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02.01.2020    Markus Deselaers
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Boom ohne Ende – oder kommt die Trendwende am Immobilienmarkt? Wo und wie lohnt es sich noch zu investieren? Welche Renditen sind für Investoren erzielbar? Ein Roundtable-Gespräch mit vier Experten.

 

Zur Person

Porträt von Malte Thies

Malte Thies

ist Geschäftsführer bei der OneGroup GmbH in Hamburg

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Porträt von Ottmar Heinen

Ottmar Heinen

ist Vorstandssprecher bei Project
Investment in Bamberg

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Porträt von Andreas Schütz

Andreas Schütz

ist Head of Real Estate bei der
Dr. Peters Group in Dortmund

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Porträt von Daniel Hofmann

Daniel Hofmann

ist Geschäftsführer bei GEWOS in Hamburg

DUB UNTERNEHMER-Magazin: Eine Studie der Researchgesellschaft Empirica prognosziert das Ende der Immobilienparty, eine andere Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft kommt zum Schluss, dass man auch langfristig mit dem Bauen der Nachfrage nicht hinterherkäme. Droht eine Blase?

Malte Thies: Wenn wir zurückblicken, gab es erste Warnungen vor einer Blasenbildung im Immobilienmarkt bereits vor vier, fünf Jahren. Die Frage ist, wie substanziell diese Warnungen sind. Wir konzentrieren uns auf die deutschen Metropolen und können nicht erkennen, dass dort spekulativ gekauft würde. Im Gegenteil: Die Nachfrage nach Wohnraum in den Metropolregionen steigt substanziell, das Angebot kann dieser nicht standhalten. Zudem wird in Deutschland sehr konservativ finaziert, und Zinssteigerungsrisiken sind mittelfristig auch eher unwahrscheinlich. So ist eine Blasenbildung nicht sehr naheliegend.

Ottmar Heinen: Da pflichte ich bei. Seit den 1990er-Jahren ist zu hören, dass etwa München überteuert sei. Wir verzeichnen aber auch heute in München eine steigende Nachfrage bei überschaubarem Angebot. Im deutschen Immobilienmarkt herrscht eine andere Situation als etwa 2007 und 2008 in den USA, in Spanien oder Griechenland. Dort wurde seinerzeit hochspekulativ finanziert. Und das ist heute wieder in Amerika der Fall, wo auch die Zweit- und Dritt­immobilie ohne Eigenkapital gekauft wird.

Daniel Hofmann: Nach unserer Erkenntnis kann man sagen: Die Party ist nicht vorbei, sie verlagert sich nur vom Haus in den Garten – also von den Kernstädten stärker ins Umland.

Andreas Schütz: Und eins muss man auch geraderücken. Häufig wird pauschal behauptet, dass die Wohnfläche pro Kopf steige. In den Großstädten ist der Trend gerade umgekehrt – wenn man mal die ältere Generation ausklammert, die nach dem Auszug der Kinder oftmals in einer vergleichsweise großen Immobilie wohnen bleibt. Und der Markt funktioniert: Bin ich auf der Suche nach einer bezahlbaren 60-Quadratmeter-Wohnung und finde keine, beschränke ich mich eben auf eine 40-Quadratmeter-Wohnung.

Wobei das Angebot an den A-Standorten sehr stark limitiert ist. Bieten B-Standorte nicht attraktivere Preise und damit potenziell größere Renditen?

Thies: Prinzipiell ja, aber wir sehen gute Gründe, sich auf A-Standorte zu konzentrieren. Einer der ­wichtigsten ist: Dort herrscht langfristig die größte Nachfragestabilität – sogar in einem schwierigeren wirtschaftlichen Umfeld, wie die Erfahrungen aus den vergangenen Jahrzehnten zeigen. So gilt für uns: Selbst wenn das Angebot in den Metropolen sehr knapp ­geworden ist, kommen B-Standorte für uns nur in wenigen Ausnahmefällen in Betracht.

Heinen: Auch wir weichen angesichts des knappen Angebots nicht auf B-Standorte aus, sondern erweitern den Bereich der Metropolregionen. Ein Immobilien­standort besteht für uns nicht nur aus dem Stadtkern: Wir gehen beispielsweise in München auch ans Ende der S-Bahn-Strecke. Wichtig ist dabei, dass die gesamte Infrastruktur passt – neben dem Verkehrswegenetz etwa die Versorgung mit Ärzten und Schulen.

Schütz: Bei Hotels spricht vieles dafür, sich auf wirtschaftlich erfolgreiche Häuser auch abseits der hochpreisigen Metropolen zu konzentrieren. Anders als bei Wohnimmobilien entscheidet bei Hotels nicht nur die Lage über den Erfolg. Ebenso wichtig ist die Auswahl der richtigen Betreibergesellschaft sowie des pas­senden Konzepts. Daher können sowohl A-Lagen in C-Städten als auch C-Lagen in A-Städten interessant sein. Für unsere Anleger haben wir zuletzt ein Vier-Sterne-Hotel in Ludwigshafen gekauft, das in puncto Übernachtungszahlen unter anderem von der dort ansässigen Chemieindustrie profitiert und seit mehreren Jahrzehnten wirtschaftlich sehr erfolgreich ist. Nun haben wir für dieses Haus einen neuen, 20-jährigen Pachtvertrag mit einem international renommierten Betreiber geschlossen. Das bietet Stabilität.

Hofmann: Wir haben unlängst für den Zentralen Immobilienausschuss eine Studie zum Potenzial von Städten zwischen 50.000 und 100.000 Einwohnern in Deutschland angefertigt. Neben den großen Mittelstädten im Umland der Metropolen stachen hierbei die ländlichen Ankerstädte hervor, wie zum Beispiel die Kreisstadt Heide in Schleswig-Holstein. Heide boomt inzwischen, weil sich das ländliche Umland 
auf die zentralen Orte konzentriert. Auch kleinere Universitätsstädte oder Städte in Grenznähe laufen sehr gut, etwa Oldenburg, Flensburg und Konstanz. Aber man muss natürlich bedenken, dass die dortigen Akteure im Immobilienmarkt normalerweise vor Ort sitzen und die lokalen Märkte kennen.

Heinen: Genau, wichtig sind der Marktzugang und die speziellen Marktkenntnisse. Wir akquirieren ja innerhalb unserer Gruppe sozusagen von der Wiese an und haben an jedem Standort ein eigenes Team. So bilden wir die gesamte Wertschöpfungskette ab, und mittlerweile kommen knapp ein Drittel aller ­unserer Objekte aus der Eigenakquise. Das bringt in einem hart umworbenen Markt nicht zuletzt große finanzielle Vorteile mit sich. Nicht nur, weil Sie die Maklerkosten sparen, sondern auch, weil Sie nicht jeden Preis akzeptieren müssen. Klar ist aber, dass wir uns mit diesem Geschäftsmodell beschränken müssen: 27 Städte kommen dafür nicht infrage.

Thies: Dadurch, dass wir unsere Projektentwicklungen von der Muttergesellschaft ISARIA Wohnbau vorselektiert bekommen, sind wir nicht gezwungen, an Bieterverfahren und Preiswettkämpfen teilzunehmen. Das würde auch unserem Qualitätsprinzip widersprechen. Die ISARIA prüft jährlich mindestens 500 Projekte – von denen am Ende vielleicht fünf übrig bleiben.

Schütz: Bieterverfahren sind für uns üblicherweise ebenfalls kein Thema. Wir sind als Core- oder Core-plus-Investoren jedoch etwas anders aufgestellt und übernehmen keine Projektentwicklungsrisiken. Wir arbeiten aber mit Projektentwicklern zusammen und bekommen aufgrund unseres Netzwerks auch viele Projekte in der Region vorab zu sehen.

Welche Renditen sind derzeit im Markt realistisch?

Heinen: Unsere Anleger im Privatkundenbereich erwarten auf Fondsebene im Durchschnitt rund sechs Prozent jährlich. Unsere institutionellen Investoren haben eine Renditeerwartung von rund 7,5 Prozent, die wir gut darstellen können. Damit liegen wir klar oberhalb von den Renditen, die aktuell im Bestandsbereich ­geboten werden. Dort sind bei den bestehenden ­Angeboten 2,5 bis maximal 3,5 Prozent erreichbar.

Thies: Wir bieten klassische Mezzanine-Finan­zie­rungen. Die Definition und Ausgestaltung dieser Kapi­talüberlassung kann stark variieren. Wir konzen­trieren uns im Sinne unserer Anleger auf einen so­genannten Preferred Return – also einen bevorrechtigten Zinsanspruch vor dem Projektentwickler selbst. Sicherheit steht also vor Renditemaximierung. Daher können wir mit einem definierten Zins kalkulieren. Im Ergebnis liegt dieser auf Investorebene bei sechs Prozent.

Schütz: Wir sehen, dass Rendite für Anleger nicht mehr die alleinige Rolle spielt. Aufgrund des seit Jahren anhaltenden Niedrigzinsumfelds suchen Anleger zunehmend nach Sicherheit und Stabilität. Genau das bieten Hotelinvestments. Hotels in Deutschland sind mit sehr lang laufenden Pachtverträgen ausgestattet. Hinzu kommt die Übernahme wesentlicher Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten durch den Betreiber, bei dem wir sehr großen Wert auf die Erfolgsbilanz und Bonitätsstärke legen. Das sorgt bei den Anlegern für einen ruhigen Schlaf. Wir haben bislang 22 Hotelfonds aufgelegt und davon mittlerweile 17 Häuser verkauft. Die Anleger dieser Fonds haben ihr eingesetztes Kapital mehr als verdoppelt. Zuletzt haben wir einen Hotelfonds angeboten, der eine jährliche Ausschüttung von 5,5 Prozent bietet. Eine ähnliche Ausschüttung streben wir auch beim nächsten Produkt an.

Aus der Politik kommt zunehmend Gegenwind. In Berlin wird das Thema Mietpreisbremse oder sogar Enteignung diskutiert. Für Sie nachvollziehbar?

Schütz: Man hat das Gefühl, dass die Politik an dem Ast sägt, auf dem sie selbst sitzt. Wenn ich mir die Wohnungsbaugenossenschaften in Berlin anschaue, stellen diese pro Jahr nur wenige Hundert Wohnungen fertig. Gebraucht werden aber über 25.000. Deswegen ist die Politik schlecht beraten, die Investoren mit dem Thema Mietendeckel oder mit noch Schlimmerem zu vergraulen. Berlin hat seinerzeit sein Tafelsilber an Immobilien verkauft und viele 100 Millionen Euro eingenommen, weil man mit dem Haushalt nicht zurechtkam. Dennoch spricht kein Mensch darüber, dass es gerade die heute kritisierten Investoren waren, mit denen man sehr gern Geschäfte gemacht hat. Und die Politik nutzt ja selbst alle Spielräume aus. Seitdem die Grunderwerbsteuer freigegeben wurde, sind die Steuersätze drastisch nach oben gegangen. So sind die Einnahmen von sechs Milliarden auf 14 Milliarden Euro im vergangenen Jahr hochgeschnellt.

Hofmann: Schwarze Schafe bei den großen privaten Wohnungsfirmen haben besonders in Berlin durch ihr Handeln und Kommunikationsfehlleistungen Politik und Öffentlichkeit gegen sich aufgebracht und damit großen Schaden für die Branche angerichtet. Aber in Berlin stammen drei Viertel aller Investitionen nicht von den kommunalen Wohnungsunternehmen oder Genossenschaften, sondern von Privatinvestoren. Wenn man diese vergrämt, passiert von dieser Seite natürlich gar nichts mehr. Und die Politik braucht den Mut, im Wohnungsbau Prioritäten zu setzen. An die ausgedehnten Kleingartengebiete in vielen deutschen Großstädten traut sich kaum jemand heran. Ihre ursprüngliche Funktion als Versorgungsgärten für die Arbeiterschaft haben sie verloren. Nicht umsonst sind sie nicht verkauft worden, sondern verpachtet, um sich noch Flächenreserven zu erhalten. In städtischen Lagen könnten Zigtausende Wohnungen entstehen, wenn man einen Teil der Flächen umwidmen würde.

Heinen: Die Politik geht Wege, die populistisch angehaucht, aber wenig pragmatisch sind. Die Berliner Landesregierung doktert nur an den steigenden Mieten herum, bekämpft aber nicht deren Ursache: den massiven Wohnraummangel. Nur mehr Angebot stabilisiert die Preise nachhaltig. Wäre es nicht alles so traurig, könnte ich mich als Unternehmer freuen, da wir von dieser Politik indirekt profitieren könnten. Statt Anreize für „mehr bauen“ zu setzen, werden Investoren vergrault, das wird ein weiter sinkendes Angebot zur Folge haben. Bei gleichbleibender Nachfrage heißt das: steigende Preise. Da wir die von uns gebauten Wohnungen überwiegend direkt an Eigennutzer verkaufen, wird uns der Mietendeckel als Immobilienentwickler nicht wirklich treffen.

Thies: Um die herausfordernden Aufgaben der Wohnraumpolitik zu lösen, braucht die Politik private Investoren. Und die Investoren benötigen die Unterstützung der Politik. Deswegen müssen beide Parteien im Schulterschluss agieren – die Wohnungsnot in den Metropolregionen kann nur durch neues Wohnraumangebot gelindert werden. Investoren müssen sicher an ihrem Image arbeiten. Ein Beispiel ist der soziale Wohnungsbau: Projektentwickler stehen im Ruf, ausschließlich Luxusbauten zu errichten. Das ist absolut unrichtig. Wir haben diesbezüglich klare Anforderungen zu erfüllen. In München etwa entfallen rund 30 Prozent unserer fertiggestellten Wohneinheiten auf den sozial geförderten Wohnungsbau.

Auch im Immobilienbereich spielt die Digitalisierung eine große Rolle. Internetvertrieb und Crowdinvestments sind hier Stichworte. Auch für Sie ein Thema?

Heinen: Immobilienbeteiligungen sind vergleichsweise komplexe und erklärungsbedürftige Produkte. Dazu passt meines Erachtens der Internetvertrieb noch nicht wirklich. Zudem haben wir in den letzten Monaten auch bereits einige Crowdinvestments mit Immobilien gesehen, die nicht funktioniert haben. Ich bin davon überzeugt, dass unsere Vermittler ein kritisches Augenmerk auf die Qualität der Produkte haben – schon aus Selbstschutz. Digitalisierung ist für uns ein Bereich, der Prozesse verschlankt, sie schneller macht und letzten Endes auch Kosten reduziert. Unseren Vertriebspartnern bietet die Digitalisierung eine zusätzliche Sicherheit, dass eine vernünftige und rechtskonforme Beratung stattfindet und Informa­tionen im Sinne der Regulierung unserer Branche ­entsprechend gespeichert werden. Das ist gegenüber dem reinen Online-Vertrieb ein enormer Vorteil.

Thies: Das sehe ich genauso. Unser Durchschnittsanleger ist 60 Jahre alt und zeichnet rund 25.000 Euro. Das macht er sicher nicht abends schnell auf dem Sofa – komplett ohne eine Beratung. Natürlich können wir mit digitalen Prozessen die Abwicklung und die Transparenz für alle Beteiligten optimieren – quasi als Service für Investoren und Vertriebspartner. So arbeiten wir zum Beispiel gerade selbst an einer digitalen Zeichnungsstrecke, die wir unseren Vermittlern als Service für ihre Gespräche anbieten können. Ich bin absolut davon überzeugt, dass der analoge Vertrieb und insbesondere die eingehende Beratung bei beratungs­intensiven Investmentprodukten nach wie vor notwendig und nachgefragt ist.

Schütz: Dass für viele Anleger bei erklärungsbedürftigen Produkten die persönliche Beratung weiterhin eine wichtige Rolle spielt, unterschreibe ich sofort. Doch wir sollten nicht vergessen, dass auch unsere Zielgruppe jünger und digitaler wird. Und wir haben durchaus den 30-Jährigen, der 20.000 Euro anlegen will, jedoch andere Vertriebswege nutzt und ein ganz anderes Verständnis davon hat, wie er seine Produkte auswählen möchte. Der kauft und bezahlt mittlerweile nur noch online und ist bloß noch mit Carsharing und E-Roller unterwegs. Dieses Mindset sollten wir in unser Geschäftsmodell integrieren.

Hofmann: Die digitale Umwälzung wird vor dem Immobilienvertrieb nicht haltmachen. In der Entwicklung sind Ansätze, die etwa bei der Immobiliensuche sämtliche Daten verknüpfen, die öffentlich zur Verfü­gung stehen. Dann summt das Smartphone, wenn Sie in der Gegend eine Wohnung angeschaut haben, und sagt Ihnen, wo nebenan ein interessantes Objekt ist und an welches Unternehmen Sie sich wenden müssen, um sich darüber zu informieren. Inklusive Bewertung, welches Produkt das für Sie passende und auch sicherste ist. Bis dahin ist es kein weiter Weg mehr.

02.01.2020    Markus Deselaers
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