Ein Einhorn aus Papier in Gold
31.01.2022    Fabian J. Fischer
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Galt lange die Milliardenbewertung („Unicorn“) als magische Marke für Startups, galoppieren aktuellen Zählungen zufolge alleine 19 Jungunternehmen mit diesem Status durch Deutschland. Tendenz steigend. Aber wie lange kann das so weitergehen?

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Das aktuelle Marktumfeld begünstigt Einhörner

Sicherlich gibt es viele Entwicklungen, die dafür sorgen, dass Startups so hohe Bewertungen erreichen können. Die zwei wichtigsten sind der technologische Wandel der vergangenen Jahrzehnte sowie das aktuell niedrige Zinsumfeld.

Highspeed-Internet, Smartphones und Co. haben überhaupt erst dafür gesorgt, dass viele Geschäftsmodelle entstehen konnten. Über die Jahre hat die Nutzung und gesellschaftliche Akzeptanz zugenommen; so ist auch hierzulande der E-Commerce-Umsatz immer weiter gestiegen, denken wir nur an Bücher, Elektronik oder Kleidung. Auch für andere Produktsparten gibt es noch große Potenziale.

Bei Heimwerker-Bedarf oder Medikamenten etwa, aber auch im Lebensmittelbereich, wo das stationäre Einkaufen in Deutschland dominiert – noch. Denn während die Idee von schnellen Lebensmittel-Lieferdiensten wie Gorillas, Picnic oder Frischepost in Deutschland oft noch revolutionär klingt, ist die Lieferung von Lebensmitteln in den USA, aber auch in Asien, völlig normaler Alltag.

Die zweite, sehr relevante Entwicklung: das niedrige Zinsumfeld. Wer viel Geld auf dem Konto hat, muss dafür Strafzinsen zahlen. Dadurch suchen gerade vermögende Investoren nach neuen Möglichkeiten, ihr Geld gewinnbringend zu vermehren. Da die Immobilienpreise bereits kräftig angezogen haben, sind viele Kapitalgeber nun auf den Geschmack von Startup-Investments gekommen.

Illustration von Fabian Fischer

Fabian J. Fischer ist ein Hamburger Unternehmer, digitaler Vordenker und Investor. Als CEO von Etribes verantwortet er die strategische Weiterentwicklung des Unternehmens, das mittelständische Unternehmen und Dax-Konzerne bei den Herausforderungen der Digitalisierung berät. Fischer ist ebenso Co-Founder von Picea Capital, einem Evergreen Venture Capital Fund mit Fokus auf Early-Stage-Technologieunternehmen.

Das Risiko ist höher, die potenziellen Erträge aber auch. Neben den klassischen Venture-Capital-Investoren investieren zunehmend auch Family Offices, Hedgefonds, Corporate Funds, aber auch sogenannte „Super Angels“ – das sind Angel-Investoren mit großem Geldbeutel, etwa nach eigenen erfolgreichen Exits. Durch diese Vielzahl an neuen Playern auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten gelangt immer mehr Geld in das Startup/Tech-Ökosystem und die Bewertungen steigen und steigen.

Wann platzt die Venture-Capital-Blase?

Die Frage aller Fragen ist natürlich: Wie lange geht das noch so weiter? Das hängt von der Zinspolitik in Europa und den USA ab. Solange es attraktiv ist, mit Geld auf neue Geschäftsmodelle zu wetten, werden die hohen Bewertungen erstmal bleiben. Zwar gibt es erste Bestrebungen aus Übersee, die Zinsen anzuheben und somit auch der Inflation entgegenzutreten. Doch bis sich dies im Startup-Markt wirklich niederschlägt, kann es dauern. Denn in der Venture-Capital-Welt denkt man in Vintages, also in Jahrgängen, in denen VC-Fonds aufgelegt werden. Diese wiederum laufen mehrere Jahren und schwenken nicht ad hoc um.

Makroökonomisch bleibt ohnehin die Frage, ob sich durch die Inflation die Verhältnisse nicht einfach verschieben, also die Preise zwar absolut gesehen steigen, aber relativ betrachtet stagnieren. Wer also früher mit zehn Millionen Euro ein entspanntes Leben ohne Arbeit führen konnte, muss in Zukunft wahrscheinlich 50 oder 100 Millionen Euro besitzen, um die gleiche Kaufkraft mit entsprechendem Lebensstil zu halten.

Potenzielle Investitionswelle für Twin Transition

Als sehr wahrscheinlich gilt, dass diese historisch noch nie dagewesene Konstellation – viel Kapital am Markt sowie ein enormer technologischer Wandel – auch 2022 für neue Unicorns und Dekacorns (Unternehmen mit einem Wert von mindestens zehn Milliarden Euro) sorgen wird.

Gut möglich, dass wir gerade rund um die Twin Transition aus Nachhaltigkeit und Digitalisierung eine verstärkte Investitionswelle erleben, in der schon frühe Investments, genannt Seed-Finanzierungen, gleich in die zweistelligen Millionenbeträge gehen, der Weg zum Unicorn damit extrem verkürzt wird. Denn der Markt gibt es her – und noch auch die Qualität der Startups. Und solange beides gilt, wird die Venture-Capital-Blase auch nicht platzen.

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31.01.2022    Fabian J. Fischer
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