„New Work funktioniert nur mit Vertrauen“

In unserem Interview-Format „Hype oder Revolution? New Work im Expertencheck“ fragen wir regelmäßig hochkarätige HR-Expertinnen oder Experten zu den aktuellen Entwicklungen in der Personalentwicklung- und gewinnung. Einer davon ist Philipp Preißer. Er ist Host vom Diversity Karriere Podcast „Unvoreingenommen“ und Head of Employer Branding & DEIB Decathlon Deutschland.

New Work: Ein Mann sitzt vor einem Laptop und lacht in die Kamera.

03.12.2024

DUP UNTERNEHMER: Ist New Work für Sie mehr Hype oder echte Revolution?

Philipp Preißer:New Work“ ist kein neuer Begriff und viele verstehen etwas anderes darunter. Das Arbeitsumfeld hat sich nämlich schon immer entwickelt und das, was wir heute unter „New Work“ verstehen, ist meines Erachtens gekommen, um zu bleiben: Flexibilität, Selbstbestimmung und Sinnhaftigkeit in einer globalisierten und digitalisierten Welt. Menschen stellen nachvollziehbare Wünsche an ihre Arbeitgeber - und sie tun dies zurecht. Der Fachkräftemangel zwingt Unternehmen dazu, neu zu denken - denn wir alle möchten uns zugehörig, gesehen und selbstwirksam fühlen. Die Flexibilisierung der Arbeitswelt ist die nötige Antwort auf die gestiegenen Anforderungen durch das digitale „Always-on“ und die zunehmende Mental Load der Arbeitnehmerinnen und -nehmer. Die Währung, die es braucht für das Gelingen: Vertrauen. 

Haben Sie das Gefühl, dass Flexibilität im Job wirklich mehr Freiheit bringt – oder nur zusätzlichen Druck?

Preißer: Mitarbeitende, die in „New Work“-Settings arbeiten, können abends noch die Mails checken, am Wochenende Chatnachrichten beantworten und im Zug Videokonferenzen leiten. Die Arbeit schmuggelt sich immer mehr in unser Privatleben rein. Auf der anderen Seite lässt sich das Privatleben leichter organisieren, wenn man im Home Office noch die Wäsche machen kann, zum Nachmittagstief beim Crossfit vorbeischaut und man Ausland und Arbeit in einer Workation verbinden kann. Es kommt ganz klar auf Eigenverantwortung an. Jeder muss für sich selbst klären, ob die Rechnung aufgeht! Es ist nötig nachhaltige Grenzen zu ziehen und immer wieder kritisch zu reflektieren. Skills, die viele aber einfach nicht haben und noch lernen dürfen. Hier braucht es verantwortungsvolle, inklusive Führungskräfte, die das verstanden haben und ihre Mitarbeitenden durch „New Work“ navigieren. Flexibilität ist Fluch und Segen - aber unterm Strich sind wir selbst dafür verantwortlich, das Beste daraus zu machen. 

Würden Sie sagen, dass New Work eher den Unternehmen oder den Mitarbeitenden nützt?

Preißer: Ich habe Angst davor, dass die großen Fortschritte, die wir in den letzten Jahren gemacht haben, wieder vaporisiert werden. Flexible Arbeitsregelungen sind wie zarte Pflänzchen, die aus der Corona-Krise entstanden sind und die mit nur einer kühlen Management-Entscheidung zunichte gemacht werden können. Es braucht mutige Unternehmerinnen und Unternehmer, die ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vertrauen und diese ermächtigen. Ich persönlich arbeite produktiver und mit mehr Leidenschaft, wenn die Arbeitsbedingungen stimmen. Insofern glaube ich, dass es eher meinen Arbeitgeber nutzt. Es kommt meines Erachtens auf die Kombination aus Führung, Arbeitsumfeld und Aufgaben an. Etwas, was mir meine Gäste im Diversity-Podcast „Unvoreingenommen“ immer wieder bestätigen. 

Glauben Sie, dass sich durch New Work die klassische Karriereleiter überlebt hat?

Preißer: Führung wird komplexer. Ist für viele aber immer noch attraktiv. Es werden heutzutage andere Fähigkeiten von Führungskräften verlangt um inklusiv, sinngetrieben und zentriert zu führen. Empathie und Demut spielen eine wichtige Rolle, das Wissen um seine eigenen Stärken und dass man eben nicht mehr weiß was morgen passiert. Die klassische Karriereleiter baut auf alten Führungsmodellen auf, die überholt sind. New Work bedeutet eben auch „New Leadership“ und das ist manchmal schwieriger und unbequemer, aber dafür authentischer und vielschichtiger. Ich glaube fest daran, dass aktuell eine ganz neue Generation an inspirierenden Führungs- und Fachkräften heranwächst, dafür müssen wir uns eben von alten Modellen verabschieden.

Welche New-Work-Idee würden Sie sofort abschaffen, wenn Sie könnten?

Preißer: „Brainstorming im Sitzsack“ – Nichts gegen Sitzsäcke, aber sobald man darin versinkt, ist der Fokus eher darauf gerichtet, wie man da wieder rauskommt, statt auf revolutionäre Ideen. Obwohl - gegen so ein Powernap habe ich eigentlich auch nichts einzuwenden.