Ein Blick ins Stadion bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Winterspiele in Peking 2022.
11.03.2022    Arne Gottschalck
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Er dürfte schon fast alles an der Börse gesehen haben – Mark Mobius ist so etwas wie der Altmeister, wenn es um Geldanlage in den Emerging Markets wie China oder Indien geht. Er flog mit dem Jet schon in die entlegenen Winkel der Welt, als andere Fondsmanager noch abwinkten. Kein Wunder, wenn er der „Indiana Jones der Emerging Markets“ genannt wurde. Lange Jahre arbeitete er für Franklin Templeton, inzwischen ist er Herr über den Mobius Emerging Markets Fonds. Doch China hat ihn immer noch nicht losgelassen.

Zur Person

Porträt Mark Mobius, Mobius Capital Partners

Mark Mobius

mit vollem Namen übrigens Joseph Bernhard Mark Mobius, ist Gründungspartner von Mobius Capital Partners und verwaltet mit Carlos von Hardenberg den Mobius Emerging Markets Fonds. Zuvor war er lange Fondsmanager bei Franklin Templeton, lenkte unter anderem den Templeton Emerging Markets Fund

Alle schauen auf die Ukraine und die Folgen des Kriegs für den Westen. Aber inwieweit hat der Krieg Auswirkungen auf die chinesische Wirtschaft?

Mark Mobius: Der aktuelle Konflikt in der Ukraine wird Russland von vielen Handelsbeziehungen abschneiden, nicht nur in Europa und den USA, sondern auch in anderen Teilen der Welt. Russland wird daher sowohl bei der Ausfuhr seiner Rohstoffe als auch bei der Einfuhr in hohem Maße auf China als Handelspartner angewiesen sein. China scheint also von dieser Situation zu profitieren.

China war Gastgeber der Olympischen Winterspiele. Wird dieses Ereignis auch die Aufmerksamkeit der Investoren - und die Geldströme - auf sich ziehen?

Mobius: Die Winterspiele werden China sicherlich Aufmerksamkeit verschaffen. Ich gehe jedoch davon aus, dass die Investoren bei ihren Investitionen in diesem Land andere Faktoren berücksichtigen werden.

Was haben Sie aus dem Evergrande-Moment gelernt?

Mobius: Die Lektion war, dass die Vorschriften in China im Immobiliensektor ziemlich lax zu sein scheinen. Wie sonst ist es zu erklären, dass Immobilienentwickler wie Evergrande in der Lage waren, in so viele Bereiche zu expandieren, ohne von den Behörden in Frage gestellt zu werden? Für Investoren könnte die jüngste Verschärfung der Regeln und Vorschriften durch die chinesische Regierung also tatsächlich ein positives Zeichen sein. Doch wie bei jeder Investition gilt auch hier: „Käufer aufgepasst“. Jede Investitionsmöglichkeit sollte sorgfältig geprüft werden, und besondere Aufmerksamkeit sollte nicht nur der Bilanz, sondern auch anderen Faktoren wie dem Management und dem regulatorischen Umfeld gewidmet werden.

Generell gesprochen: Wie solide ist der chinesische Bankensektor im Vergleich zu dem der USA?

Mobius: China ist ein Einparteienstaat, in dem die Kommunistische Partei die Kontrolle über das Bankensystem hat. Daher ist der Bankensektor solide, da die Partei ihr Bestes tun wird, um sicherzustellen, dass die Banken stabil sind und nicht zusammenbrechen. Das bedeutet nicht, dass sie nicht stark fremdfinanziert sind. Das sind sie mit Sicherheit, aber in jeder Krise wird die Regierung als Sicherheitsnetz zur Verfügung stehen. Natürlich unterscheidet sich das nicht wesentlich von dem, was wir in anderen Teilen der Welt, auch in Europa, erlebt haben.

Eine der Folgen der Pandemie ist eine Unterbrechung der internationalen Lieferketten. Inwieweit kann China auf lange Sicht von dieser Entwicklung profitieren?

Mobius: China wird nicht unbedingt von einer Unterbrechung der internationalen Lieferketten profitieren, da es selbst als wichtiger Importeur und Exporteur von eben diesen Lieferketten abhängig ist.

Einer der globalen Megatrends ist Nachhaltigkeit. Gilt das auch für China?

Mobius: Ja. Die Chinesen sind sich des Auftrags zur Nachhaltigkeit sehr bewusst und arbeiten daran, eine nachhaltige Gesellschaft zu schaffen. Aber es gibt oft übergeordnete Bedingungen, die es ihnen unmöglich machen, die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Oder sie erschweren das. So sind sie beispielsweise stark von Kohlekraftwerken abhängig – zu mehr als 60 Prozent bei der Energieversorgung –, die sie nicht abschalten können, ohne das Land lahmzulegen.

Ist für Sie als Investor die regulatorische Haltung der Regierung gegenüber Tech-Unternehmen ein Problem, da sie große Unternehmen wie Alibaba zu behindern scheint? Oder schafft das Chancen für kleine, agile Unternehmen?

Mobius: Ich halte es für eine gute Sache, dass die chinesische Regierung versucht, gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, indem sie gegen die großen Unternehmen vorgeht, die bestimmte Sektoren dominieren oder zu dominieren versuchen. Das lässt Raum für innovative kleinere und mittlere Unternehmen. Vielen von ihnen geht es gut. Das sind die Unternehmen, nach denen wir suchen.

Wie groß ist die „Wall of Worry" heutzutage, die „Mauer der Sorgen"? Kurse also, die zwei Schritte voranmachen, dann einen zurück?

Mobius: Das ist eine schwer zu beantwortende Frage. Was wir in den letzten zwei Jahren gelernt haben, ist, dass nichts sicher ist, wenn es um Covid-19 geht. Wir haben gesehen, wie die Märkte gestiegen sind, und wir haben auf dem Weg dorthin Korrekturen erlebt, die unter anderem durch Sorgen über die Inflation, die Geldpolitik der Fed und neue Covid-19-Varianten ausgelöst wurden. Ich persönlich glaube, dass sich dieses Muster bis weit in die zweite Jahreshälfte fortsetzen wird. Dennoch bin ich vorsichtig optimistisch, dass darauf eine Phase der Stabilisierung folgen wird. Die Lieferketten dürften sich allmählich normalisieren, was in Verbindung mit dem Durchsickereffekt höherer Leitzinsen dazu beitragen dürfte, den Inflationsdruck zu verringern. Und es gibt immer noch einen gewissen Nachholbedarf. Vor allem in den Schwellenländern wird für einige Länder, wie zum Beispiel Indien, in diesem Jahr ein BIP-Wachstum von neun Prozent prognostiziert.

Wenn man sich den MSCI Welt anschaut, spiegelt der Index immer noch nicht die wirtschaftliche Bedeutung der chinesischen Wirtschaft wider. Wird sich das jemals ändern – und wenn ja, was würde das für Sie als aktiven Investor bedeuten?

Mobius: China macht mehr als 30 Prozent des MSCI EM-Index aus. Unserer Meinung nach ist das ein bedeutender Anteil eines Index, der einen erheblichen Einfluss auf passive Anleger haben kann, die den Index verfolgen. Das war auch im letzten Jahr zu beobachten, als Unternehmen wie Alibaba und Tencent von den regulatorischen Maßnahmen in China betroffen waren. Diese großen Unternehmen haben den Index nach unten gezogen und die Anleger in Bezug auf China entmutigt. Ich würde sagen, um die Chancen in den Schwellenländern zu nutzen, muss man über die chinesischen Mega-Caps und auch über China hinaus schauen. Wir sehen zum Beispiel große Chancen in Indien und Taiwan, vor allem im Bereich der Small- und Mid-Caps, wo wir hochinnovative Unternehmen mit großartigen Managementteams finden, die in Bereichen wie Fabrikautomatisierung, Sensortechnologie, autonomes Fahren, Unterhaltungselektronik, Internet der Dinge (IoT), Künstliche Intelligenz und alternative Energien führend sind.

11.03.2022    Arne Gottschalck
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