Für Bhuwan Agrawal, Head of Central Europe bei Tata Consultancy Services (TCS), liegt der Schlüssel in einer strategischen Herangehensweise, die Technologie, Prozesse und Mitarbeiterqualifizierung gleichermaßen einbindet. Denn nur wenn deutsche und europäische Unternehmen Künstliche Intelligenz flächendeckend einsetzen, würden sich bessere transformative Ergebnisse erzielen lassen.
„Künstliche Intelligenz ist zweifellos eine der disruptivsten Technologien unserer Zeit“, sagt Agrawal. „Sie verbindet Kreativität und analytisches Denken auf eine Weise, die zuvor unvorstellbar war. Kurzfristig hilft KI Unternehmen dabei, Effizienz, Genauigkeit und Einfachheit in ihren Prozessen zu steigern.“ Doch viele Unternehmen unterschätzen die Bedeutung von Daten. Deshalb warnt Agrawal: „Ohne hochwertige und relevante Daten bleibt KI ein reines Experimentierwerkzeug.“
Datenstrategie ist unerlässlich
Eine klare Datenstrategie sei für Unternehmen deshalb unerlässlich. Es reiche nicht aus, Daten zu sammeln. Sie müssten vielmehr sinnvoll verknüpft und in den richtigen Kontext gesetzt werden, um KI am Ende auch erfolgreich für das Business einsetzen zu können. Agrawal ergänzt: „Viele Unternehmen vernachlässigen die Kontextualisierung ihrer Daten. Dabei ist es gerade dieser Schritt, der den Unterschied zwischen bloßer Datensammlung und geschäftlichem Erfolg ausmacht.“
Der Deutschlandchef von TCS hebt auch die Bedeutung von Technologien hervor, die Unternehmen für die KI-Nutzung priorisieren sollten. „Cloud-Computing bietet Flexibilität und Skalierbarkeit, um große Datenmengen effizient zu verarbeiten“, erklärt er. Doch wo große Datenmengen verarbeitet werden, spiele auch das Thema Sicherheit eine zentrale Rolle: „Datenschutz und Compliance müssen oberste Priorität haben. Besonders für Asset-intensive Branchen wie die Automobil- oder Fertigungsindustrie ist Edge-Computing unverzichtbar, da viele Daten direkt an der Quelle verarbeitet werden.“
Qualifizierte Mitarbeitende sind ein Erfolgsfaktor
Trotz der technologischen Fortschritte ist Agrawal überzeugt, dass Technologie allein nicht ausreicht, damit Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich sind. „Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist die Qualifizierung der Mitarbeitenden“, sagt er. „Unternehmen sollten nicht nur IT-Fachkräfte, sondern auch Mitarbeitende aus anderen Bereichen schulen, damit diese KI kreativ nutzen können.“ Bei TCS setzt die Unternehmensführung deshalb auf eine Kultur des lebenslangen Lernens. Weltweit hat das indische Unternehmen bereits über 500.000 Mitarbeitende im Bereich KI weitergebildet. Agrawal erklärt: „Es ist wichtig, dass alle Mitarbeitenden KI verstehen und anwenden können – unabhängig von ihrer Position.“
Doch insbesondere in Deutschland stößt die Implementierung von KI immer wieder auf kulturelle und strukturelle Barrieren. „Die deutsche Wirtschaft ist oft risikoscheu“, findet Agrawal. Er wünscht sich deshalb: „Wir brauchen einen Kulturwandel hin zu mehr Experimentierfreude.“ Leichter gesagt als getan, denn immer noch erschweren Bürokratie und komplexe Regulierungen die schnelle Implementierung von KI in deutschen Unternehmen und Institutionen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt, den Agrawal betont, sei die Geschwindigkeit der Umsetzung, wenn es um die Implementierung von KI-Lösungen geht: „Unternehmen, die zögern, riskieren, den Anschluss zu verlieren. Experimentieren war gestern. Jetzt geht es darum, KI schnell und strategisch zu implementieren, um von den Erfahrungen anderer zu profitieren und Fehler zu vermeiden.“
In Europa schlummert enormes Potenzial
Auch wenn hiesige Unternehmen gerade im internationalen Vergleich den Mitbewerbern aus Nordamerika und Asien hinterherhinken, sieht Agrawal langfristig ein enormes Potenzial für Europa. Zumindest dann, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. „Europa hat die Chance, ein globaler Vorreiter für vertrauenswürdige und ethische KI zu werden“, betont der TCS-Deutschlandchef. „Initiativen wie der AI Act der Europäischen Union setzen Standards, die weltweit Beachtung finden. Doch dafür müssen wir stärker in Forschung und Entwicklung investieren und engere Partnerschaften zwischen öffentlicher und privater Hand aufbauen.“
Im europäischen Vergleich hätten Länder wie Spanien und Polen vor allem in puncto Talentförderung bereits größere Fortschritte gemacht. „Deutschland muss seine Anziehungskraft für Fachkräfte steigern, indem es bürokratische Hürden abbaut und klare Signale für Integration und berufliche Perspektiven sendet“, sagt Agrawal. Die Kooperation mit internationalen Bildungseinrichtungen und die Förderung von Nachwuchstalenten sei essenziell, um langfristig wettbewerbsfähig bleiben zu können.
Unternehmen müssen jetzt handeln
Agrawals Appell an Unternehmen ist klar: „Sie müssen den Hype hinter sich lassen und jetzt handeln. Wer KI strategisch einsetzt, hat die Chance, in einer datengetriebenen Welt nicht nur zu überleben, sondern zu florieren. Es geht darum, Technologie, Prozesse und Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und damit die Basis für nachhaltigen Erfolg zu schaffen.“ Mit diesem Ansatz könnten deutsche Unternehmen nicht nur ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern, sondern auch eine Vorreiterrolle in der globalen KI-Entwicklung einnehmen. „Wer heute die richtigen Weichen stellt, wird morgen von den enormen Potenzialen der KI profitieren“, sagt der Deutschlandchef von TCS.