Garantiezins-Senkung

Steht die Riester-Rente vor dem Aus?

Jetzt ist es amtlich: Der Garantiezins bei neu abgeschlossenen Lebensversicherungen fällt von 0,9 auf 0,25 Prozent. Das bringt vor allem die Anbieter von Riester-Renten in Bedrängnis. Experten streiten auch über die Frage, ob Bestandskunden nun weniger Rente bekommen.

30.04.2021

Lange hat es in der Branche schon rumort, jetzt ist es offiziell: Ab dem 1. Januar 2022 fällt der Garantiezins, auch Höchstrechnungszins genannt, auf 0,25 Prozent, so hat es das Bundesfinanzministerium verfügt. Die Neuerung ist bereits im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Seit 2017 lag der Wert bei 0,9 Prozent. Das bedeutet: Versicherer dürfen Neukunden ab dem nächsten Jahr maximal noch eine jährliche Verzinsung von 0,25 Prozent versprechen.

Damit werden Lebensversicherungen, die in den 90er- und frühen 00er-Jahren noch der Verkaufsschlager in der Altersvorsorge waren, für Verbraucher noch unattraktiver. Bis zu vier Prozent betrug damals der Garantiezins, was zu sehr ordentlichen und fast risikolosen Renditen bei der Auszahlung führte. Auch wenn der Zins nur für den Teil der eingezahlten Beiträge gilt, der nicht für die einkalkulierten Kosten und den Versicherungsschutz verwendet wird. Die Konsequenz für die Assekuranz: „Die neue Zinssituation setzt weite Teile der Branche erheblich unter Druck. Einige Anbieter werden sich vielleicht sogar vollständig vom Markt zurückziehen", sagt Oliver Suhre, Generalbevollmächtigter der Monuta Versicherungen.

Defacto-Beerdigung der Riester-Rente

Noch gravierender könnten die Folgen der Absenkung für die Riester-Rente sein: Bei den staatlich geförderten Policen sieht der Gesetzgeber eine hundertprozentige Garantie der eingezahlten Beiträge und der Förderung vor. Viele Anbieter würden sich 2022 vom Markt zurückziehen, weil sie dann den Beitragserhalt unter dem neuen Höchstrechnungszins nicht mehr garantieren können, warnt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). „Das führt zu einer Defacto-Beerdigung der Riester-Rente“, sagt GDV-Chef Jörg Asmussen.

Die Forderung der Branchenlobby: Eine Absenkung des Garantieniveaus auf 80 Prozent. „Produkte mit einer hundertprozentigen Beitragsgarantie sind in der heutigen Negativzinswelt aktuariell nicht mehr sinnvoll“, bestätigt Guido Bader, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV), der berufsständischen Vertretung der Versicherungs- und Finanzmathematiker. Durch die aufgeweichten Garantien, die bei nicht-geförderten Policen ohnehin auf dem Vormarsch sind, versprechen sich die Anbieter mehr Freiheiten bei der Investition des Kapitals. Sie wollen mehr Geld in Aktien oder andere renditestarke Anlageklassen anlegen.

„Wir wollen, dass die Altersvorsorge bleibt, wie sie ist – mit attraktiven Renditechancen, echten Mehrwerten für unsere Kunden über Zeiträume von 30 oder 40 Jahren, dabei zuverlässig und sicher“, sagt Andreas Wimmer, der Vorstandsvorsitzende der Allianz Lebensversicherung.

Sind auch Bestandskunden betroffen?

Heftig gestritten wird um die Frage, ob die Garantiezins-Senkung auch bereits bestehende Verträge betrifft. Der GDV betont: „Für die garantierten Leistungen bestehender Versicherungsverträge hat der Schritt keine Folgen.“ Ganz anders sieht es der Bund der Versicherten (BdV). Der Vorwurf: Der GDV täuscht Versicherte und Politik. „Im Schnitt dürften die Renten durch den neuen Höchstrechnungszins etwa um zehn Prozent geringer ausfallen“, schreibt der BdV-Chef Axel Kleinlein in einem Gastbeitrag für das „Manager Magazin“.

Die Begründung: Die Zinssenkung würden auch die garantierten Rentenfaktoren betreffen und damit die Rentenhöhen. Denn die Versicherer hätten sich bei vielen Tarifen im Kleingedruckten vorbehalten, bei solchen Zinssenkungen die garantierten Renten zu Rentenbeginn zu kürzen. Bei Rentenverträgen, die bereits in der Auszahlung sind, sind keine Kürzungen zu erwarten, so der BdV.

Die Verbraucherschutzorganisation plädiert zudem für eine Deckelung der Provisionen. Bei gleicher Leistung führe ein niedrigerer Rechnungszins zu deutlich höheren Beiträgen und damit zu deutlich höheren Provisionen. „In einem Beispielfall, den wir auch dem Bundestag vorgestellt haben, geht es um eine Provisionssteigerung von 30 Prozent – bei gleicher garantierter Leistung. Deshalb brauchen wir endlich einen Provisionsdeckel“, argumentiert Kleinlein.