Geldanlage symbolisiert durch ein Kartenhaus, das einstürzt.
25.04.2023    Kai Makus
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Da ist dieser 80er-Jahre-Popper, der an seiner Konsumsucht zugrunde geht und sich das Leben nimmt, nachdem er sein ererbtes Vermögen durchgebracht hat. Und diese Familie eines Unternehmers, der sein hart erarbeitetes Geld immer eingesetzt hat, um seine Angehörigen zu kontrollieren und zu tyrannisieren, sodass diese mit seinem Nachlass fremdeln. Oder dieser segelnde Physiker, der nach jugendlichen Armutserfahrungen stets den Stand seines Vermögens akribisch festhält – bis er nur noch einen Blick für Finanzen hat und den für sein soziales Umfeld vollständig verliert.

Was Erfolg ausmacht

Geschichten wie diese, Geschichten von Erfolg und Scheitern hat Nikolaus Braun aufgeschrieben. Was auf dem Buchtitel „Geld oder Leben“ nach Banküberfall klingt, entpuppt sich als eine eigene Art von Investment-„Philosophie“.

Autor Braun ist unabhängiger Honorarberater in München und berichtet quasi aus seiner Praxis – anonymisiert, pointiert. Das ist manchmal sehr persönlich, oft anrührend, immer nah am Menschen und meistens gelehrt, aber teilweise eben auch brutal. So wie das Leben nun mal ist.

Dieses ordnet Braun anhand von sieben Themenkomplexen wie Erfolg, Angst, Reichtum oder Zeit. Darin sortieren sich seine Kurzgeschichten ein. Worum es in diesen geht, zeigt ein kleines Etikett am Kapitelanfang, das oft wie ein Preisschild wirkt. Das kann von Kleckerbeträgen über Millionensummen bis hin zu Gold und Diamanten reichen.

Die Storys sind fiktional, aber von Brauns beruflicher Wirklichkeit inspiriert. Mit ihnen geht er auf die Suche danach, was Erfolg eigentlich ausmacht – unternehmerisch, finanziell und vor allem: im Leben.

Eine seiner Erkenntnisse ist, dass das Streben nach Geld dem Menschen wohl schon in seine Gene eingeschrieben ist. Eine andere lautet, dass Angst zum Umgang mit Finanzen dazugehört. Daher verhalte sich der Mensch dabei eben irrational statt wie der in der Wirtschaftswissenschaft oft postulierte „homo oeconomicus“.

Vermögen erwirtschaftet, dargebracht, verloren 

Nebenher gelingt dem promovierten Historiker Braun eine kleine Zeitreise durch die deutsche Geschichte von der NS-Zeit über die Wirtschaftswunderjahre bis hin zu den Exzessen am Neuen Markt und den Finanzkrisen am Beginn des neuen Jahrtausends. Vermögen werden erwirtschaftet, durchgebracht, wegen falscher Entscheidungen verloren.

Braun forscht nach, wie es dazu kommen konnte. Das erinnert an einen Ethnologen, der inmitten des Dschungels aus wissenschaftlichem Interesse die Eingeborenen beobachtet und ihre Taten und Worte akribisch festhält. Nur dass sich Brauns Blick auf seine Mitmenschen, seine Kunden richtet. Das kann sehr amüsant sein; unterhaltsam und kurzweilig ist es allemal.

Was man bei Braun vergeblich sucht, sind die neuesten heißen Tipps zu Aktien, Optionen, Derivaten, die ein Vermögen möglichst schnell mehren sollen. Die überlässt er anderen, so den von ihm massiv gescholtenen „Crash-Propheten“, die aus der Angst vor dem Verlust von Geld ein Geschäftsmodell machen. Vor ihnen warnt Braun so eindringlich wie vor den vielen Betrügern, die sich seiner Meinung nach im Finanzbereich tummeln. Ihre Tricks zu durchschauen, das gehört für ihn zu Vermögensbildung und -erhalt dazu.

Frieden schließen mit dem Geld 

Menschen geben Wissen seit Jahrtausenden über Geschichten weiter. Diese sind eingängiger als abstrakter Stoff und bleiben besser im Gedächtnis. Braun gelingt es eindrucksvoll, seine Punkte dem Publikum zu vermitteln. Weil er eben nicht auf dröge Charttechnik oder Zinseszinsberechnungen zurückgreifen muss, um diesem zu zeigen, wie ein besseres und entspannteres Verhältnis zum Geld möglich wird.

Seine Geschichten leiten an, sich gedanklich ein selbstbestimmtes Verhältnis zu den eigenen Finanzen zu erarbeiten. Damit gibt er letztlich doch einen heißen Investment-Tipp: Entscheidend ist, sein Vermögen zu beherrschen, ohne dass es einen beherrscht. Brauns Idee, mit Geld Frieden zu schließen, geht weit hinaus über ein plattes „Geld ist nicht alles – aber ohne Geld ist alles nichts“.

Im Interview spricht der Finanzberater über Glaubenssätze und irrwitzige Zeitaufwände beim Geld und gibt Tipps zu einem künftig entspannten Verhältnis zu den eigenen Finanzen.

Zur Person

Dr. Nikolaus Braun

ist promovierter Historiker und gab seine Bankkar- riere auf, um die Honorarberatung Neunundvierzig zu gründen. „Geld oder Leben“ ist sein zweites Finanzbuch

Ihr Buch handelt von „Geld oder Leben“. Warum nicht von „Geld und Leben“?

Nikolaus Braun: Gerade ökonomisch erfolgreiche Menschen investieren oft einen irrwitzigen Zeitaufwand, um vermögender zu werden, und übersehen dabei, dass sie längst an einem Punkt angelangt sind, an dem mehr Geld kaum noch mehr Lebensqualität bedeutet. Es wäre für sie also viel rationaler, die „Währungen“ Zeit und Gesundheit zu optimieren. Fast alle Finanzratgeber versuchen, die Frage zu beantworten „Wie bekomme ich mehr?“. Mein Buch „Geld oder Leben“ hilft Menschen, zu verstehen, wie Geld dazu beitragen kann, ein reicheres Leben zu führen. Wie aus Geld oder Leben also Geld und Leben wird.

Die neuesten „heißen Tipps“ für die Geldanlage findet man bei Ihnen nicht. Was haben Sie gegen eine anständige Total-Return- oder Rohstoff-Strategie?

Braun: Hinter Total-Return-Strategien verbirgt sich die naive Annahme, man könne auch ohne Risiko eine vernünftige Rendite erwirtschaften, während Rohstoff-Investments meist mit angeblichen Traumrenditen locken. Beides ist Unsinn. Für Total Return gilt der einfache Merksatz: Ohne Risiko keine Rendite. Für Rohstoff-Investments, dass die Annahme, Rohstoffe müssten zwangsläufig immer teurer werden, Unfug ist. Außerdem: Ich kenne niemanden, der die Kapazitäten hat, 10.000 Barrel Rohöl in seinem Keller unterzustellen. Sprich: Sie investieren gar nicht in Rohöl, sondern bekommen einen Zettel mit einem Gutschein überreicht – in einer extrem teuren Verpackung. Am Ende verdient hauptsächlich die Bank.

Wieso haben so viele Menschen ein aus Ihrer Sicht gestörtes Verhältnis zu Geld?

Braun: Es heißt: „Über Geld spricht man nicht.“ Das ist verrückt. Denn worüber ich nicht sprechen kann, darüber kann ich auch nicht nachdenken. Und so wachsen wir alle beim Thema Geld mit nicht weiter reflektierten Glaubenssätzen auf. „Geld muss man machen“ – „Geld verdirbt den Charakter“ – „Wir Hubers haben nie Glück mit Geld gehabt“ – „Geld muss fließen“…

„Geld oder Leben“ enthält Dutzende dieser Glaubenssätze und zeigt anhand realer Geschichten, was das mit unseren Beziehungen, mit Erfolg und Misserfolg, unserem Umgang mit Zeit – sprich: mit unserem Leben – macht.

Handelt es sich dabei eher um Menschen, die ein Vermögen erhalten, oder solche, die eines aufbauen wollen?

Braun: Im Prinzip betrifft das beide Gruppen. Allerdings: Je größer das Vermögen ist, je mehr Geld ich haben will, umso eher gerät mir der Umgang damit außer Kontrolle.

Wie kann man eine „normale“ Beziehung zu Geld entwickeln?

Braun: Man sollte sich ständig hinterfragen, warum Geld einem wichtig ist und ob der eigene Umgang mit Geld damit im Einklang ist. „Geld oder Leben“ bietet anhand von 30 realen Geschichten die Möglichkeit, den mal gelungenen, mal toxischen Umgang anderer Menschen mit Geld aus der Nähe zu beobachten und sich eigene Gedanken dazu zu machen. Wenn der Stress, den das Thema Geld verursacht, langsam weniger wird, wenn Sie bewusster, aber weniger darüber nachdenken, dann sind Sie auf einem guten Weg.

25.04.2023    Kai Makus
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