Chamäleon auf Aktienverlauf
05.03.2020    Arne Gottschalck
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Die „Goldilocks Economy“, also das Goldlöckchen-Szenario, ist Geschichte. Fast schon vergessen. Eine Marktphase, in der alle Papiere an Wert gewinnen. Anleihen, Aktien, Rohstoffe – und dazu die wirtschaftlichen Aussichten sonnig sind. 2020 sieht anders aus: „Gemischte Signale sorgen für einen unsicheren Ausblick“, schreiben zum Beispiel die Experten der Investmentgesellschaft Janus Henderson. Weil sich die Industrieproduktion weltweit verlangsamt – und damit die Sorge aufkommt, die Wirtschaft könnte in eine Rezession rutschen.

Seitens Lombard Odier Investment Managers heißt es: „Wir sehen 2020 ein mögliches Dilemma heraufdämmern.“ Eine Gemengelage also in Politik und Wirtschaft, von der sich Anleger nur schwer frei machen können.

Für sie bedeutet das: nicht einfach „weiter so“, sondern innehalten und gegebenenfalls die Anlage anpassen. Und das nicht nur mit Blick auf morgen oder übermorgen, sondern auch auf die nächsten Jahre. Denn etwas verändert sich dauerhaft.

Das Umfeld zum Beispiel. Geprägt wird das von den Zentralbanken und deren Leitzinsen. Diese sind niedrig, sodass viele Anleger bei Anleihen abwinken und stattdessen zu Aktien greifen. Geprägt wird das Umfeld aber auch von der Politik. Verlässlichkeit ist bekanntlich Trumpf. Denn darauf können Anleger bauen. Nur: In Zeiten von Brexit sowie erratischen Bravourstückchen von US-Präsident Donald Trump fehlt es genau daran. Entsprechend skeptisch sind Anleger. So wie Lombard Odier oder Janus Henderson. 

Geld braucht Ziele

Papierene Einschätzungen sind das eine, Taten das andere: Auch Anlagelegende Warren Buffett scheint derzeit nicht zu wissen, wohin mit dem Geld. Ende letzten Jahres saß sein Investment-Vehikel Berk­shire Hathaway auf rund 128 Milliarden Dollar – Cash.

Und niemand weiß besser als Buffett, dass nicht in­vestiertes Geld eben auch nichts abwirft. Zwar kann sich das Bild im Fall Buffetts schnell wieder ändern – etwa, sobald er eine Anlage-Gelegenheit wittert. Aber das ist nur eine Momentaufnahme. Und es heißt in einem solchen Umfeld, den Blick zu weiten und nach links und rechts zu schauen. Ein Blick auf das, was längerfristig kommen mag. Genau das ist derzeit die Herausforderung.

Analyse statt Aktionismus

Beim Fondsanbieter Schroders in London hat man sich daher schon im vergangenen Jahr lange über die entsprechenden Zahlen gebeugt, Trends analysiert, Zukunftsszenarien durchdacht. Und daraus ein ganzes Thesenpapier abgeleitet. Die Erkenntnis, vereinfacht dargestellt: Die Anleger werden im nächsten Jahrzehnt nicht unter die Räuber fallen, aber sich eben auch nicht mehr im Goldlöckchen-Glanz sonnen können. Das hat erhebliche Folgen. 

In den vergangenen Jahren genügte es, einfach per Index in Aktien investiert zu sein. Allein der Dax beispielsweise hat 2019 mit einem Plus von mehr als 25 Prozent abgeschlossen. Aber das dürfte künftig nicht mehr so einfach sein. Weil das wirtschaftliche Umfeld eher mau ist, werden sich auch die Aktienmärkte eher mau entwickeln. Im Finanzjargon: Das Beta dürfte niedriger sein als zuletzt. Und Beta steht für das, was der Markt abwirft.

Die Welt tritt in eine Phase niedrigeren Wachstums ein. Das bedeutet aber nicht, dass Anleger sich mit weniger zufriedengeben müssen. Und da kommen aktive Fondsmanager wie Schroders & Co. ins Spiel. Deren erklärtes Ziel ist es, höhere Erträge abzuwerfen als der Markt, ein Alpha zu schaffen.

Das funktioniert jedoch nur dann, wenn sie tatsächlich Ansätze identifizieren, die andere übersehen. 2020 könnten die mit Blick auf die Schroders-Studie in den lang-fristigen Entwicklungen zu finden sein. Ideen, die noch Alpha generieren, die den Markt schlagen können. 

Drei große Trends

Beispiel Umwelt: Noch vor zehn Jahren galt nachhaltiges Investieren als Nischenthema für Latzhosenträger. Heute stecken bereits gewaltige Summen in nachhaltigen Fonds – und diese Summen steigen stetig weiter. Unter anderem weil deutlich wurde, dass sich dieser Ansatz tatsächlich rechnet.

Auch auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos war Nachhaltigkeit eines der bestimmenden Themen. Warum? Weil ein nachhaltiger Ansatz Risiken aufzudecken hilft, die sonst Unternehmen gefährden könnten. Tatsächlich zeigen Studien, dass Unternehmen mit gutem Nachhaltigkeitsrating regelmäßig weniger Risiken ausgesetzt sind.

Die Digitalisierung zählt ebenfalls zu den langfristigen Trends – unter anderem, weil sie dafür sorgen kann, dass auch entwickelte Volkswirtschaften wie Deutschland noch kräftig wachsen können. Zwei Prozent Produktivitätswachstum im Jahr seien laut einer McKinsey-Studie drin – für Länder wie China ist das nichts, für Deutschland und sein rund einprozentiges Wachstum wäre das dagegen viel. Anleger können dieses Thema in einer ganzen Reihe von Facetten spielen – mit spezialisierten Robotik-Fonds etwa oder breit streuenden Fonds, die auf Digitalisierungsmarktführer setzen.

Die gesellschaftlichen Veränderungen sind ein weiterer Großtrend, vor allem die alternde Bevölkerung. Denn wo sollen die neuen Arbeitskräfte herkommen, wie soll das Pflegesystem ausgebaut werden, wenn es immer mehr ältere und immer weniger junge Menschen gibt? Ein Aspekt: BioTechs und Pharmaunternehmen forschen daran, wie die Menschen nicht nur altern, sondern gesund altern. 

Die Beispiele stehen für Megatrends. Sie sind aber zugleich als langfristige Strömungen zu bezeichnen. Wie wichtig diese sind, betont Star-Investor Buffett immer wieder. Eben: Ein langer Atem ist vonnöten – und permanente Anpassung.

05.03.2020    Arne Gottschalck
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