Es könnte alles so einfach sein. Ist es aber nicht, wie die Zahlen zeigen. Auf der einen Seite stimmt die Einstellung: Betriebliche Vorsorge, hat die Versicherung Continentale herausgearbeitet, ist bei 81 Prozent der Mitarbeitenden beliebt. Auf der anderen Seite gilt etwa die betriebliche Altersvorsorge (bAV) noch immer als zu komplexes Thema. 58 Prozent der Deutschen zwischen 20 und 34 Jahren halten Altersvorsorge für kompliziert, zeigt eine Erhebung der Fondsgesellschaft Fidelity. Sie sähen am liebsten einen Automatismus: Ein Teil des Gehalts würde ohne weiteres Zutun in die bAV fließen. Das Beratungshaus Deloitte schreibt daher: „Eine bessere und breitere Versorgung der Arbeitnehmer mit bAV ist ein langwieriger Prozess.“
Grundversorgung reicht nicht
Beliebt, aber nur bedingt verbreitet sind Vorsorgeleistungen also? Immerhin, es ändert sich etwas. Unter anderem weil die Fakten auf dem Tisch liegen. Und eine deutliche Sprache für diese Art der Vorsorge sprechen. Denn da ist zum einen die private Altersvorsorge. Weil die Menschen immer älter werden, beziehen sie auch immer länger Rente. Eingezahlt wird diese Rente von den Berufstätigen, um gleich an die Rentenbezieher ausgezahlt zu werden.
Weil sich aber der Anteil von Einzahlern zu Empfängern an der Gesamtbevölkerung seit Jahren in Richtung der Empfänger verschiebt, musste der Staat bereits eingreifen und das künftige Rentenniveau senken sowie das Renteneintrittsalter anheben. Das bedeutet, dass künftige Rentnerinnen und Rentner nicht nur auf den Staat setzen sollten, sondern auch privat vorsorgen müssen. 70 Prozent der Bundesbürger kalkulieren die gesetzliche Rente nur noch als Grundversorgung ein, zeigt der Vorsorgereport der Deutschen Bank.
Fonds statt Firmenwagen
Unterbreiten Arbeitgeber ihren Angestellten ein entsprechendes Angebot, kommt das daher gut an. Eine Erhebung des Online-Jobportals StepStone zeigt: Für 49 Prozent der befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehört eine bAV zu den wichtigsten drei Benefits – deutlich vor den Klassikern Gewinnbeteiligung (24 Prozent) oder Firmenwagen (19 Prozent).
Fonds statt Firmenwagen? Es dreht sich tatsächlich etwas, belegen beispielsweise Zahlen der aba – der Arbeitsgemeinschaft betriebliche Altersversorgung. 2001 hatten 14,6 Millionen Beschäftigte eine bAV, 2019 waren es bereits 21 Millionen. „Die Zahlen zeigen allerdings auch, dass die bAV vor allem in großen Unternehmen verbreitet ist. Und je größer die Unternehmen sind, umso mehr ist sie verbreitet“, sagt Björn Feigl, Teamleiter im Produktmanagement bAV der Generali Deutschland.
Die Erhebungen der bereits genannten aba unterstreichen diese Analyse: In Betrieben mit weniger als zehn Angestellten haben nur 29 Prozent eine bAV. Zwischen 50 und 1.000 Mitarbeitenden liegt der Anteil schon bei 48 Prozent. Und in Großunternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten sind 88 Prozent betrieblich altersversorgt.
Einer der Gründe liegt in der bAV selbst. „Unsere Studien belegen, dass 96 Prozent der Arbeitgeber irgendeine Form der bAV anbieten“, so Feigl. „Andere Erhebungen zeigen, dass 40 Prozent der Arbeitnehmer sagen, ihnen liege kein Angebot vor. Das ist das Problem, und das lässt sich unter anderem in der Kommunikation, in der Ansprache lösen.“ Mit anderen Worten: Das Thema ist komplex – zu komplex, um es nur nebenher zu handhaben. Martin Bockelmann von der Vorsorgeplattform Xempus fasst es so: „Wenn das Thema in der Personalabteilung eines Unternehmens als Nervthema verortet ist, bleibt es schwierig.“ Und je größer ein Unternehmen, umso mehr Luft hat es, sich des Themas anzunehmen.
Kleinere Firmen müssen dennoch nicht außen vor bleiben. „Die Digitalisierung ist ein wichtiger Treiber, weil sie auch für Transparenz und Klarheit sorgt“, sagt Feigl. Bockelmann ergänzt: „Das Thema muss einfacher werden, gerade auch für kleinere und mittlere Unternehmen. Die Digitalisierung ist da ein geeignetes Werkzeug, weil sie hilft, komplexe Produkte einfacher darzustellen und zu kommunizieren.“
Corona-Knick bei der Vorsorge fürs Alter
Und wie hat sich durch Corona die Beschäftigung mit bAV verändert? Neben Befragungen von CEOs deutscher Lebensversicherungsgesellschaften wertete Xempus Datensätze seiner Plattform zwischen Januar 2020 und März 2021 im Hinblick auf Veränderungen bei Anträgen, Vertriebswegen und Tarifarten aus. Das Ergebnis: „Kleine Versicherer haben beispielsweise während des ersten Lockdowns einen deutlich geringeren Antragsrückgang verzeichnet als größere Versicherer und Versorgungswerke. Durch flexiblere Reaktionsmöglichkeiten konnten sie sogar Marktanteile dazugewinnen“, sagt Bockelmann. „Eine wichtige Erfahrung aus der Krise ist, dass digitale Angebote helfen, Kundenwünsche zu erfüllen. Arbeitgeber profitieren von der einfachen Verwaltung, was es ihnen erleichtert, ihren Mitarbeitenden eine bAV anzubieten. Die Nachfrage steigt.“
Tatsächlich unterfüttern auch andere Studien diese Einschätzung, etwa von der Versicherung Continentale. Fast zwei Drittel der Befragten (62 Prozent) erklärten, bei der Wahl eines künftigen Arbeitgebers spiele die bAV eine wichtige oder sehr wichtige Rolle. Die Digitalisierung? Steht ohnehin auf der To-do-Liste der Unternehmen. Und die Arbeitnehmer? Deren Erwartung – auch an Vorsorgelösungen – ist von Erfahrungen mit Online-Shopping und -Banking geprägt, schreiben die Experten des Beratungshauses Willis Towers Watson. Es könnte eben so einfach sein.