Rote Prozentzeichen: Bei vielen Finanzprodukten sind nicht alle Kosten transparent.
21.10.2021    Stefan Heringer und Dr. Nikolaus Braun
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Das Gegacker der Banken- und Versicherungslobby, die eindringlich vor einem Provisionsverbot warnen, wird seit der Bundestagswahl wieder deutlich lauter. Hinter dem manchmal unfreiwillig komischen Lärm verbirgt sich letztlich nur eines: die Angst, dass der Gesetzgeber diesem Missstand endlich ein Ende bereitet.

Können Sie sich noch an 2008 erinnern? An die berühmt-berüchtigte Lehman-Oma, die nichts anderes wollte als ein etwas besser verzinstes Sparbuch, und am Ende mit Zertifikaten von Lehman Brothers ihre gesamten Ersparnisse verlor? Warum haben seitdem Anleger nicht scharenweise den Banken und Versicherungsunternehmen den Rücken zugewandt?

Kolumne Stefan Heringer und Dr. Nikolaus Braun

Seit 2008 hat sich am Elend von Provisionen nichts geändert

Ein Grund ist sicher, dass viele Anleger meinen, das sei alles nicht mehr so schlimm. Die Banken hätten seit 2008 ihre Lektion gelernt. Strengere Transparenzrichtlinien und härtere Gesetze hätten der systematischen Fehlberatung ein Ende bereitet. Das ist reines Wunschdenken.

Im Laufe der vergangenen 14 Jahre haben wir viele Hundert Kundendepots analysiert. Die Depots, die wir heute zu sehen bekommen, sind nicht anders als vor zehn Jahren. Der Verkaufsdruck hinterlässt bis heute seine überdeutliche Spur: Interessenkonflikte, versteckte Provisionen und intransparente Risiken finden sich überall. Egal, in welche Bank Sie gehen: Sie treffen zu 99 Prozent auf einen Menschen mit einem gewaltigen Problem: Er muss Ihnen dringend etwas verkaufen.

Dazu kommt: Spektakuläre Fälle von Fehlberatung und Anlagebetrug werden als Einzel- und Extremfälle wahrgenommen. Sie sind journalistisch gut zu erzählen und hinterlassen bei uns ein sanftes Erschauern. „Gott sei Dank betrifft mich das nicht.“ Oder auch: „Na, so dumm muss man erst mal sein.“ Falsch. Völlig falsch.

Ihr Bankberater ist kein Berater, er ist ein von der Finanzindustrie bezahlter Verkäufer

Folge dieser Fehleinschätzung ist, dass zwar nur 17 Prozent aller Deutschen „den“ Banken vertrauen, aber immerhin 60 Prozent ihrem Banker! Absurd – oder? Zumal vermutlich auch Ihre Bank Ihren Berater regelmäßig austauscht. Denn zu viel menschliche Bindung zwischen Berater und Kunde ist schlecht für das Geschäft. Wärme soll schließlich in erster Linie entstehen, wenn Ihr Depot in Bewegung bleibt.

Was viele nicht verstehen: Schlechte Finanzberatung ist in erster Linie keine Frage mangelnder Moral der Mitarbeiter – sie ist systembedingt. Solange Finanzberater von Provisionen leben, gibt es einen diametralen Interessenkonflikt: immer, überall, ohne Ausnahme. Nicht Sie zahlen Ihren Berater, sondern die Finanzindustrie. Und deshalb vertritt Ihr Berater auch nicht Ihre Interessen, sondern die Interessen des Produktherstellers. Sprich: Er sorgt dafür, dass Ihnen etwas verkauft wird. Das ist das kleine Einmaleins des Kapitalismus: Wer zahlt, schafft an. Ihr Berater ist keiner ‒ er ist ein Verkäufer. So einfach ist das.

Illustration Stefan Heringer und Dr. Nikolaus Braun

Dr. Nikolaus Braun und Stefan Heringer sind die Gründer der Neunundvierzig Honorarberatung. Ihre Kernkompetenz ist die langfristige Begleitung Ihrer Mandanten rund um die Frage wie Vermögen Lebensqualität schaffen kann. Als Vermögensverwalter der Deutschen Wertpapiertreuhand stehen Sie für finanzwissenschaftlich informierte Anlagestrategien. Braun ist zudem Autor des Finanzratgebers „Über Geld Nachdenken“.

Das Problem dabei: Unterschiedliche Produkte bringen dem Verkäufer unterschiedlich hohe Provisionen. Geschlossene Beteiligungen bis zu 10 Prozent, Versicherungen, Zertifikate und Aktienfonds 5 Prozent, ein ETF oder eine Staatsanleihe aber nur 1 oder 0,5 Prozent. Noch schlimmer: Die Provisionen bei geschlossenen Beteiligungen, Versicherungen oder Zertifikaten sind für Laien zur Hälfte nahezu unsichtbar. So etwas nennt sich Innenprovision beziehungsweise Strukturierungsgewinn. Auch beim Aktienfonds sehen Sie nur die Spitze des Eisbergs: Nachdem die ersten 5 Prozent geflossen sind, schiebt die Fondsgesellschaft Ihrer Bank Jahr um Jahr rund 1 Prozent des Fondsvolumens – also 1 Prozent von Ihrem Geld – als Kickback unter dem Tisch zu. Und falls Sie mit dem Begriff „Kickback“ nichts anfangen können: Das ist einfach ein anderes Wort für Bestechungsgeld.

Was wird Ihnen Ihr Verkäufer also empfehlen? Mit ihm zu reden, ist nicht nur sinnlos, es ist gefährlich. Mag er noch so freundlich und sympathisch sein ‒ er ist Teil eines gegen Ihre Interessen gerichteten Systems.

Nehmen Sie Ihre Finanzen selbst in die Hand

Dabei wäre alles so einfach: Ein komplettes Provisionsverbot, wie es Verbraucherschützer oder die Bürgerbewegung Finanzwende fordern, ist kein Hexenwerk. In England, den Niederlanden und Australien funktioniert das auch. Steuerberater werden auch nicht vom Finanzamt bezahlt. Anwälte verlieren ihre Zulassung, wenn sie Gelder der Gegenseite annehmen – das nennt man Mandantenverrat. Warum Mandantenverrat in einem der wichtigsten Lebensbereiche, wo es um Ihre Lebensqualität, Ihren Lebensstandard im Alter oder die Ausbildung Ihrer Kinder geht, legal sein soll, ist nicht zu verstehen.

Bis es so weit ist, müssen Sie sich selbst zur Wehr setzen. Fragen Sie Ihre Bank nach Ihrem letzten Ex-post-Kostenausweis und schauen Sie sich diesen genau an. Wenn das ganze Elend von Verwaltungsgebühren, Produktkosten und Transaktionskosten sichtbar wird, wird Sie das vermutlich schlagartig aus dem Tiefschlaf rütteln. Nehmen Sie Ihre Finanzen selber in die Hand oder reden Sie mit einem unabhängigen Honorarberater.

 

Alles Liebe,

Ihr Stefan Heringer und Nikolaus Braun

p.s.: Mehr zum Thema rationale Anlagestrategien, Strategien zum Vermögensaufbau, aber auch darüber, wie Ihr Umgang mit Geld Sie glücklicher machen kann, finden Sie im Blog der Neunundvierzig Honorarberatung und in Nikolaus Brauns Finanzratgeber:„Über Geld Nachdenken“.

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21.10.2021    Stefan Heringer und Dr. Nikolaus Braun
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