02.09.2020    Hilka H. Jeworrek
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Bei Premium Cola gibt es keine Mitarbeiter. Der Getränkeanbieter setzt sich in einem Netzwerk aus Einzelgesellschaften in einem informellen Kollektiv zusammen. Das setzt auf Alltagstauglichkeit statt allein auf Progressivität.  So sollen die Grenzen zwischen Intern und Extern aufgelöst werden. Jeder steht in der Verantwortung, seinen Teil zum Erfolg zu leisten. Deshalb gibt es keine klassische Führungsebene, auch wenn Unternehmens- und Markenrechte Uwe Lübbermann gehören und er in Notlagen alleine entscheiden kann. „Bei uns fallen Unternehmensentscheidungen im Konsens mit 260 Mitarbeitern,“ sagt Lübbermann im DUB Business Talk „denn wir wollen die alte Welt der Weisungsbefugnis über die Angestellten bei uns nicht haben. Allein, dass Arbeitgeber den Arbeitsort festlegen, ist ein Eingriff in das Selbstbestimmungrecht des Menschen. Das Privatleben, sprich der Wohnort, werden davon direkt beeinflusst.“

Am DUB Digital Business Talk nahmen teil:

  • Uwe Lübbermann, Gründer, Premium Cola
  • Christopher Koska, Daten- und Algorithmenethiker

Moderation: Miriam Rönnau, stellv. Projektleitung DUB UNTERNEHMER-Magazin und dub-magazin.de

Im Konsens durch die Krise

Seit Gründung von Premium Cola vor 19 Jahren kann jeder für das Unternehmen Tätige seinen Arbeitsort frei bestimmen. Persönliche Treffen gibt es ein Mal pro Jahr. Ansonsten funktioniert die Kommunikation über Telefon, Email und ein Unternehmensforum mit verschiedenen Diskussionsthreads. Die  Unternehmenskultur sei  genauso entscheidend wie die digitalen Kommunikationskanäle, so Lübbermann. Diese trage den ortsübergreifenden Austausch mit.

Aufbauend auf diesen Prinzipien kam die Marke bisher durch die Coronakrise. Nach einem Umsatzeinbruch von 95 Prozent habe man gemeinschaftlich entschieden, Gehälter und andere Hilfen, die jeder der für Premium Cola tätigen Selbstständigen beantragt hatte, umzuverteilen. Auf diese Weise konnte die Liquidität von 30.000 Euro auf 100.000 Euro mehr als verdreifacht werden.

Ethik ist die Grundlage

Nicht nur die Digitalisierung, auch die Ethik trägt zur Vertrauensbildung bei, bestätigt Christopher Koska das Konzept von Premium Cola. Der Daten- und Algorithmen-Ethiker forscht zur Corporate Digital Responsibility (CDR) und ihrer Bedeutung für die Wirtschaft. Kommunizieren Unternehmen beispielsweise transparent über Geschäftszahlen oder Datennutzung, schafft das sowohl in der Belegschaft als auch bei potenziellen Bewerbern Sicherheit. Ein Beispiel: Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) schafft zwar einen legalen Rahmen für die Datennutzung, aber nicht nicht alles was legal ist, ist auch legitim. Jeder könne sich die Frage stellen, ob die Cookie-Richtlinien seit Einführung der DSGVO wirklich transparenter geworden sind, so Koska. „Die Ethik geht dem Recht immer voraus und prüft im Nachgang auch die Umsetzung ab.“ Dem könne man sich in unserem Kulturkreis gedanklich auch gar nicht entziehen.

DUB Business Talks

Vertrauen macht produktiv

Doch wie können Unternehmen die Digitalisierung nutzen, um einen Wandel in der Unternehmenskultur zu verwirklichen? Für Lübbermann sind drei  Punkte wichtig: Erstens müssen Strukturen für eine Weile ausgesetzt werden, um einen Denkrahmen außerhalb des Gewohnten zu ermöglichen. Zweitens benötigt Wandel Zeit und drittens müssen alle Betroffenen eingebunden werden. Dies schließe neben den Angestellten zum Beispiel auch Kunden und Dienstleister ein und führe letztlich zu Stabilität.

Für Koska geht es  noch konkreter. Konzerne wie kleine und mittelgroße Unternehmen sollten ihre Werte und Leitbilder mit den Anforderungen der Digitalisierung abgleichen und auf dieser Basis den Wandel beginnen. Blinder Aktionismus helfe nicht. Eine Strategie muss sein. „Wenn ein Unternehmen aber bereits über eine digitale Infrastruktur verfügt, sollte man sich  überlegen, ob auf eine Anwesenheitspflicht weiter bestanden werden muss.“ Dies deckt sich mit aktuellen Forschungsergebnissen, die belegen, dass Vertrauensarbeitszeitmodelle mit freier Ortswahl Mitarbeiter produktiver machen. Firmen, in denen Unsicherheit über das richtige Vorgehen herrscht, empfiehlt Koska, Netzwerke zu bilden und sich mit anderen auszutauschen. Mit der Beratungsfirma dimension2 bietet er auch zielgerichtete Unterstützung an. Gerade zu Beginn einer Transformation kann Expertise beispielsweise bei der Umsetzung des Leitbildes oder dem Datenschutzmanagement hilfreich sein.

02.09.2020    Hilka H. Jeworrek
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