Kraftwerk mit qualmenden Kühltürmen
13.02.2022    Arne Gottschalck
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iClima-Global-Decarbonisation-Enablers-Index: Das klingt etwas sperrig. Aber dieser Index zeigt, was iClima Earth macht: Viele Daten wälzen und dabei herausarbeiten, welche Unternehmen CO2-Emissionen aktiv vermeiden. Daraus lassen sich dann Indizes bauen.

Gabriela Herculano, Mitgründerin des FinTechs, verrät im Gespräch, was sie von der EU-Taxonomie mit Blick auf Atomkraft und Gaskraftwerke hält, was ihrer Meinung nach die beste Nachhaltigkeitskennzahl ist – und welche Probleme sie mit Indizes wie dem MSCI World ESG hat.

Zur Person

Gabriela Herculano vom FinTech iClima Earth

Gabriela Herculano

ist Mitgründerin und CEO von iClima Earth. Zuvor war sie unter anderem Managing Director von Invest & Grow Projects

Die EU hat zuletzt bestimmt, dass Atomenergie nachhaltig ist. Wie stehen Sie dazu?

Gabriela Herculano: Wir sehen die Kernenergie nicht als Lösung für den Klimawandel. Es geht nicht nur um Treibhausgase, es geht um Nachhaltigkeit. Außerdem ist Kernenergie teuer und braucht zu recht Zeit für die Genehmigung und den Bau der Kraftwerke. Sie ist keine sinnvolle Lösung für das Ziel, die Emissionen bis ins Jahr 2030 um die Hälfte zu reduzieren, wie es im Pariser Abkommen vereinbart wurde und wie es die Befürworter des Klimawandels immer noch anstreben. Kernenergie braucht immer noch Brennstoff – im Gegensatz zu Solar- oder Windenergie. Übrigens: 90 Prozent des in den US-Kernkraftwerken verwendeten Brennstoffs kommen aus Russland, Kasachstan und Usbekistan.

Erneuerbare Energien sind eine lokale Lösung, nicht brennstoffbasiert und deflationär, da Technologien wie Solarmodule und Batterien weiterhin von den Einsparungen bei der Massenproduktion profitieren und sich in einer materiellen Abwärtsspirale befinden.

Und Gas?

Herculano: Natural Gas ist ebenfalls ein fossiler Brennstoff. Wenn wir es als grün bezeichnen wollen, werden wir Anlagen mit einer Laufzeit von 30 Jahren finanzieren müssen. Das ist nicht der Zweck der EU-Taxonomie. Wir verstehen die Herausforderung, wir befinden uns in einer Übergangsphase, aber natürliches Gas als grün zu bezeichnen, ist ein Fehler.

Sie sprechen von „Fossinflation“ – der Inflation fossiler Brennstoffe. Wie soll ein nachhaltiger Ansatz Inflation bekämpfen?

Herculano: Fossinflation ist der hartnäckige Teil der US-amerikanischen Konsumenteninflation von gut sieben Prozent, die wir im Dezember 2021 gesehen haben. Der Konsens ist, dass die Preise von Kohle, Erdgas und Rohöl 2022 weiter steigen. Dadurch wird die Spanne zwischen den Energiekosten neuer Solar- und Windkraftanlagen gegenüber den alternativen gasbefeuerten Kombikraftwerken immer wettbewerbsfähiger. Die grüne Inflation ist von anderer Natur: Das Angebot an fossilen Brennstoffen wird reduziert, da Explorations- und Förderunternehmen ihre Aktivitäten einschränken. Bei den Mineralien, die für den grünen Übergang benötigt werden, ist das nicht der Fall.

Schauen wir auf den Dreiklang ESG. Viele Studien besagen, es sei recht leicht, mit dem E umzugehen, also mit der Rücksicht auf die Umwelt. Wie versuchen Sie, mit S und G umzugehen, also mit den sozialen und den Wohlverhaltensaspekten?

Herculano: Es gibt viele Indikatoren, mit denen sich die Robustheit der S- und G-Aktivitäten eines Unternehmens sehr gut beurteilen lässt. Der UN Global Compact hat sehr klare Definitionen von Dingen, die inakzeptabel sind – wie etwa Kinderarbeit. Die S- und G-Indikatoren quantifizieren das. Um die Auswirkungen zu quantifizieren, verwendet die UN die zukunftsorientierte Kennzahl der Potential Avoided Emissions – der potenziell vermiedenen Emissionen, kurz PAE. Wir sind der Meinung, dass ein Fonds, der ein klares Ziel verfolgt – unser Ziel ist die Dekarbonisierung –, auch eine klare Kennzahl braucht. Dabei sind wir ganzheitlich unterwegs, indem wir auch S- und G-Indikatoren berücksichtigen. Es geht nicht nur um Gase. Ein Fonds, der eine S- oder G-Wirkung anstrebt, muss einen klaren, greifbaren Indikator für diese Wirkung haben.

Sie wälzen dazu viele Zahlen. Wie schwierig ist es, die Geschwindigkeit zu messen, mit der Impact-Investing Wirkung zeigt?

Herculano: Wir sprechen viel über Beschleunigung. Wir bezeichnen sie als Time Value of Carbon. CO2, das jetzt nicht emittiert wird, ist wirkungsvoller als das CO2, das in langer Zukunft nicht emittiert wird. Auf der anderen Seite steht der Return on Carbon – also die Frage, wie viel wir investieren müssen, um CO2 zu vermeiden.

Zoom, ist ein großartiges Beispiel. Wir alle nutzen Zoom. Es hat sehr große Auswirkungen – wir haben quantifiziert, dass Zoom bis 2030 bis zu 0,5 Gigatonnen Kohlendioxid einsparen könnte, das ist massiv. Und es kostet nicht viel, um Telepräsenz zu einer dauerhaften Alternative zu Geschäftsreisen mit hohen Emissionen zu machen.

Was stört Sie an den konventionellen Nachhaltigkeitsindizes wie dem MSCI World ESG?

Herculano: Eine Menge. Wir brauchen Transparenz, wir brauchen Schlüsselindikatoren, wir brauchen Fonds, die ihren Zweck und ihre Metriken angeben. Viele der MSCI ESG-Fonds enthalten Namen von Explorations- und Förderunternehmen. Wir haben viele von ihnen im „Impact Report 2021“ von iClima vorgestellt.

Den größten Impact hat man bei großen Unternehmen, weil sie den größten Hebel aufweisen, sollten sie sich in Richtung Nachhaltigkeit aufmachen. Ist diese These korrekt?

Herculano: Wir müssen eine klare Unterscheidung treffen. Wir haben Nutzer von Dekarbonisierungslösungen und wir haben deren Anbieter. Das sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Wenn Sie ein Anwender sind, so wie etwa Amazon, können Sie nur Ihren Betrieb verbessern. Dekarbonisierung bedeutet dann, dass Kosten entstehen. Aber wirkungsvoll ist es, wenn die Dekarbonisierung ein Einnahmen-Posten ist. Das gilt für die Unternehmen, welche die Probleme lösen.

Wie groß ist die Gefahr für Anleger in Sachen Nachhaltigkeit selbstzufrieden zu werden? Nach dem Motto: Ich habe ja schon einen grünen Fonds und muss nicht weiter aktiv werden…

Herculano: Es ist ein Risiko, wenn der Anleger nicht alles durchblickt und einen bloßen Check-the-Box-Ansatz bei der Investition verfolgt. Was ist, wenn Sie in etwas investieren, das mit grün oder ESG gekennzeichnet ist, und es ist einer dieser Fonds, die viel Exploration und Produktion enthalten? Ist es das, was Sie wollten? Ist das zielführend? Wenn wir unsere Zukunft neu gestalten und von der emissionsintensiven Business-as-usual-Politik wegkommen wollen, müssen wir uns anstrengen und eine ganze Reihe von Veränderungen vornehmen: mehr Recycling, Abkehr von der linearen Wirtschaft, mehr erneuerbare Energien, weniger Verbrauch von Ressourcen, mehr Energieeffizienz und Autos als Dienstleistung, die nicht 95 Prozent der Zeit in einer Garage stehen. Das ist ein Paradigmenwechsel. Es ist mehr als ein Check-the-Box-Ansatz, bei dem in etwas investiert wird, das nur einer Idee zu entsprechen scheint.

13.02.2022    Arne Gottschalck
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