französischen Küchenchefs Sébastien Gadeau.
Noch mehr Genuss gefällig? Käsefans sollten einen Abstecher in die Fromagerie du Presbytère einplanen. Die Käserei bietet diverse Sorten – von Schafs- und Ziegenkäse bis hin zu Hart- und Weichkäsen aus Biomilch. Ein Teil des Käses lagert in der Kirche gleich nebenan. Hier reifen sie zwischen neun Monaten und vier Jahren. Eines haben alle zwölf Sorten gemeinsam: Sie zählen zum Besten, was Québec an Käse zu bieten hat.
Chalets mit Weitblick
Wer weiter nach Süd-Westen in Richtung Montréal fährt, kommt langsam in eine hügelige Gegend. Einen herrlichen Weitblick über verschneite Wälder bietet das Vier-Sterne-Hotel „La Montagne Coupée“, das auf der Kuppe des gleichnamigen Bergs erbaut ist. Ideal für eine Reise mit einer Freundesgruppe oder ein Incentive für Firmen sind die beiden Luxus-Chalets, in denen je bis zu 25 Personen Platz finden. Für Meetings oder Familienfeiern steht gleich nebenan der moderne „Edelweiss Pavilion“ mit Konferenz- und Seminarräumen.
Rafting im Schnee
Winter-Action gibt es beim Schnee-Rafting. Der Schneepark „Super Glissades“ in Saint-Jean-de-Martha hat neun Pisten unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade präpariert, auf denen man auf einem riesigen Luftreifen mit bis zu 100 Stundenkilometern herunterdüst.
Wer es entspannter mag, bucht stattdessen einen Tag im „Natur Eau Spa“. Inmitten einer hügeligen Winterlandschaft bieten Sauna, türkisches Bad, eine Jurte und drei heiße Outdoor-Whirlpools viel Platz für Erholung.
Rustikale Zuckerhütten
Ein Besuch lohnt sich auch bei Pierre Faucher und seinem Sohn Stefan. Die beiden bärtigen Hünen betreiben unweit von Montréal die „Sucrerie de la montagne“, eine der typischen kanadischen Zuckerhütten, in denen der Saft des Zuckerahorns verarbeitet wird. Von März bis Ende April zapfen die Fauchers die Ahornbäume auf ihrem 60 Hektar großen Waldstück an. Aus dem gewonnenen Ahornwasser produzieren sie unter anderem Ahornsirup, Ahorntee, Ahornbutter, Ahornparfum und Ahornbier. Ihre verzehrbaren Produkte servieren sie Gästen das ganze Jahr über in einer riesigen Holzhütte. Dazu fährt die Küche eine deftige Mahlzeit auf und zum Abschluss natürlich Pancakes mit Ahornsirup. Übernachten kann man auch in einer der Blockhütten der Fauchers. Etwas weniger rustikal geht es in der nahegelegenen „Auberge des Gallants“ zu. Das Vier-Sterne-Hotel bietet unter anderem einen Spa-Bereich und direkten Zugang zur Loipe.
Mit dem Fatbike durch den Schnee cruisen
Die Kalorien lassen sich dann bei einer Tour mit dem Fatbike durch den verschneiten Wald des Mont St Bruno National Park leihen wieder abarbeiten. Er ist so etwas wie der Vorgarten von Montréal. Die extra dicken Reifen und das Noppenprofil verleihen den Bikes den nötigen Grip zum Cruisen über gut präparierte Waldwege. Tipp: nicht zu dick anziehen, besonders beim Bergauffahren wird es sonst schnell zu warm.
Ein Paradies für Aktivitäten im Schnee ist auch die „Pourvoirie du Lac Blanc“. Auf keinen Fall verpassen sollte man eine Tour mit dem Hundeschlitten. Wenn die Gespanne aus je vier Alaskans auf das Startsignal warten, liegt ein ohrenbetäubender Lärm ungeduldigen Gebells in der Luft. Doch kaum setzen sich die Schlitten in Bewegung, geben die kurzhaarigen Hunde alles. Gefahren wird jeweils zu zweit: Während eine Person auf dem Schlitten sitzt, steht die andere hinten und muss bremsen – und bergauf den Schlitten auch schon mal ordentlich anschieben. Dass selbst Rookies mit den Gefährten klarkommen, Ist den unglaublich lieben und eifrigen Hunden zu verdanken, die den präparierten Weg durch den Wald vermutlich auch im Schlaf fänden.
Sehr beliebt ist die Pourvoirie auch bei Schneemobilfans. Wer nicht mit dem eigenen Motorschlitten anreist, kann einen ausleihen, oder eine Fahrt mit einem historischen Exemplar buchen: Die Bombardier von 1948 sieht aus wie ein großes Blechei und pflügt mit bis zu zwölf Insassen röhrend und schüttelnd durch den Wald. Andere Möglichkeiten: Man lässt sich von einem Trapper erklären, wie man in der Natur überlebt, geht Eisfischen oder genießt bei einem Hubschrauberrundflug die schneebedeckte Landschaft von oben.
Wer also echten Winter und Spaß im Schnee vermisst hat, für den ist eine Reise ins winterliche Québec genau das Richtige.
Die besten Adressen in Québec
Schön schlafen
- Fairmont Le Château Frontenac: Das Fünf-Sterne-Hotel mit 610 Zimmern und Suiten zählt zu den Wahrzeichen von Québec City.
- Monsieur Jean: Modernes Vier-Sterne-Hotel im Zentrum von Québec City, alle Zimmer und Suiten verfügen über eine Küchenecke.
- Hôtel de Glace: Eishotel bei Québec City mit 30 Zimmern und Suiten.
- Hotel Premières nations: Hotel direkt neben dem Museum der indigenen Huron-Wendat. Es verfügt über eines der besten Restaurants von Québec City, „La Traite“.
- Manoir du Lac William: Das Hotel am See bietet zahlreiche Outdooraktivitäten, einen Spa-Bereich und ein sehr gutes Restaurant.
- La Montagne Coupée: Zum Hotel mit 40 Zimmern gehören auch zwei moderne Chalets mit Platz für bis zu 25 Personen und ein Pavillon mit Konferenz- und Tagungsräumen.
- Pourvoirie du Lac Blanc: Das Hotel ist für sein großes Angebot an Outdoor-Aktivitäten bekannt, etwa Hundeschlitten-Touren oder Walderkundungen mit einem Trapper.
Essen und Trinken in Québec City
- Bistrot L’Atelier: Typische Spezialitäten des Bistros sind Burger, Tartares und Tapas.
- La Traite: Restaurant des Hôtel Premières Nations zählt zu den Top-Adressen von Québec City.
- Le Chic Shack: Das rustikale Restaurant bietet diverse Varianten von Poutine, einer kanadischen Fastfood-Spezialität aus Pommes frites, Käse und Bratensoße.
- Louise Tavern: Restaurant und Weinbar mit französisch inspirierter Küche.
Videocredit: OTQ; Kathy Günther
Bildcredits: Francis Gagnon, OTQ; Kathy Günther; Luc Charbonneau, Séqaq, OTQ; Pikur, OTQ; Simon Armstrong, OTQ; Stéphane Audet, OTQ