DWS-Chef Asoka Woermann
29.04.2020    Markus Deselaers
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Lokaltermin in der Bankenmetropole Frankfurt am Main. Um über die Geldanlage in Zeiten von Niedrigzins und Coronakrise zu sprechen, trafen sich Redakteure von DUB UNTERNEHMER mit Dr. Asoka Wöhrmann, Chef der börsennotierten deutschen Fondsgesellschaft DWS. Wöhrmann hielt ein engagiertes Plädoyer für die Vorteile von Aktieninvest­ments – und sieht die Fondsbranche in der Pflicht, sich noch stärker als bisher um die drohende Altersarmut in Deutschland zu kümmern.

Zur Person

Dr. Asoka Wöhrmann

ist seit 2018 CEO bei der Fondsgesellschaft DWS. Zuvor war er unter anderem globaler Chef-Anlagestra­tege der DWS und Leiter des Privatkundengeschäfts der Privat- und Firmenkundenbank (PCB) der
Deutschen Bank

Die lange Niedrigzins­phase hatte bei vielen Deutschen zuletzt für ein gestiegenes Interesse an Aktien gesorgt. Hat die Corona­krise mit den Börsenabstürzen die Aktienkultur hierzulande wieder massiv ausgebremst?

Asoka Wöhrmann: Eine echte Aktienkultur hat sich bisher in Deutschland nicht entwickelt, da das Thema Altersvorsorge nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem durch die staatliche Rente geprägt wurde. Aktien werden von vielen als risikoreich angesehen. Doch wenn man historische 20-Jahres-Perioden betrachtet, hatten selbst dramatische Krisen keine ausschlaggebende Auswirkung auf die Aktienperformance.

So haben global investierende Aktienfonds in den vergangenen Jahrzehnten im Schnitt zwischen 7 und 13 Prozent Wertzuwachs pro Jahr erzielt. Auch die Corona-Krise wird die Grundfesten des langfristig orientierten Investierens in der Niedrigzinswelt nicht erschüttern.

Wie lange werden die Zinsen noch so niedrig sein?

Wöhrmann: Ich denke, dass wir auf Sicht von mindestens zehn weiteren Jahren fast ohne Zinsen auskommen müssen. So kommt kein Anleger mehr um Aktien­investments herum. Es bietet sich hierfür ein breites Spektrum: zum Beispiel global oder regional investierende Fonds oder auch Themenkonzepte. Darüber hinaus sollte man das Wachstumspotenzial der Schwellenländer im Portfolio berücksichtigen.

Auch deutsche Aktien?

Wöhrmann: Unbedingt – in dieser Hinsicht ist insbesondere für deutsche Anleger noch eine Menge Luft nach oben. Es ist eine traurige Tatsache, dass die Aktien im Dax zu 70 Prozent in ausländischem Besitz sind. Die DWS hält eins der weltweit größten Portfolios in deutschen Aktien. Aus gutem Grund: Deutsche Unternehmer sind erfolgreiche Entrepreneure, es gibt hierzulande knapp 700 Firmen mit Weltmarktführer-Status.

Das spiegelt auch das Aktienpotenzial wider: Bei einem unserer ältesten Fonds mit deutschen Aktien konnten wir seit Auflage am Anfang der 1960er-Jahre einen Wertzuwachs von über 23.000 Prozent erzielen – trotz zwischenzeitlicher Marktverwerfungen durch die Russland- oder Asienkrise, die Dotcom-Blase oder die Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008. Um es noch einmal zu betonen: Für Aktien­anleger ist es wichtig, langfristig zu investieren – und breit gestreut, um Risiken zu reduzieren.

Getreu dem alten Börsianer-Sprichwort: nicht alle Eier in einen Korb legen ...

Wöhrmann: Genau. Es geht um Diversifikation – und das über Anlageklassen hinweg. Und darum, das ­ganze Bild anzuschauen: So bieten sich auch im Anleihenbereich noch Renditechancen, etwa bei Unternehmensanleihen oder asiatischen Staatsanleihen. Besondere Chancen sehen wir zudem für Dividenden- und Technologiefonds. Das kommende Jahrzehnt wird stark technologiegeprägt sein, etwa durch Entwicklungen im BioTech-Sektor oder durch Künstliche Intelligenz.

Für viele der von Ihnen genannten Sektoren gibt es zunehmend ETFs – also Indexfonds, die mit niedrigen Gebühren aufwarten. Haben aktive Fonds gegen diese Konkurrenz noch eine Chance?

Wöhrmann: Auf jeden Fall. Ich bin ein großer Verfechter von aktiv gemanagten Fonds. Diese müssen gegenüber ETFs jedoch ihre Gebühren rechtfertigen. Das gelingt zum Beispiel bei Multi-Asset-Konzepten, die nicht nur Aktien und Anleihen, sondern etwa auch Edelmetalle und Währungen nutzen, um zu diversifizieren.

Für diese Königsdisziplin im Asset-Management haben wir in unseren Reihen wirklich tolle Experten. Ein anderes Beispiel für den Vorteil des aktiven Fondsmanagements ist die Kreditselektion, die ein tief greifendes Unternehmens-Research notwendig macht. Klar ist: Wenn wir den Mehrwert aktiver Konzepte nicht aufzeigen, werden die Menschen sich vermehrt in Richtung ETFs orientieren.

Werden die Fondskosten allgemein sinken?

Wöhrmann: Ja. Wir können bereits einen Abbau der Margen beobachten. Das gilt für den aktiv wie den passiv gemanagten Bereich. Man kann es auch so ausdrücken: Künftig werden sich Anleger in hochliqui­den Bereichen häufiger für ETFs entscheiden und in speziellen Bereichen aktiv gemanagte Fonds beimischen.

Um bei der Zukunft zu bleiben: Das Thema Nachhaltigkeit prägt mittlerweile alle Wirtschaftsbereiche. Wie wird hier die weitere Entwicklung aussehen?

Wöhrmann: Das Thema Nachhaltigkeit ist in unserer Branche nicht mehr wegzudenken – im institutionellen Bereich und bei Publikumsfonds. Ganz einfach, weil Eltern von ihren Kindern heute beim Abendessen gefragt werden: Welches Fleisch kommt bei uns auf den Teller? Wie ist unsere private CO2-Bilanz? Wie umweltbewusst können wir unser Leben aufstellen?

Greta Thunberg und die Nachhaltigkeitsbewegung haben eine starke gesellschaftliche Wirkung entfaltet. Und unsere institutionellen und privaten Kunden wollen mit gutem Gewissen Vermögen bilden. Für die DWS ist Nachhaltigkeit weitaus mehr als ein Randeffekt. Sie wird zum Kern unse­res Portfoliomanagements. Wir werden alle Investmentprozesse für unsere 750 Milliarden Euro Assets under management anpassen. Und wir werden uns als Unternehmen konsequent nachhaltig aufstellen – um das, was wir von anderen verlangen, auch selbst zu praktizieren.

Sie haben das Potenzial der Künstlichen Intelligenz schon angesprochen. Wie stark prägt die digitale Transformation die Fondsbranche selbst?

Wöhrmann: Sehr stark, die Digitalisierung verändert das Asset-Management massiv. Unternehmensdaten sind eine ganz wichtige Entscheidungsgrundlage für unser Portfoliomanagement. Und die Verarbeitung dieser Daten wird mehr oder weniger durch Maschinen übernommen werden. Und die Digitalisierung von Daten und Prozessen wird – gepaart mit Künstlicher Intelligenz – die Kapazitäten des Menschen ungeheuer erweitern.

Beispielsweise über Machine-Learning und Deep-Learning. Wir haben uns dazu schon früh positioniert: Vor eineinhalb Jahren haben wir uns an einem israelischen Unternehmen beteiligt, das KI im Immobilienbereich einsetzt. Und wir sind unlängst eine Partnerschaft mit einem FinTech eingegangen, um gemeinsam Mehrwerte für unsere Asset-Manager und Kunden zu generieren. Der Faktor Mensch wird aber auch in unserem Business immer von entscheidender Bedeutung sein – nicht zuletzt bei der Beratung unserer Kunden. Der israelische Philosoph Yuval Harari hat gesagt, dass wir mit unseren technischen Möglichkeiten einen „Homo deus“, einen göttlichen Menschen, schaffen. Aber er hat auch gesagt, dass die Vergöttlichung des Menschen nicht den Menschen entbehren kann, sondern mehr als zuvor die Beziehung der Menschen untereinander braucht.

Kommen wir noch einmal zurück zum Thema Altersvorsorge. Das Sparen fürs Alter ist in Deutschland stark durch die Versicherungen dominiert; die Fonds­industrie hat sich immer ein bisschen schwergetan, hier Boden gutzumachen. Wird sich das bald ändern?

Wöhrmann: Sowohl die Versicherungswirtschaft als auch die Fondsindustrie haben ihre Existenzberech­tigung. Und wir haben schon in der Vergangenheit eng kooperiert: So sicherten wir früher für Versicherungsprodukte mithilfe unserer Investmentexpertise die Garantieleistungen. Doch in einer Welt ohne nennenswerte Zinsen sind Garantien immer schwieriger zu realisieren.

In der Konsequenz muss sich die Asset-Management-Industrie weitaus stärker um die Altersvorsorge kümmern – um damit eins der wichtigsten Themen der Zeit in den Griff zu bekommen. Nicht zuletzt, da wir in Deutschland kein echtes Pensionssystem geschaffen haben – wie etwa die Niederlande oder Großbritannien. So muss unsere Branche einen viel stärkeren Entwurf vorlegen, um das Thema Vorsorge zu adressieren und um der drohenden Altersarmut in Deutschland entgegenzuwirken.

Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund staatlich geförderte Produkte wie Riester- und Rürüp-Rente und die betriebliche Altersversorgung?

Wöhrmann: Für die Altersvorsorge sind staatlich unterstützte Maßnahmen sehr sinnvoll. Und jeder ist gefordert, für seine eigene Zukunft etwas zu tun. Damit sollte man eher früher als später anfangen, und sowohl für staatlich geförderte Instrumente als auch für die private Vorsorge bieten Aktienfondssparpläne eine sehr gute Lösung.

Ich bin ein großer Fan dieser Sparpläne, die man mit einem immer gleichen Betrag im gleichen Rhythmus bespart: Bei hohen Kursständen kauft man weniger Anteile, bei Marktphasen wie jetzt bekommt man mehr Anteile. Dieser sogenannte Cost-Average-Effekt schlägt sich im Ergebnis positiv nieder; mit ihm erzielt man langfristig einen sehr guten Durchschnittspreis. Wenn man das über 20, 30 Jahre macht, hat man einen fantastischen Kapitalstock für seine Altersvorsorge aufgebaut. Dann braucht man auch keine Angst vor Krisen mehr zu haben.

29.04.2020    Markus Deselaers
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