Illustration einer Immobilie die an Wert gewinnt
25.02.2021    Gerhard Michel
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Die Immobilie und die Aktie gehören beide in die Kategorie echte Vermögenswerte. Im Gegensatz zu anderen Anlageklassen wie Antiquitäten, Gold oder Bitcoin sind sie in der Lage Cashflow zu erzeugen. Die Immobilie leistet dies durch Mieteinnahmen. Eine Unternehmensbeteiligung sollte Cashflow durch Dividenden oder akkumulierte Unternehmensgewinne erzeugen. Investoren begegnen beiden Vermögenswerten aber häufig mit einem völlig unterschiedlichen Mindset, weil es für Immobilien keine Börse gibt, an der sie im Sekundentakt gehandelt werden.

Kolumnenkasten von Gerhard Michel

Doch was, wenn es so etwas gäbe? Stellen wir uns vor: Eine Person besitzt eine selbstgenutzte, abbezahlte Immobilie. Diese Person kennt ihre Immobilie von innen und außen gut. Sie kennt die Qualität der Lage, der Wasserrohre und der Stromleitungen. Daher hat sie auch eine Vorstellung vom Wert, sagen wir 500.000 Euro.

Eines Morgens öffnet nun auf der anderen Straßenseite eine Immobilienbörse, die unserem Hausbesitzer im Minutentakt Preise zuruft. Dieser Gedankengang ist nicht so absurd wie er scheint, schließlich wurden die ersten Börsen tatsächlich unter freiem Himmel gegründet. Unser Immobilienbesitzer sitzt bei schönem Wetter auf der Terrasse und hört um 9 Uhr den ersten Preis: 505.000 Euro. „So kann es weitergehen“, denkt er.

Nach ein paar Wochen kommt jedoch Unruhe auf und ihm wird nun ein Preis von 320.000 Euro zugerufen. Sollte er nun in Panik verkaufen? Wohl kaum, denn er kennt den inneren Wert der Immobilie gut. Er hat sich mit der Lage und dem technischen Zustand intensiv auseinandergesetzt. Vielleicht sollte er jetzt lieber die Werte der Häuser in der Nachbarschaft berechnen und weitere Immobilien kaufen.

Schließlich dreht sich die Börsenstimmung und ihm wird eines Tages ein Preis von 850.000 Euro angeboten. Sicher ein angenehmer Moment. Aber wenn er jetzt verkauft, dann sollte er sich überlegt haben, was er mit dem Cash anfängt. Denn auch die Immobilien in der Nachbarschaft werden jetzt wahrscheinlich im Preis gestiegen sein.

Permanente Unruhe der Börse ausblenden

In diesem Gedankenexperiment haben wir den vermeintlichen Nachteil der schwierigen Liquidierbarkeit einer Immobilie ausgeblendet und dafür den Vorteil eines liquiden Marktes eingefügt. Das Ergebnis ist jedoch, dass wir uns am Ende in der Immobilie eher unwohl und gestresst fühlen. Für uns als Investoren ist es also besser, die permanente Unruhe des Marktes auszublenden und uns an unserem Wissen über unsere und möglichst viele andere Vermögenswerte zu orientieren. Am besten ist es, wenn der hier beschriebene Immobilieninvestor seine Terrasse nach hinten verlegt, um nicht permanent durch das Geschrei von der Börse belästigt zu werden.

Illustration von Gerhard Michel

Gerhard Michel ist Investor und Finanzcoach. In Einzelcoachings, Seminaren und als Gastdozent vermittelt er die quantitative, fundamentale Aktien- / Unternehmensanalyse

Wir können gedanklich auch den vermeintlichen Nachteil des illiquiden Marktes auf Aktien projizieren. Das würde bedeuten, dass man Aktien von einem Unternehmen besitzt und die Börse anschließend einfach zumacht. Es wäre nun schwieriger das Wertpapier zu handeln.

Wenn wir jedoch in ein hervorragendes Unternehmen zu einem vernünftigen Preis investiert haben, so kann uns der geringere Handel völlig egal sein. Über die ausgeschütteten Dividenden und die von dem Unternehmen erwirtschafteten Gewinne, die sich im steigenden Buchwert widerspiegeln, würden wir genauso partizipieren, wie dies ein intelligenter Immobilieninvestor bei seinen vermieteten Wohnungen tut.

Ein Investment muss sinnvoll sein, egal ob der Vermögenswert an einer Börse gehandelt wird oder nicht. Faustregel: Investiere nur, wenn Du auch bei geschlossener Börse mit dem Investment zufrieden wärst.

Anleger sollten sich ein eigenes Bild machen

Die Sinnhaftigkeit sollte auf der Basis von umfangreichem (Zahlen-)Wissen analysiert werden, damit sich der Investor ein eigenes Bild von dem Wert des Vermögenswertes macht und somit intellektuell unabhängig wird von den am Markt herumschwirrenden Preisen. Denn der analysierte Wert und der am Markt genannte Preis müssen nicht dieselbe Zahl sein.

Die quantitative Analyse ist auf alle Unternehmungen anwendbar. Wurde sie einmal erlernt, so lassen sich mit ihr sowohl Unternehmen analysieren, die an der Börse notieren als auch Unternehmen, die nicht an der Börse notiert sind. Man benötigt nur die Geschäftsberichte aus den vorangegangenen Jahren.

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25.02.2021    Gerhard Michel
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