Ein Aktienkurs stürzt ab.
20.04.2021    Stefan Heringer und Dr. Nikolaus Braun
  • Drucken

Wenn wir uns heute mit Privatanlegern über die Grundzüge einer rationalen Kapitalanlage unterhalten, ernten wir in der Regel ziemlich schnell jede Menge Zustimmung:

  1. Das Auf und Ab des Markts lässt sich nicht prognostizieren.
  2. Deshalb muss man dauerhaft investiert bleiben.
  3. Kein Investor hat eine Glaskugel.
  4. Aktieninvestitionen muss man daher breit streuen.
  5. Krisen und Risiken am Kapitalmarkt sind unvermeidlich.
  6. Die freie Marktwirtschaft wird nicht untergehen.
  7. Der Kapitalmarkt hat sich nach Krisen immer wieder erholt und wird sich auch immer wieder erholen.

Das ist keine wirkliche Raketenwissenschaft, und gerade Unternehmer haben auch im Regelfall schnell einen rationalen und abgeklärten Zugang zum Risiko.

Irrationales Anlegerverhalten ist tief in unserer DNA verwurzelt

Nur bei einem Thema ernten wir immer wieder Achselzucken: wenn wir darauf hinweisen, wie unglaublich schwer es ist, in Krisenzeiten die Nerven zu bewahren und diszipliniert nachzukaufen. Erstaunlich viele Anleger wischen diesen Einwand mit einem „Eh klar“ oder „Ich kann damit umgehen“ vom Tisch. Falsch. Sehr falsch. Denn die Ursachen für irrationales Verhalten in Kapitalmarktkrisen ist tief in unserem kulturellen Gedächtnis, ja in unserer DNA verwurzelt. Sie auf die leichte Schulter zu nehmen, ist sehr, sehr gefährlich. Gerade die Menschen, die das Thema am schnellsten abhaken wollen, sind nachher diejenigen, die es am schwersten erwischt. Irrationales Anlegerverhalten vernichtet nachweislich mehr Kapital und damit Lebensqualität als jede noch so schlechte Finanzberatung.

Kolumne Stefan Heringer und Dr. Nikolaus Braun

Dass Menschen unter Stress keine klaren Entscheidungen fällen, ist eine biologische Tatsache. Im präfrontalen Cortex, der für das logische Denken zuständig ist, macht sich eine Art Gewitter breit: Das Hirn schaltet auf Notfallbetrieb um und wählt zwischen Angriff, Flucht oder Totstellen. Dieses Notfallprogramm war und ist in vielen Situationen lebensrettend: Ein Geisterfahrer kommt Ihnen entgegen (Flucht), eine Klapperschlange kriecht durch Ihr Wohnzimmer (Totstellen oder Angriff) ‒ keiner von uns stammt von Vorfahren ab, die bei der Konfrontation mit einem Raubtier erst mal angefangen haben zu diskutieren …

Eine der größten Stresssituationen für unsere Vorfahren war sicher der Verlust der eigenen Wintervorräte. Ernteausfälle oder verfaulte Vorräte konnten über Leben und Tod entscheiden. Wir alle stammen von Menschen ab, die klug genug waren, vorzusorgen. Denn wer keine Wintervorräte angelegt hat, ist in unseren Breiten aus dem Genpool verschwunden. Die Stresssituation „Wintervorrat in Gefahr“ sitzt entsprechend tief ‒ wobei das heutige Äquivalent für den Wintervorrat natürlich Geld und Vermögen repräsentieren.

Kein Wunder, dass während Krisen und Rückschlägen an den Börsen bei vielen Menschen also regelmäßig der Verstand versagt: In ihrem Unterbewusstsein läuft ein existenzbedrohender Film ab, vor dem inneren Auge springen weiße Mäuse durch die heimische Kornkammer.

Angriff, Flucht oder Totstellen

Entsprechend reagieren zahlreiche Anleger in Krisen mit Angriff (ihren Berater oder Ehepartner als Schuldigen identifizieren), Flucht (alles verkaufen und in Gold anlegen) oder Totstellen (die Bankpost nicht mehr öffnen). Nur dumm, dass in komplexeren Stresssituationen das instinktive Notprogramm fast unweigerlich ins Desaster führt. Eine Kapitalmarktkrise ist eben gerade keine brennende Scheune und auch keine Klapperschlange.

Die größte Tücke: Angst und Panik kommen in den seltensten Fällen offen daher, sondern verbergen sich meist hinter mehr oder weniger überzeugenden Rationalisierungen. Sprich: Die vorher in Sekundenbruchteilen emotionale gefällte Entscheidung, die Reißleine zu ziehen und alles zu verkaufen, wird im Nachhinein rational untermauert. Was Ihnen wie eine rationale Argumentation vorkommt, ist letztlich nur ein Trick Ihrer Psyche. Sie denken nur, dass Sie denken. Der Klassiker für diese scheinrationalen Argumente heißt dabei immer: „This time it‘s different.“ Das mag schon immer so gewesen sein, aber die alten Regeln gelten nicht mehr. Natürlich: Jede Krise ist anders. Aber was alle gemeinsam haben: Irgendwann ist jede Krise vorbei. Das Leben geht weiter, Wirtschaft und Kapitalmärkte erholen sich wieder.

Ein Notfallplan für Kapitalmarktkrisen:

Illustration Stefan Heringer und Dr. Nikolaus Braun

Dr. Nikolaus Braun und Stefan Heringer sind die Gründer der Neunundvierzig Honorarberatung. Ihre Kernkompetenz ist die langfristige Begleitung Ihrer Mandanten rund um die Frage wie Vermögen Lebensqualität schaffen kann. Als Vermögensverwalter der Deutschen Wertpapiertreuhand stehen Sie für finanzwissenschaftlich informierte Anlagestrategien. Braun ist zudem Autor des Finanzratgebers „Über Geld Nachdenken“.

Eben weil Menschen in extremen Stresssituationen nicht klar denken können, gibt es für viele Ausnahmesituationen klar definierte Verhaltensregeln, etwa bei einer Notfallmeldung, einem Feueralarm, einem Mann-über-Bord-Manöver oder bei der Wiederbelebung. Was Sie als Anleger brauchen, ist also ein Notfallplan für Kapitalmarktkrisen. Diesen Plan müssen Sie vor einem Rückschlag aufgestellt haben und am besten mit Ihrem Berater immer wieder durchgehen. Vorausgesetzt, Sie verfügen über ein sauber aufgestelltes Portfolio, haben Sie so die besten Chancen, die nächste Krise unbeschadet zu überstehen.

Hier ist der Notfallplan der Neunundvierzig:

  1. Ruhe bewahren: Mit dem richtigen Portfolio ist eine Krise am Kapitalmarkt überhaupt KEIN Notfall. Es fühlt sich nur so an.
  2. Unterdrücken Sie den Impuls, etwas zu tun, geben Sie sich selber erst mal zwei Tage Zeit, bevor Sie irgendetwas unternehmen.
  3. Lassen Sie Ihre Emotionen zu, beobachten Sie sie, statt sie zu verdrängen.
  4. Ignorieren Sie Finanzpresse, Untergangspropheten und andere Panikmacher. Schalten Sie den Finanzpornokanal ab. Machen Sie lieber Yoga.
  5. Fangen Sie erst an, nachzudenken, wenn Sie sich Ihrer Emotionen bewusst sind. Sonst denken Sie nur, dass Sie denken …
  6. Optimaler Weise verständigen Sie Hilfe: Sprechen Sie mit einem unabhängigen Berater.
  7. Wenn der Verstand wieder eine Chance hat, können Sie sich an die oben schon skizzierten Grundsätze erinnern: Rückschläge am Kapitalmarkt sind nicht prognostizierbar und unvermeidlich. Nur weil es das Risiko dieser Rückschläge gibt, erhalten Sie am Aktienmarkt auch eine deutlich höhere Rendite als bei anderen Anlagen.
  8. Nutzen Sie Chancen: Wenn eine weltweit gestreute Investition in Aktien generell sinnvoll ist, dann ist es rational, zu günstigeren Kursen nachzukaufen.
  9. Haben Sie Geduld: Die freie Marktwirtschaft hat zwei Weltkriege, die Weltwirtschaftskrise, den Kalten Krieg, die Internetblase und die Finanzkrise überlebt. Auch die nächste Krise wird vorübergehen …

Mit diesem Vorgehen können Sie Krisen souverän durchstehen und besitzen vielleicht sogar die innere Ruhe, Menschen in Ihrem Umfeld, die unter Panikattacken leiden, zu helfen.

Alles Liebe,

Ihr Stefan Heringer und Nikolaus Braun

p.s.: Mehr zum Thema rationale Anlagestrategien, Strategien zum Vermögensaufbau, aber auch darüber, wie Ihr Umgang mit Geld Sie glücklicher machen kann, finden Sie im Blog der Neunundvierzig Honorarberatung und in Nikolaus Brauns Finanzratgeber:„Über Geld Nachdenken“.

Sehen Sie auch hier ein Tutorial von Nikolaus Braun zum Thema Rationale Vermögensstrategien in unruhigen Zeiten.

Kolumnen, Kommentare und Gastbeiträge auf DUB-magazin.de geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin wieder, nicht die der gesamten Redaktion.

20.04.2021    Stefan Heringer und Dr. Nikolaus Braun
  • Drucken
Zur Startseite