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20.08.2020    Arne Gottschalck
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Streuung gehört zur Geldanlage wie der Rasen zum Fußball. Nur: Es muss die richtige Streuung sein. Eine magische Zahl, wie viele Assetklassen erfolgreiche Geldvermehrung braucht, gibt es auch nicht, sagt Jens Kleine, Professor für Betriebswirtschaft an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München.

Zur Person

Jens Kleine

ist Professor für Betriebswirtschaft an der Hochschule München.
Einer seiner Schwerpunkte ist das Assetmanagement.
Jens Kleine ist Professor für Betriebswirtschaft an der Hochschule München.
Einer seiner Schwerpunkte ist das Assetmanagement

Kann man die Bedeutung der Streuung für die Geldanlage überschätzen?

Jens Kleine: Eine Streuung der Geldanlagen verfolgt das Ziel, mehr Stabilität in das Anlegerportfolio zu bringen und es weniger anfällig für Risikosituationen zu machen. Dieser Effekt ist in der Wissenschaft durchaus belegt. Dennoch ist in schwerwiegenden Krisen – etwa der Finanzkrise 2007/2008 – immer wieder zu beobachten, dass auch gut diversifizierte Portfolios dem Marktgeschehen erliegen. Und: Nur weil ein Portfolio „gestreut“ ist, ist es nicht gleich gut diversifiziert. Eine erfolgreiche Diversifikation erfordert sowohl eine hohe Kenntnis über einzelne Anlagetitel als auch statistische Verfahren zur Berechnung und Auswertung der zur Verfügung stehenden Daten. Es hängt also von der Qualität der Streuung ab, ob diese zum verfolgten Ziel führt. Der Ansatz an sich ist aber nach wie vor von hoher Bedeutung in Wissenschaft und Praxis, insbesondere für professionelle Investoren.

Welche Wirkung hat Streuung auf ein Portfolio mit Blick auf Risiken und Erträge?

Kleine: Verschiedene Anlageklassen – sowie einzelne Titel innerhalb dieser Anlageklassen – weisen ein individuelles Rendite-Risiko-Profil auf. Das heißt: Sowohl im Allgemeinen als auch bei bestimmten Marktentwicklungen, zum Beispiel einer Rezession, reagieren diese im Hinblick auf ihre Performance unterschiedlich. Eine Mischung verschiedener Geldanlagetypen kann eine ausgleichende Wirkung auf die Performance des gesamten Portfolios haben. Bereits in den 1950er-Jahren legte der US-Ökonom Harry Markowitz dar, dass die Kombination verschiedener Anlageklassen das Anlagerisiko reduziert. Dieser Effekt hängt dabei stark von der Korrelation ab, welche aufzeigt, wie stark die Entwicklung der im Portfolio enthaltenen Wertpapiere zusammenhängt. Ein Risikoaspekt der Diversifikation: Die Auswertung der Korrelationen basiert auf Daten der Vergangenheit. Neuartige Krisenformen – wie die sich derzeit vollziehende Covid-19-Pandemie – und deren Auswirkungen bleiben daher bei der Asset-Allocation oftmals unberücksichtigt.

Je mehr Anlageklassen, umso besser?

Kleine: Es ist sicherlich sehr sinnvoll, auf mehr als eine Art Wertpapier zu setzen, um eine ausgleichende Wirkung zu erzielen. Eine magische Anzahl an Anlageklassen oder -titeln kann es aufgrund der vielfältigen und dynamischen Marktgegebenheiten aber nicht geben. Entsprechend sollte ein Investor die Streuung seines Portfolios an den Anlagezielen sowie seinen Ressourcen sowohl finanziell als auch analysetechnisch ausrichten. Die Performance des Portfolios entsteht am Ende ja unter anderem durch die Kombination von renditeorientierten Anlageklassen und einer risikofreien beziehungsweise -armen Komponente und hängt entsprechend stark von der Risikoneigung des Anlegers ab. Neben einer Kombination verschiedener Anlageklassen sollte auch innerhalb dieser eine Diversifikation stattfinden, beispielsweise hinsichtlich Branchen und Regionen. Ein gut diversifiziertes Aktienportfolio kann schlussendlich eine bessere Performance liefern als ein schlecht diversifiziertes Portfolio mit fünf verschiedenen Anlageklassen.

Welche Rolle spielen gering korrelierte Erträge?

Kleine: Würde man sein Depot ausschließlich mit Aktien deutscher Automobilhersteller sowie deutscher Autozuliefererbetriebe aufstellen, kann von einer hohen Korrelation ausgegangen werden. Das heißt: Bei einem externen Schock wie zum Beispiel der Abgasaffäre wären sämtliche Titel von Kursverlusten bedroht. Entsprechend profitieren auch beide von positiven Markttendenzen. Daher ist es sinnvoll, Titel und Anlageklassen zu kombinieren, bei denen die Wertentwicklung im Portfoliokontext eine geringere Korrelation aufweist. Da bei spezifischen Marktschwankungen dann nur ein kleiner Teil betroffen wäre, wirkt diese Art der Diversifikation ertragsstabilisierend. Neben klassischen Autoherstellern kann es daher sinnvoll sein, zugleich in erneuerbare Energieformen zu investieren, um auf zukünftige Werteverschiebungen vorbereitet zu sein. Auch die Kombination aus verschiedenen Anlageklassen – etwa Aktien und Gold – verfolgt dieses Ziel.

Sind aus wissenschaftlicher Sicht daher Private Equity oder Hedgefonds sinnvoll?

Kleine: Alternative Anlageklassen können ein Portfolio im Allgemeinen sinnvoll ergänzen. Aus wissenschaftlicher Sicht tragen diese – mit Ihrem Rendite-Risiko-Profil – als Beimischung zur Erstellung eines optimalen Portfolios bei. Aber: Viele alternative Anlageklassen, beispielsweise Hedgefonds, sind hochspekulativ. Außerdem ist ein vergleichsweise großer Aufwand für die Analyse dieser Titel erforderlich, da oftmals keine ausreichenden historischen Daten am Markt zur Verfügung stehen. Alternativen bieten meist hohe Gewinnchancen. Da in der Regel aber nur kleinere Anteile dem Portfolio beigemischt werden, ist der positive Streuungseffekt in Bezug auf das Risiko hier eher zu vernachlässigen. Ohne ausgereifte Kenntnisse sind diese Titel also mit Vorsicht zu genießen, können für Profis jedoch attraktive Chancen eröffnen.

Haben sich die Gesetzmäßigkeiten der Geldanlage in den vergangenen Jahrzehnten grundsätzlich verändert?

Kleine: Die theoretischen Grundsätze der Geldanlage gelten nach wie vor. So bleibt beispielsweise das Konzept der Diversifikation ein absolut relevanter Faktor einer professionellen Portfoliosteuerung. Was sich derzeit verändert, ist jedoch das Umfeld: Dauerhafte Niedrigzinsen treiben Investoren stärker ins Risiko, entsprechend werden alternative Anlageklassen wie Private Equity zunehmend beliebter und stehen einem breiteren Markt zur Verfügung. Daneben geben technische Neuerungen wie Robo-Advisors auch weniger professionellen Investoren die Möglichkeit, auf Basis ausgereifter Statistiken und Algorithmen zu investieren. Zuletzt verschiebt sich die Anlagementalität: Neben reinen Rendite-Risiko-Aspekten erhält beispielsweise der Faktor Nachhaltigkeit im privaten und institutionellen Anlegerkreis mehr Bedeutung. Die Gesetzmäßigkeiten der Geldanlage haben sich also kaum verändert, Rahmenbedingungen und Anlegerneigungen hingegen schon.

20.08.2020    Arne Gottschalck
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