Billardkugeln liegen zum Spiel bereit.
30.04.2021    Martin Hintze
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Für das Interview ist Tim Bachmann zum ersten Mal seit Monaten wieder ins Büro gefahren. Der Fondsmanager des DWS Invest ESG Climate Tech hat im Lockdown am meisten den direkten Kontakt zu den Unternehmen vermisst und den Besuch von Messen, um Produkte persönlich in Augenschein nehmen zu können. Das dürfte auch für Fahrräder gelten, eine Branche mit großem Potenzial – sowohl für den Klimaschutz als auch für Anlegerinnen und Anleger.

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DWS-Fondsmanager Tim Bachmann

Tim Bachmann

Der Fondsmanager und leidenschaftliche Fahrrad­fahrer betreut seit zweieinhalb Jahren federführend den
DWS Invest ESG Climate Tech

Privatanleger haben 2020 mehr Geld denn je in nachhaltige Fonds gesteckt. Konnte auch der DWS Invest ESG Climate Tech davon profitieren?

Tim Bachmann: Definitiv, das Interesse ist gestiegen. 2020 floss bei der DWS jeder dritte neu investierte Euro in ein ESG-Produkt. Der DWS Invest ESG Cli­mate Tech hat ebenfalls starke Nettomittelzuflüsse verzeichnet. Im vergangenen Jahr waren es etwa 90 Millionen Euro; seit Jahresbeginn sind noch einmal 120 Millionen Euro dazugekommen. Sowohl 2019 als auch 2020 hat der Fonds deutlich besser abgeschnitten als der breite Aktienmarkt.

Was unterscheidet Ihren Fonds von an­deren nachhaltigen Anlagen?

Bachmann: Wir betrachten das Thema Klimawandel nicht allein als finanzielles Risiko, sondern auch als Investmentchance für die kommenden Jahrzehnte. Wir fokussieren uns auf Unternehmen, die der Menschheit ermöglichen, die Folgen des Klimawandels abzumildern, etwa bei der Dekarbonisierung des Energiemixes. Andererseits investieren wir in Unternehmen, die helfen, mit den Folgeschäden und mit den Herausforderungen des Klimawandels umzugehen. Zum Beispiel mit dem Bau von Deichen oder der Beseitigung von Wasserknappheit.

Ihr Fonds konzentriert sich also auf das „E“, die Umwelt. Bleiben die anderen beiden Komponenten „S“ und „G“ – das Soziale und die gute Unternehmensführung – bei der Auswahl der Unternehmen außen vor?

Bachmann: Keineswegs. Unser Ziel ist es, in Unternehmen zu investieren, die Vorreiter in puncto Nachhaltigkeit sind. Ein Unternehmen, das zwar einen positiven Beitrag zur Energiewende leistet, jedoch beispielsweise gegen geltende Arbeits­sicherheitsregeln verstößt, würde in dem Fonds nicht berücksichtigt werden. Die Betrachtung von ESG-Faktoren hilft uns, das Nachhaltigkeitsrisiko der selektierten Unternehmen zu reduzieren.

Die Ziele des Pariser Klimaschutzab­kommens stellen viele Firmen vor Herausforderungen. Wo finden Sie Anlagechancen?

Bachmann: 2019 wurden knapp 900 Milliarden US-Dollar in erneuerbare Energien oder Energieeffizienzprojekte investiert. Damit die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens eingehalten werden können, müsste man im Zeitraum von 2030 bis 2040 jeweils etwa 3.000 Milliarden Dollar jährlich für Investitionen im Energiesektor bereitstellen. Das entspricht in etwa dem Bruttoinlandsprodukt von Frankreich. Die größten Chancen existieren in den Bereichen, die heute als die größten Klimasünder, gemessen an ihren Treib­hausgas-Emissionen, gelten. Beispielsweise bei der Energieerzeugung, dem Immobiliensektor, der Landwirtschaft oder dem Transportwesen. Wir setzen auf Unternehmen, die mit innovativen Produkten und Dienstleistungen helfen, Treibhausgase zu reduzieren: zum Beispiel mithilfe von Dämm-Materialien für energetische Sanierungen oder alternativen Antriebsformen wie Elek­tro- oder Wasserstoffantrieb. In diesen Bereichen dürfte es einen hohen zweistelligen Umsatz- und Gewinnzuwachs geben, der Anlegern in den kommenden Jahren attraktive Anlagechancen bieten könnte.

Zu den alternativen Antriebsformen gehören auch E-Bikes. Können sie einen Beitrag dazu leisten, den Ausstoß von Treibhausgasen zu senken?

Bachmann: Das Transportwesen ist für 14 Prozent der globalen Treibhausgase verantwortlich. Drei Viertel davon sind auf den Stadtverkehr zurückzuführen, also auf Strecken bis zu zehn Kilometer. Davon wiederum entfallen 60 Prozent auf Pkw. Wenn man auch die CO2-Emissionen berücksichtigt, die bereits bei der ­Produktion des Verkehrsmittels entstehen, sieht man, dass auf 100 Kilometer gerechnet ein Pkw etwa 20 Kilogramm CO2 emittiert, ein E-Bike oder E-Pedelec aber nur etwa 400 Gramm.

Führen E-Bikes tatsächlich dazu, dass weniger Autos im Stadtverkehr fahren?

Bachmann: Noch werden E-Bikes hauptsächlich für die Freizeit und nicht zum Pendeln angeschafft. Alters- und einkommensübergreifend steigt aber die Bereitschaft, mit dem Rad zur Arbeit zu fahren, stark an. Schätzungen zufolge könnte die Nachfrage nach E-Bikes zum Pendeln in den USA in den nächsten fünf Jahren um 35 Prozent klettern. Mit einer ähnlichen Entwicklung ist auch für Europa zu rechnen.

Durch die Coronakrise hat sich die Nachfrage nach E-Bikes stark erhöht. Strohfeuer oder langfristiger Trend?

Bachmann: Die Nachfrage war bereits vor Ausbruch der Coronapandemie stark. Dennoch war 2020 ganz klar eine Sonderkonjunktur. Beim Radfahren ist das Infektionsrisiko geringer als in der Straßenbahn. Das hat dazu geführt, dass sich die Lagerbestände reduzierten und die Lieferzeiten sich von zwei bis drei auf sechs bis neun Monate erhöht haben, wie ich kürzlich selbst feststellen musste. 2020 wurden etwa drei Millionen E-Bikes verkauft. Schätzungen zufolge könnten es 2025 elf Millionen sein.

Stichwort Fahrrad-Akkus: Die Arbeits­bedingungen bei der Förderung der notwendigen Metalle haben keinen guten Ruf. Wie gehen Sie damit um?

Bachmann: Die Berücksichtigung von Umwelt- und sozialen Kriterien ist ein fester Bestandteil unseres Anlageprozesses: Wenn ein Zulieferer beispielsweise Kobalt aus dem Kongo einsetzt oder gegen Arbeitssicherheitsstandards verstößt, dann wird er nicht von uns berücksichtigt. In solchen Fällen können wir aktiv in den Dialog mit den Firmen gehen und ihnen eine Zertifizierung ihrer Lieferanten oder eine Rückverfolgung der Komponenten vorschlagen, damit wir sie in Zukunft in unsere Anlageentscheidung einbeziehen können.

Können Anleger wirklich etwas bewegen, wenn sie nachhaltig investieren?

Bachmann: Es ist nicht ganz leicht, diesen Effekt exakt zu quantifizieren. Der indirekte Effekt ist jedoch sehr wichtig. Wenn ein Unternehmen den ESG-Anfor­derungen nicht entspricht, hat das in der Regel Konsequenzen. Es erschwert den Zugang zu den Kapitalmärkten und erhöht die Finanzierungskosten deutlich. Zudem sind solche Unternehmen in der Regel mit viel niedrigeren Bewertungen konfrontiert, wie man beispielsweise bei Zement- oder Düngemittelherstellern sehen kann. Über diesen Hebel können Anleger viel bewirken.

Wie groß ist die Gefahr eines Klumpen­risikos, wenn immer mehr Menschen Geld nachhaltig anlegen?

Bachmann: Ich verstehe diese Befürchtungen bis zu einem gewissen Grad. Der Bereich Wasserstoff beispielsweise wurde exorbitant hoch bewertet und ist dann stark eingebrochen. Insgesamt sollte Nachhaltigkeit viel breiter verstanden werden. Zum Beispiel Gesundheit, Digitalisierung, Ernährung: Es gibt ausreichend Möglichkeiten für ein diversifiziertes Portfolio mit Fokus auf das Thema Nachhaltigkeit.

30.04.2021    Martin Hintze
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