Illustration eines Impfstoffs gegen Corona
06.10.2021    Andreas Busch
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Dafür brauchen andere Wertpapiere Jahre: Mit der Aussicht auf eine Zulassung begannen die Aktien der Produzenten von Vakzinen gegen Covid-19 anzuziehen; als die Lieferungen dann einsetzten, eilten sie von Höchststand zu Höchststand. Mit dabei: das Unternehmen Biontech aus Mainz. Sitz der Zentrale: An der Goldgrube 12. 

Der Kursanstieg machte die Gründer Uğur Şahin und Özlem Türeci nach Medienberichten zu Milliardären. Auch die Zwillinge und ehemaligen Hexal-Eigen­tümer Andreas und Thomas Strüngmann, die den Aufbau der Firma mitfinanzierten, mehrten ihren Reichtum um etliche Mil­liarden Euro. Ebenso können sich viele Privatanleger, die zeitig investierten, über Vermögenszuwächse freuen. Und manch Anleger, der die Kursrally verpasste, fragt sich: Sollte ich jetzt noch einsteigen? Sind die Titel nicht viel zu hoch bewertet?

Robert Halver, Managing Director und Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank: „Sicherlich sind manche Impfstoffproduzenten sportlich bewertet. Wenn man sich aber vor Augen führt, dass zum Beispiel ein kleines Biotech-Un­ternehmen wie Biontech im zweiten Quartal mit 2,8 Milliarden Euro ähnlich viel Nettogewinn erwirtschaftet hat wie der Big Player Bayer mit einem diversifizierten Produktportfolio, relativiert das die vermeintlich hohe Bewertung wieder. Und auch bei einer Umsatzrendite von rund 80 Prozent wird manch etablierter Dax-Konzern neidisch.“

Vor allem das Morgen zählt

Wer heute in diese Titel investieren will, sollte den Blick in die Zukunft richten. „Die Börsenwerte dieser Firmen haben schon sehr viel von dem großen Anwendungspotenzial in den Kursen eskomptiert. Die momentane Marktkapitalisierung ist dann gerechtfertigt, wenn sie andere Produkte wie etwa Influenza-Vakzine oder verschiedene Krebstherapien erfolgreich weiterbringen können“, so Dr. Lukas Leu, Biochemiker und Healthcare-Analyst bei Bellevue Asset Management, zu der die börsennotierte Holding BB Biotech und ein gleichnamiger Fonds gehören. Leu beobachtet auch den Hersteller CureVac, dessen Vakzin mit einer geringen Wirkung enttäuschte. „Im Fall von CureVac erwarten Investoren die erfolgreiche Entwicklung ihres Impfstoffkandidaten CV2CoV der zweiten Generation. Die klinischen Daten dazu werden frühestens Ende 2021 verfügbar sein, von den Investoren aber schon mit großer Spannung erwartet.“  

Neue Player, neue Chancen

Leu sieht auch Raum für weitere Produzenten, die mit ihrem Impfstoff erst auf den Markt kommen. „Dies wären dann Titel wie etwa Bavarian Nordic, Sanofi, Arcturus oder Novavax.“ Nach mancher Expertenmeinung sei es womöglich von Vorteil, heterologe Impfschemata zu verwenden. Das heißt, dass für die Booster andere Technologien als für die Erstimpfungen verwendet werden.

Die Auffrischungsimpfungen können den Branchenplayern zusätzliche Impulse geben. „Im Gegensatz zu kurzfristigen Zocke­reien wie beispielsweise Gamestop steht aus unserer Sicht bei Biontech fundamental ein sehr gutes Unternehmen mit einem großen Wettbewerbsvorteil hinter dem Aktienkurs. Auffrischungsimpfungen machen dabei natürlich auch einen Anteil an den künftigen Unternehmensergebnissen aus“, schätzt ­Simon Wes­tendorf, Leiter Aktienfondsmanagement bei der Investmentgesellschaft StarCapital, die Entwicklung ein. Allerdings sei das nicht der alleinige Grund. Westendorf: „Auch der hohe Bedarf an Erstimpfungen in den Schwellenländern sowie das Potenzial bei der Bekämpfung von anderen schweren Krankheiten sind Faktoren, weshalb wir langfristig investiert sind.“ Biontech kündigte bereits an, mit dem Partner Pfizer und lokalen Herstellern in Brasilien und Südafrika Impfstoff zu produzieren.

Starke Trends halten lange an

Neigen private Investoren dazu, starke Trends zu verschlafen und deshalb zu spät zu kommen? Baader-Bank-Mann Halver widerspricht: „Starke Trends sind nicht ohne Grund stark. Sie halten oft über Jahre an. Kleinere Rücksetzer oder auch größere Korrekturen schaffen zwischenzeitlich wieder Bewertungsspielraum und damit günstige Einstiegsgelegenheiten.“ Es komme allerdings darauf an, auf Geschäftsmodelle mit Substanz und Zukunftsperspektive zu setzen, sodass der Aktienkurs durch Gewinn und Umsatz ein solides Auffangnetz hat. Halver: „Insofern ist es zwar nie zu spät, um einzusteigen, doch fällt es den Anlegern naturgemäß schwer, ­komplexe biotechnische Entwicklungen ab­zuschätzen.“ 

Leu von Bellevue Asset Management weiß von Privatanlegern, „die teils eine sehr gute Nase haben“. Aber es solle sich jeder bewusst sein, „dass solche Trends auch immer mit einem Risiko verbunden sind, und dies gilt es auf dem Aktienmarkt gut abzuwägen“. Mit Fonds wie dem BB Biotech lassen sich Risiken bei der Anlage in Branchentitel reduzieren. 

Halver hat eine weitere Alternative parat: „Zur Risikostreuung bietet sich die Geldanlage in ETFs an, die diesen Sektor abdecken. Dabei decken Anleger dann auch noch andere vielversprechende Unternehmen aus diesem spannenden Zukunftsfeld ab. Ihnen kommen dabei potenzielle Übernahmefantasien der weniger prominenten zweiten Börsenreihe zugute, oder sie profitieren von der Marktführerschaft anderer Biotech-Spezialisten auf lukrativen Nischenmärkten.“ Denn nicht nur in Mainz gibt es eine Goldgrube…

06.10.2021    Andreas Busch
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