Neue Wege zur Unternehmensbeteiligung

Transformation: KI und digitale Prozesse revolutionieren Finanzierungen im Mittelstand und den Investorenzugang für strategische Minderheitsbeteiligungen

Sinnbild, Unternehmensbeteiligung

19.12.2024

Der Markt für Unternehmensbeteiligungen befindet sich im Wandel. Mittelständische Unternehmen suchen vermehrt nach flexiblen Finanzierungsmöglichkeiten, ohne die Kontrolle abzugeben. Gleichzeitig steigt das Interesse von Investoren an strategischen Minderheitsbeteiligungen. Matthias Wittenburg, Gründer der Beteiligungsbörse Deutschland, erläutert, wie seine Plattform diesen wachsenden Bedarf adressiert und welche Rolle digitale Prozesse dabei spielen.

Portrait, Matthias Wittenburg

Matthias Wittenburg

ist Gründer der Beteiligungsbörse Deutschland und Experte für digitale Lösungen im Bereich Unternehmensbeteiligungen

DUP UNTERNEHMER: Die Beteiligungsbörse Deutschland bietet Investoren und Unternehmen eine Plattform für Unternehmensbeteiligungen. Welche Probleme und Bedürfnisse adressieren Sie mit Ihrem Angebot?

Matthias Wittenburg: Die Beteiligungsbörse richtet sich an mittelständische Firmen oder etablierte Wachstumsunternehmen, die zusätzliches Eigenkapital benötigen, sowie an Investoren, die direkt in solche Betriebe investieren möchten. Zwar gibt es in der DACH-Region zahlreiche Anbieter für Unternehmensnachfolgen und -verkäufe. Bislang fehlt aber ein strukturiertes Angebot, das gezielt den Markt für Minderheitsbeteiligungen adressiert. Dies ist für alle Marktteilnehmer unbefriedigend: Kapital suchenden Unternehmen fehlt eine Anlaufstelle, Investoren erhalten oft nur unzureichend aufbereitete Beteiligungsangebote präsentiert, und für Berater lohnen sich Kapitalgesuche ab einer Million Euro aufgrund fehlender Lösungen für die Erstellung einer kompletten Due Diligence oder aufwendiger Unternehmenspräsentationen meist nicht. Wir haben die Beteiligungsbörse Deutschland vor drei Jahren mit dem Ziel konzipiert, diese Defizite durch einen standardisierten, hochprofessionellen Prozess zu beseitigen. Unsere kollaborative Plattform bindet so zum Beispiel Due-Diligence-Dienstleister per Schnittstelle ein. Perspektivisch spielt bei der Er- stellung von Dokumenten oder der Investorensuche natürlich auch Künstliche Intelligenz eine immer größere Rolle.
Gleichzeitig gibt es stets einen erfahrenen Transaktionsberater. Viele etablierte Beratungen nutzen uns in- zwischen für ihre Mandate, da sie erkannt haben, dass sich Transaktionen mit unserer Einbindung schneller und erfolgreicher umsetzen lassen. Auch Banken und Sparkassen empfehlen uns ihren Firmenkunden. Zusammenfassend bietet unsere Plattform also mittelständischen Unternehmen Zugang zu dringend benötigten finanziellen Ressourcen, und gleichzeitig finden Investoren bei uns qualitätsgeprüfte Investitionsmöglichkeiten. Dies trägt konkret zur Stärkung der mittelständischen Wirtschaft bei.

Wie sehen Sie die aktuelle Entwicklung des Markts für Unternehmensbeteiligungen in Deutschland?

Wittenburg: Der Markt für Unternehmensbeteiligungen in Deutschland durchlebt momentan eine dynamische Transformation. Aufgrund der zahlreichen Belastungsfaktoren der vergangenen Jahre sowie der sicherlich auch weiterhin komplexen geopolitischen und ökonomischen Herausforderungen suchen viele Unternehmen nach flexiblen Finanzierungslösungen, um ihre Wachstumspläne zu realisieren oder auch nur die Bilanz zu stärken. Dadurch nimmt die Nachfrage nach Minderheitsbeteiligungen zu, da viele Unternehmer Kapital benötigen, ohne gleich die Kontrolle über ihre Firmen abgeben zu wollen.  Vonseiten der Investoren, insbesondere aus dem Bereich des Private Equity und der Family-Offices, sehen wir eine klare Tendenz hin zu unternehmerischen Direktbeteiligungen auch unterhalb der bislang üblichen Größenordnung. Solche Investoren suchen strategische Minderheitsbeteiligungen, weil sie dadurch die Möglichkeit haben, in Firmen mit starken Managementteams und soliden Geschäftsmodellen zu investieren. Ein weiterer wesentlicher Trend, der den Markt beeinflusst, ist die Digitalisierung. Plattformen wie die Beteiligungsbörse transformieren den M&A-Prozess, indem sie ihn standardisieren und beschleunigen, was sowohl für Investoren als auch für Unternehmen die Effizienz und Transparenz stark verbessert. 

Die aktuelle wirtschaftliche Lage stellt viele Unternehmen vor finanzielle Herausforderungen. Wie haben sich die Anfragen zur Kapitalbeschaffung bei Ihnen in den letzten Monaten entwickelt, und welche Trends beobachten Sie bei den Finanzierungsbedarfen?

Wittenburg: Die Krisen der vergangenen Jahre haben bei vielen Unternehmen zu einem Abschmelzen der Eigenkapitalquote geführt. Denken Sie zum Beispiel an die rund 75 Milliarden Euro Corona-Kredite, die aufgenommen wurden und jetzt aus dem laufenden Geschäft verzinst und getilgt werden müssen. Auch die Normalisierung der Zinslandschaft hat die Finanzierungskosten weiter steigen lassen. Viele Unternehmen kommen daher zu uns, weil sie vonseiten ihrer Kredit gebenden Banken keine weiteren Finanzierungen mehr erhalten oder Probleme bei der Prolongation bestehender Linien haben. Ein weiterer Trend ist das gestiegene Interesse an Wachstumsfinanzierungen. Gesellschafter, die in den letzten Jahren zurückhaltend investiert haben, wollen jetzt expandieren, um neue Marktchancen zu nutzen. Allerdings benötigen sie hierfür zusätzliche finanzielle Mittel, die in aller Regel vorrangig als Eigenkapital gestellt werden müssen. 

Ein zentrales Angebot Ihrer Plattform ist die Reduzierung von Transaktions- und Due-Diligence-Kosten. Wie gelingt es, diese Prozesse effizient und dennoch sicher zu gestalten?

Wittenburg: Indem wir fortschrittliche digitale Technologien nutzen und die immer wiederkehren- den Teile des Prozesses konsequent standardisieren. Dabei binden wir renommierte Partnerunternehmen ein, sodass für jedes Beteiligungsangebot die bei uns obligatorische Verkäufer-Due-Diligence in gesellschaftsrechtlicher, steuerrechtlicher, kommerzieller und finanzieller Hinsicht erfolgt. Ein Beispiel: Viele Unternehmenszahlen und -dokumente werden im Prozessverlauf mehrfach benötigt, zum Beispiel durch unsere Partneranwälte
oder bei der Erstellung von Angebotsunterlagen. Wir stellen diese Unterlagen den registrierten Parteien nicht nur in eigenen Datenräumen zur Verfügung. Die digitalen Verarbeitungstools greifen hierauf über Schnittstellen zu, und auch Investoren können diese im späteren Verfahren direkt nutzen. Das ist für großvolumige Deals schon längst Standard, für kleinere Beteiligungen bislang jedoch nicht.

Wie sehen Sie die Rolle der Beteiligungsbörse in den kommenden Jahren für Unternehmen, die auf der Suche nach Investoren sind?

Wittenburg: In den nächsten Jahren wird sich die Beteiligungsbörse zum Marktplatz der Wahl für Kapital suchende mittelständische Unternehmen entwickeln. Wir werden die Tiefe der Due Diligence ausbauen, etwa im Hinblick auf Nachhaltigkeitskriterien. Durch fortlaufende Verfeinerung der Datenanal- se und -aufbereitung wird die Qualität unserer Investment-Dossiers, also der Angebotsunterlagen, weiter zunehmen und sich immer mehr von den leider häufig anzutreffenden, wenig kritischen Verkaufs- unterlagen abheben. Der Pool der bei uns registrierten Investoren wächst täglich, sodass wir auch für immer ausgefallenere Unternehmensprofile den passenden Kapitalgeber finden können. 
Schon heute kommen immer wieder Unternehmer zu uns, die über den Weg einer Minderheitsbeteiligung eine perspektivische Nachfolge planen. Wir begleiten derzeit selbst aber noch keine Mehrheits- oder Komplettverkäufe. Ebenso sind wir aktuell bewusst noch nicht für frühphasige Start-ups oder bei Eigenkapitaleinwerbungen für Projekt- und Immobilienfinanzierung tätig. Das kann sich ebenso ändern wie die Schaffung eines Zweitmarkts: Die Börse Hamburg ist Mitgesellschafterin unseres Unternehmens. Hier kann man sich also noch so einiges vorstellen.