Das Gebäude der Europäischen Zentralbank
09.08.2022    Kathy Günther
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Wie lässt sich die Geldentwertung ausbremsen? Sind Tages- und Festgeldkonten angesichts steigender Zinsen wieder eine gute Wahl? Wie lässt sich Stabilität ins Portfolio holen?

Drei Experten verraten ihre besten Tipps: René Schlichting, Vermögensberater der Deutschen Vermögensberatung (DVAG), sowie Thomas Graby und Henning Potstada, beide stellvertretende Fondsmanager des DWS Concept Kaldemorgen. Sie erklären, wo sich derzeit Chancen für Investments bieten und wie sich dem Kaufkraftverlust des Ersparten durch die Inflation begegnen lässt.

Zur Person

René Schlichting von der DVAG

René Schlichting

ist seit 1992 als selbstständiger Vermögensberater unter dem Dach der Deutschen Vermögensberatung (DVAG) tätig, der größten Finanzberatung Deutschlands

Zur Person

Thomas Graby von der DWS

Thomas Graby

ist leitender Fondsmanager des DWS Invest Conservative Opportunities, stellvertretender Fondsmanager des DWS Concept Kaldemorgen und Risikomanager

Zur Person

Henning Potstada von der DWS

Henning Potstada

ist leitender Fondsmanager des DWS Multi Opportunities, DWS Invest Multi Opportunities sowie Mitbegründer und stellvertretender Fondsmanager des DWS Concept Kaldemorgen. Darüber hinaus leitet er gemeinsam mit Klaus Kaldemorgen den Multi-Asset-Bereich „Highly Active“

Herr Schlichting, Sie beraten Menschen unter anderem zu Geldanlage und Vermögensaufbau. Inflation, Ukraine-Krieg, Zinsanstieg: Welche Sorgen treiben Ihre Kundinnen und Kunden derzeit besonders um?

René Schlichting: Inflation ist das Wort der Stunde, das nehme ich im Umgang mit Kundinnen und Kunden so wahr. Die Menschen haben Angst, ihren sozialen Status durch die steigenden Preise zu verlieren, und fragen nach Lösungen. In so einer Situation ist es wichtig, einen Finanzcoach wie eine Vermögensberaterin oder einen Vermögensberater an der Seite zu haben.

Mit der Inflation steigen nun auch die Zinsen. Können Sparerinnen und Sparer ihr Geld jetzt wieder auf Tages- oder Festgeldkonten legen?

Schlichting: Nehmen wir mal an, Sie sparen im Jahr 1.000 Euro. Das Gemeine ist, dass Sie am Jahresende aufs Sparbuch gucken und sehen: 1.000 Euro stehen drauf, ist doch alles in Ordnung. Aber aufgrund der negativen Realrenditen auf Tages- und Festgeldkonten haben Sie knapp 80 Euro weniger Kaufkraft in der Tasche. Es wäre aus meiner Sicht die schlechteste Lösung, das Geld langfristig auf Liquiditätskonten stehen zu haben. Es gehört in Sparpläne, an der Börse investiert oder in einen Fonds – in ein Papier, das möglichst Erträge erzielt und die Inflation einigermaßen ausgleicht.

Herr Graby, Herr Potstada – sehen Sie Fonds als Alternative zum Sparbuch?

Thomas Graby: Das hängt sicherlich von der Fondsauswahl und der Risikopräferenz des Anlegers ab. Die Fonds DWS Invest Conservative Opportunities und DWS Concept Kaldemorgen zeichnet aus, dass wir mittels eines strikten risikokontrollierten Investmentansatzes versuchen, die maximale Rendite für unsere Kundinnen und Kunden herauszuarbeiten. Beim DWS Invest Conservative Opportunities streben wir an, maximal einstellige Verluste innerhalb eines Kalenderjahres zuzulassen und dabei mindestens über einen Drei-Jahres-Zeitraum eine positive Rendite zu erwirtschaften. Daher bietet sich der Fonds durchaus für Einsteigerinnen und Einsteiger an, die vom Sparbuch kommen. Beim DWS Concept Kaldemorgen soll das Risikomanagement dafür sorgen, dass die Kursverluste in einem Jahr nicht höher als zehn Prozent ausfallen.

Henning Potstada: Der DWS Concept Kaldemorgen ist ebenfalls sehr risikokontrolliert, aber er ist ein Stück sportlicher. Im Augenblick ist beispielsweise knapp die Hälfte des Portfolios mit Aktientiteln besetzt.

Viele Anlegerinnen und Anleger sehen angesichts der jüngsten Schwankungen an den Aktienmärkten Verluste in ihrem Portfolio. Funktioniert die Strategie von Börsenguru André Kostolany noch – Aktien kaufen, liegenlassen und sich nach vielen Jahren über satte Gewinne freuen?

Graby: Grundsätzlich funktioniert diese Strategie nach wie vor. US-Aktien zum Beispiel haben seit den 1950er-Jahren ein durchschnittliches jährliches Plus von 7,2 Prozent erzielt. Und die Unternehmensgewinne sind in diesem Zeitraum im Schnitt um etwa sieben Prozent jährlich gestiegen. Aktien sind nach wie vor ein valides Instrument, um langfristig Vermögen aufzubauen. Zumindest solange man nicht glaubt, dass die Weltwirtschaft in den nächsten 50 Jahren schrumpft – und ich denke, das sehen wir alle nicht.

Wozu braucht man dann ein Fondsmanagement? Es ließe sich doch einfach mit einem ETF auf einen Index wie den S&P 500 und dessen langfristige Renditechancen setzen.

Graby: Weil wir versuchen, einen Mehrertrag zu erwirtschaften – etwa indem wir auf das aktuelle Marktumfeld reagieren und Renditeperlen finden. Ein einfaches Rechenbeispiel: Wenn man 50 Prozent verliert, muss man danach 100 Prozent gewinnen, um wieder auf den Ausgangswert zu kommen. Da ist aktives Fondsmanagement gefragt, um etwaige Verluste von vornherein möglichst gering zu halten.

Herr Potstada, wie haben Sie und Ihr Team auf die jüngsten Veränderungen am Markt reagiert?

Potstada: Ein paar Punkte, wie wir mit dieser Zeitenwende umgegangen sind: Wir haben gesagt, die Inflation wird strukturell steigen, Notenbanken werden reagieren. Das heißt, wir haben relativ wenige Rententitel im Portfolio. Und wir haben sogar versucht, positive Erträge zu generieren, wenn der Zins steigt. Einen Short nennt man das in unserem Jargon. Mit Erfolg – wir haben von den steigenden Zinsen profitiert. Außerdem sind wir mit unserer Aktienmischung im Portfolio aktuell sehr gut durch die Schwankungen gekommen. Zudem haben wir in Stabilisatoren im Portfolio investiert. Damit sind wir in letzter Zeit sehr gut gefahren. Das zeigt: Die Flexibilität, für die wir stehen, ist in einer Zeitenwende das A und O.

Welche Anlagen erscheinen Ihnen im Moment aussichtsreich?

Potstada: Unsere Aufgabe als Mischfonds-Manager ist es, Defensive und Offensive richtig zu mischen. Die Rendite muss in der aktuellen Kapitalmarktsituation von der Aktienseite kommen. Da können im Augenblick mehr defensive dividendenorientierte Titel dabei sein, vielleicht sogar Infrastrukturtitel, weil das Umfeld ungewiss ist. Wir wollen aber auch auf zyklische Werte und Digital-Gewinner nicht verzichten. Auf der anderen Seite möchten wir Stabilität in unseren Portfolios gewährleisten. Entsprechend brauchen wir einen großen Block, der Sicherheit bietet. Das sind heutzutage nicht mehr Staatsanleihen. Gold als wichtiger Bestandteil bietet Stabilität, aber auch Fremdwährungen. Denn der Krieg in Europa und die Gas-Knappheit sind nicht gut für die europäische Wirtschaft. Das lastet auf dem Euro. Deswegen mögen wir zum Beispiel den Dollar.

Bei schlechten Nachrichten tauchen die Börsen immer ab. Doch nach Krisen geht es regelmäßig erneut bergauf. Herr Graby, trauen Sie den Börsen ein Comeback zu, vielleicht auch mit explodierenden Kursen?

Graby: Grundsätzlich glaube ich, dass die Aktienmärkte wieder positiv werden. Ob die Kurse dann nach oben schnellen, wie beispielsweise in der Coronakrise? Das sollten Anlegerinnen und Anleger nicht erwarten. Wir haben die letzten zehn Jahre eine deutliche Überrendite der Aktienmärkte im Vergleich zum langfristigen Durchschnitt gesehen, begründet durch die lockere Notenbankpolitik. Jetzt werden wir etwas näher zur Normalität zurückkommen, vielleicht ein bisschen unter die Normalnorm von sieben Prozent Rendite pro Jahr. In den 1970er- und 1980er-Jahren, als die Notenbanken auch agieren mussten, weil die Inflation sehr hoch war, konnte sich etwa der US-Aktienmarkt mit Renditen von fünf bis sechs Prozent pro Jahr im Durchschnitt gut entwickeln. Ich denke, das ist nach vorne schauend ein realistisches Szenario.

Ist jetzt ein guter Zeitpunkt für den Einstieg in den Aktienmarkt?

Graby: Der richtige Einstiegszeitpunkt lässt sich vorausschauend nicht bemessen. Fakt ist aber: Langfristig haben sich Aktienanlagen stets bewährt. Und es bieten sich aktuell ausgezeichnete Einstiegsmöglichkeiten. Die Kurse sind heruntergekommen, möglicherweise sinken sie auch noch weiter. Das heißt, gerade für ratierliches langfristiges Sparen mit Fonds könnte jetzt ein guter Zeitpunkt sein.

Angesichts der eingangs angesprochenen Inflation denken manche Menschen sicher weniger darüber nach zu investieren, sondern eher darüber, an ihrer Altersvorsorge zu sparen. Herr Schlichting, ist das sinnvoll?

Schlichting: Bei einem Haushalt mit einem durchschnittlichen Einkommen von 3.000 Euro pro Monat machen sich die gestiegenen Kosten durchaus bemerkbar. Doch jetzt an die Altersvorsorge zu gehen ist der falsche Weg. Hier zahlt es sich aus, einen Finanzcoach wie einen Vermögensberater an der Seite zu haben. Wir begleiten unsere Kundinnen und Kunden auch in komplizierten finanziellen Situationen.

09.08.2022    Kathy Günther
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